Einen möglicherweise entscheidenden Baustein zum Gelingen der Energiewende wollen die Unternehmen Amprion, Eon und LEW austesten: Im Projekt „dezentraler Netzbooster” sollen mehrere Batteriespeicher dabei helfen, das Stromnetz in Deutschland leistungs- und widerstandsfähiger zu machen. Es wäre der weltweit erste seiner Art. Am Dienstag stellten die Unternehmen das Projekt genauer vor.
Die konkrete Problemlage ist an sich schnell erklärt: Windenergie aus dem Norden der Bundesrepublik wird über die Leitungen der Übertragungsnetze in den Süden transportiert. Fällt eine Leitung aus, müssen die verbliebenen Leitungen mehr Strom aufnehmen. Damit es zu keiner Überlastung kommt, wird die Stromerzeugung im Norden gedrosselt und im Süden müssen nun Reserve-Kraftwerke aufwendig den Betrieb hochfahren, damit der Energiebedarf weiter gedeckt ist. Diesen Vorgang, den sogenannten Redispatch, beschreiben die Projektpartner in einem eigens erstellten Erklärfilm, um deutlich zu machen, wo ihr dezentraler Netzbooster eingreifen kann. Denn: Ein solcher Redispatch ist teuer und werde immer häufiger nötig. Die Kosten dafür beliefen sich im deutschen Übertragungsnetz jedes Jahr auf mehrere Milliarden Euro. Allein für 2022 waren es laut Thomas Dederichs, Leiter Strategie und Energiepolitik beim Übertragungsnetzbetreiber Amprion, vier Milliarden Euro.
Nun ist die Idee des dezentralen Netzboosters so genial wie einfach: Statt Kraftwerke im Bedarfsfall hochzufahren, deckt ein Verbund aus Batteriemodulen den zusätzlichen Strombedarf und die Kraftwerke müssten erst später oder gar nicht in Anspruch genommen werden. „Mit dem dezentralen Netzbooster haben wir ein Konzept entwickelt, das uns schon bald dabei hilft, die teuren Redispatch-Eingriffe im Übertragungsnetz deutlich zu reduzieren”, so Dederichs. Freilich wäre das vom Prinzip her auch mit einer einzigen großen Batterieanlage möglich, doch die Dezentralität habe entscheidende Vorteile, wie das Pilotprojekt der drei Partner zeigen soll.
Angepeilt für den Netzbooster ist eine insgesamt vorgehaltene Leistung von 250 Megawatt. Statt nun eine große Anlage an das Übertragungsnetz direkt anzuschließen, sollen fünf bis zehn Module an Umspannungsstandorten im Gebiet der LEW in Bayerisch-Schwaben und Oberbayern installiert werden. „Dieser Ansatz verringert die Anschlusskosten, steigert die technische Resilienz und reduziert die Eingriffe in die Landschaft”, begründen die Partner. Besonders der letzte Punkt dürfte dabei entscheidend sein, denn die Speicher benötigen gehörig Platz. „Bei 250 Megawatt wäre das schon ein IKEA”, gibt Dederichs einen Größenvergleich. Für die einzelnen Module ist der Platzbedarf immer noch groß. 100 auf 50 Meter etwa müsste ein entsprechendes Grundstück groß sein, erklärt Kathrin Schaarschmidt von der LEW Verteilnetz. Nun sei man auf der Suche nach geeigneten Standorten, um in den kommenden Monaten mit den Gemeinden ins Gespräch zu kommen.
Bau und Betrieb der Anlagen soll an Dienstleister vergeben werden. Dazu bereitet Amprion eine öffentliche Ausschreibung vor. Läuft alles nach Plan, dann soll schon im kommenden Jahr die Beauftragung erfolgen. Ende 2025 will Dederichs mit dem Booster ans Netz gehen. Ganz billig wird das Ganze voraussichtlich nicht sein. Dederichs geht von 200 bis 250 Millionen Euro aus. Doch: Die Investition hätte sich schon in 18 bis 24 Monaten amortisiert, ist der Mann von Amprion vom dezentralen Netzbooster überzeugt: „Es ist das wichtigste Projekt der Energiewende!”, betont er.
Tatsächlich sei Nachmachen ausdrücklich erwünscht, wie LEW-Vorstandsmitglied Markus Litpher sagt. „Angesichts des weiteren Ausbaus der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bauen wir unser Netz massiv aus und beschäftigen uns auch mit innovativen Ansätzen, mit denen wir die Infrastruktur so effizient und sicher wie möglich machen”, glaubt auch er an den Erfolg des Pilotprojekts.