Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 06.04.2019 12:00

„Unglücklich gelaufen”

Während der Verhandlung kamen sowohl Amtsrichter Roland Fink als auch die Staatsanwaltschaft zum Schluss, eine Täuschungsabsicht sei dem Mann nicht nachzuweisen, vielmehr liege ein kommunikatives oder organisatorisches Missverständnis vor. Daher: Freispruch. Im Grunde ging es um zwei Monate, Dezember 2013 und Januar 2014, in denen er am hiesigen Landratsamt beschäftigt war, zeitgleich als Refendar in Hamburg, aber auch „ganz wesentliche Teile der Zeit”, so Richter Fink, schwer krank war. Ein Tumor an der Hypophyse hatte ihn außer Gefecht gesetzt. „Ich habe drei Jahre Hölle hinter mir”, schilderte der Mann vor Gericht mit tränenerstickter Stimme seine Odyssee durch Arztpraxen - lange Zeit ohne eindeutige Diagnose. Dazu verlas der Richter auch eine Liste der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die belegen, dass der Angeklagte im Dezember und auch die Hälfte des Januars gar nicht arbeiten konnte.

Nicht nur wegen der dramatischen Diagnose, auch wegen der Verschiebung des Antrittstermins in Hamburg dürften sich Missverständnisse ergeben haben. Zunächst war wohl geplant gewesen, das Referendariat in Hamburg beginne im Februar 2014. Dann wurde der Termin vorverlegt auf Dezember 2013. Diese Chance hat der Angeklagte nicht verstreichen lassen wollen. Er rechnete sich aus, dass er bei einem Tag in der Woche, den er in Hamburg persönlich anwesend sein müsse, und mit seinen restlichen Urlaubstagen, die beiden Tätigkeiten als Interimslösung parallel laufen lassen könne. Seine Fälle, die er in Aichach zu bearbeiten hatte, wollte er nicht unerledigt hinterlassen, schilderte der Angeklagte, der von einem Vertreter der Regierung von Schwaben, der im betreffenden Zeitraum für das Personal zuständig war und als Zeuge auftrat, als „ausgesprochen guter Mann” bezeichnet wurde. Ungünstig, dass der Angeklagte seine Idee nicht mit seinem Dienstherren klar abgesprochen zu haben scheint. Eine entsprechende Notiz, ein Schreiben, eine E-Mail, fehlte Fink. Nicht eindeutig geklärt werden konnte in der Verhandlung, wie die beiden Tätigkeiten verwaltungsrechtlich hätten parallel laufen können, aber Möglichkeiten gebe es wohl.

Da dem Angeklagten, auch durch sein Auftreten während der Verhandlung, keine Täuschungshandlung oder -absicht nachgewiesen werden konnte, er keine Bereicherungsabsicht an den Tag gelegt habe, plädierte die Staatsanwaltschaft auf Freispruch. Dem folgte Richter Fink, zumal er noch offene verwaltungsrechtliche Fragen sah, und sprach den Mann, der heute in Hamburg lebt, frei. Er merkte an: „Das ist an der ein oder anderen Stelle nicht perfekt gelaufen.” Dem Angeklagten war die Erleichterung anzusehen.


Von Verena Heisserer
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