Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 09.11.2022 14:39

Haftstrafe wegen Kinderpornos

<b>Verteidiger Jörg Seubert</b> (links) im Gespräch mit seinem Mandanten, der 4750 kinderpornographische Bild- und Videodateien, besessen hat und sich deshalb vor Gericht verantworten musste. (Foto: Tanja Marsal)
Verteidiger Jörg Seubert (links) im Gespräch mit seinem Mandanten, der 4750 kinderpornographische Bild- und Videodateien, besessen hat und sich deshalb vor Gericht verantworten musste. (Foto: Tanja Marsal)
Verteidiger Jörg Seubert (links) im Gespräch mit seinem Mandanten, der 4750 kinderpornographische Bild- und Videodateien, besessen hat und sich deshalb vor Gericht verantworten musste. (Foto: Tanja Marsal)
Verteidiger Jörg Seubert (links) im Gespräch mit seinem Mandanten, der 4750 kinderpornographische Bild- und Videodateien, besessen hat und sich deshalb vor Gericht verantworten musste. (Foto: Tanja Marsal)
Verteidiger Jörg Seubert (links) im Gespräch mit seinem Mandanten, der 4750 kinderpornographische Bild- und Videodateien, besessen hat und sich deshalb vor Gericht verantworten musste. (Foto: Tanja Marsal)

Als "Einblick in menschliche Abgründe" fasste Staatsanwalt Dr. David Karsch gestern eine Verhandlung am Augsburger Amtsgericht zusammen. Angeklagt war ein 66-jähriger Mann aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, der sich wegen des Besitzes von kinderpornographischen Bildern und Videos verantworten musste. Insgesamt ging es um 4750 Dateien.

Die Bilder und Videos fanden Ermittler auf verschiedenen Medien (Laptops, Smartphone, SD-Speicherkarten und USB-Sticks) in der Wohnung des unscheinbar wirkenden kleinen Mannes. Auf die Spur ist ihm die Polizei gekommen, weil er wenige Tage zuvor, am 22. April dieses Jahres, in einem Drogeriemarkt im Landkreis Fotos von nackten Kindern ausdrucken wollte. Weil der Drucker einen Papierstau anzeigte, rief er eine Verkäuferin zur Hilfe. Diese kümmerte sich zunächst um das technische Problem. Als der Mann den Laden bereits wieder verlassen hatte, wirkten die Bilder auf die Verkäuferin nach und sie rief die Polizei. Fünf Tage später kam der 66-Jährige wieder in den Drogeriemarkt, eine Mitarbeiterin erkannte ihn und verständigte erneut die Polizei, die ihn festnahm.

Im Zuge der Wohnungsdurchsuchung kamen Bilder und Videos zu Tage, die Kinder im Alter zwischen null und 14 Jahren, vornehmlich Jungen, an denen gewaltsame sexuelle Handlungen (oral, anal und vaginal) durchgeführt werden. Diese Dateien habe der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft rein zur eigenen sexuellen Befriedigung genutzt.

Wegen sexuellem und schwerem Missbrauch von Kindern sowie dem Besitz von kinderpornographischen Schriften war der Rentner bereits dreieinhalb Jahre im Gefängnis. Im Juli 2019 kam er wieder frei, stand unter Führungsaufsicht. Diese soll die verurteilte Person nach der Entlassung aus der Strafhaft durch Betreuung und Hilfe unterstützen, die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern und sie vor erneuter Straffälligkeit bewahren. So sollte der 66-Jährige regelmäßig eine Therapiegruppe in München besuchen. Während der vergangenen zweieinhalb Jahre seien die Angebote in der psychotherapeutischen Ambulanz aufgrund der Pandemie fast nicht möglich gewesen, berichtete Rechtsanwalt Jörg Seubert. Als die Maßnahmen wieder persönliche Treffen zuließen, sei mal die Therapeutin, mal der Angeklagte krank gewesen, sodass es nicht zu vielen Sitzungen gekommen ist.

Seit Ende April befindet sich der Mann, der eine erwachsene Tochter hat, in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Gablingen. Dort habe er sich selbst um eine Therapie bemüht. Allerdings sei ihm gesagt worden, dass es für Wiederholungstäter keine Angebote gebe und man erst das neue Urteil abwarten werde, um weiter Schritte einzuleiten.

Inklusive der einschlägigen Wiederholungstaten las die Richterin insgesamt 20 Eintragungen aus dem Vorstrafenregister des gelernten Fräsers vor. Neben der Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des Besitzes kinderpornographischen Materials hat der Mann Diebstähle in mehreren Fällen und eine Trunkenheitsfahrt auf dem Kerbholz. All diese Faktoren betrachtend, plädierte Staatsanwalt Dr. Karsch für eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Neben dem "ungenierten Vorgehen", derartige Bilder in der Drogerie auszudrucken, hielt er dem Angeklagten die "Qualität der kinderpornographischen Inhalte" vor, die Kleinstkinder zeigten, denen Gewalt angetan werde. Zugute hielt er ihm gleichzeitig sein Geständnis.

Rechtsanwalt Jörg Seubert wählte seine Worte im Abschlussplädoyer mit viel Bedacht. Er bat darum, den Fall ohne Emotionen zu sehen, auch wenn derartige Bilder naturgemäß starke Emotionen auslösten. "Ja, es tun sich hier Abgründe auf", räumt der Jurist ein. Dennoch dürfe niemand die Augen vor der Realität verschließen und zu unterscheiden, wer die Bilder gemacht und wer sie konsumiert hat. Sein Mandant habe sich diese Bilder nicht zu Gemüte geführt, weil er "Spaß an Leid und Gewalt" habe, sondern wegen seiner sexuellen Veranlagung. Seubert versuchte die Anwesenden dazu zu bringen, mit einem anderen Blick auf den 66-Jährigen zu sehen: "Er hat sich nicht gewünscht, auf Kinder zu stehen und kann nichts dafür." Er dürfe seine sexuelle Veranlagung nicht ausleben, weil es verboten ist - "und das ist auch richtig so". In der JVA werde er "schikaniert, gemobbt und bedroht", seit bekannt ist, was ihm zu Lasten gelegt wird. Als angemessene Strafe hielt Seubert zwei Jahre und vier Monat Haft.

Das Schöffengericht um die Vorsitzende Richterin Susanne Scheiwiller verurteilte den Mann zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Die Zeit der Untersuchungshaft, also inzwischen über sechs Monate, wird abgezogen. In der Urteilsbegründung sagte Scheiwiller, bezugnehmend auf die Argumentation des Verteidigers, der Konsument von Kinderpornographie biete durch sein Interesse den Markt für dieses Geschäft. Und: "Hinter jedem Bild steckt ein Kinderschicksal."

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