Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 23.02.2023 09:29

Vorwurf der Zensur

Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz ist zentrales Element des Augsburger Friedensfests am 8. August. Wie am und rund um diesen besonderen Feiertag künftig gefeiert werden soll, wird aktuell in Augsburg diskutiert. (Foto: Patrick Bruckner)
Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz ist zentrales Element des Augsburger Friedensfests am 8. August. Wie am und rund um diesen besonderen Feiertag künftig gefeiert werden soll, wird aktuell in Augsburg diskutiert. (Foto: Patrick Bruckner)
Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz ist zentrales Element des Augsburger Friedensfests am 8. August. Wie am und rund um diesen besonderen Feiertag künftig gefeiert werden soll, wird aktuell in Augsburg diskutiert. (Foto: Patrick Bruckner)
Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz ist zentrales Element des Augsburger Friedensfests am 8. August. Wie am und rund um diesen besonderen Feiertag künftig gefeiert werden soll, wird aktuell in Augsburg diskutiert. (Foto: Patrick Bruckner)
Die Friedenstafel auf dem Rathausplatz ist zentrales Element des Augsburger Friedensfests am 8. August. Wie am und rund um diesen besonderen Feiertag künftig gefeiert werden soll, wird aktuell in Augsburg diskutiert. (Foto: Patrick Bruckner)

Die Debatte um das Augsburger Friedensfest nimmt nach der Entscheidung im Kulturausschuss vergangene Woche an Fahrt auf. Die Soziale Fraktion spricht mittlerweile von Zensur und eine Gruppe von besorgten Kulturschaffenden aus Augsburg hat sich mit einem Offenen Brief an Oberbürgermeisterin Eva Weber gewandt.

Einiges Unverständnis hatte diese Beschlussvorlage zur jüngsten Kulturausschusssitzung ausgelöst. Das Friedensfest und das dazugehörige Rahmenprogramm sollten nach dem Willen der Verwaltung auf den Prüfstand. In großer Mehrheit stimmten die Ausschussmitglieder für den Antrag. Lediglich die Vertreter der Sozialen Fraktion lehnten das Ansinnen ab – und folgten damit der Empfehlung des Kulturbeirats, der in seiner Stellungnahme klar machte: „Der Kulturbeirat lehnt jegliche politische Einflussnahme auf das Rahmenprogramm zum Hohen Friedensfest ab.” Doch genau das befürchtet nun die Soziale Fraktion aus SPD und Linke.

„Das Vorgehen der Oberbürgermeisterin ist sehr befremdlich. Bei uns erhärtet sich zunehmend der Eindruck, dass es der OB und der CSU nicht um eine Neuausrichtung des Friedensfests geht, sondern um die Zensur politisch nicht gewollter Inhalte”, konkretisiert Fraktionschef Florian Freund seine Befürchtungen. Eingriffe in die Kunstfreiheit werde seine Fraktion keinesfalls toleriert, „zumal das Vorgehen der OB auch gegen die gültigen Beschlüsse aus dem Jahr 2018 verstößt”.

Tatsächlich hatte die Stadt eine ähnliche Diskussion bereits. 2017 war der damalige Oberbürgermeister Kurt Gribl mit dem Auftritt von Thorwald Proll als Teil des Rahmenprogramms zum Friedensfest unzufrieden. Proll war an den politisch motivierten Kaufhausbrandstiftungen im Jahr 1967 beteiligt. Nach dem Willen des damaligen OB hätten die Programme künftiger Friedensfeste der Genehmigung durch den Kulturausschuss bedurft. Doch der Ausschuss spielte nicht mit.

„Seinerzeit wurde – nach intensiver Diskussion – vom Stadtrat festgelegt, dass die Begleitung der Themenfindung und die inhaltliche Ausgestaltung des Rahmenprogramms zum Friedensfest auf partizipativer Grundlage erfolgt und dass die kuratorische Freiheit bei der Leitung des Friedensbüros liegt”, erinnert Freund. Ein Eingreifen der Politik in das partizipativ gestaltete Rahmenprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest sei in den Beschlüssen nicht vorgesehen „und es wäre auch nach unserer Auffassung unzulässig, weil es gegen die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit verstoßen würde”, so der Fraktionsvorsitzende weiter. Der Beschluss von 2018 sieht lediglich vor, dass die Programme zum Friedensfest dem Kulturausschuss vorgestellt werden.

„Die neuerliche Diskussion ums Friedensfest kam nicht nur für unsere Fraktion und auch für die Mitglieder des Kulturbeirates aus heiterem Himmel. Wir dachten mit dem jetzt gültigen Beschluss aus dem Jahr 2018 wäre die leidige Diskussion, dass sich die Stadtpolitik nicht in die künstlerische Gestaltung beim Friedensfest einmischt, abgeschlossen”, so die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Christine Wilholm. Das dem nicht so sei, zeige die Änderung des Friedensfest-Mottos von „Wohnen“ in „Zusammenhalt“ im vergangenen Jahr. „Nach unserem Kenntnisstand hat die OB selbst diese Themenänderung veranlasst, was ein ungeheuerlicher Vorgang wäre, wenn sich dies bewahrheiten würde”, so Wilholm weiter.

Kritik gibt es auch von der ÖDP. Diese bedauere den öffentlich ausgetragenen Streit um die weitere Ausrichtung und Ausgestaltung des Friedensfestes sehr, „zumal Anlass und Hintergrund für dieses friedlose Agieren seitens der Stadtregierung und der Verwaltung rund um das Friedensfest nicht nachvollziehbar sind”, teilt Peter Biet, kulturpolitischer Sprecher der ÖDP Augsburg-Stadt, mit. „Die ins Feld geführte Argumentation, das Augsburger Friedensfest habe zuletzt zu viele 'überintellektuelle und überkulturelle Angebote' beinhaltet, ist schlichtweg grotesk, weil unhaltbar”, kritisiert Biet. Gerade wenn die Stadtregierung und OB Weber den “religiösen und kirchlichen Anlass” des Friedensfestes stärker in den Mittelpunkt gerückt sehen wollten, sollten sie verstärkt auf wichtige Akteure des Friedensfestes, wie etwa den Runden Tisch der Religionen, zugehen, „anstatt diese mit öffentlich ausgetragenen internen Streitigkeiten vor den Kopf zu stoßen und zu demotivieren”.

Mittlerweile haben sich auch diejenigen Kulturschaffenden zu Wort gemeldet, die sich stets an den Programmen beteiligen und nach dem Beschluss des Kulturausschusses nun auch am Bewertungsprozess des Friedensfestes teilnehmen sollen. In einem Offenen Brief wenden sich 25 Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen wie Bluespots Productions, der Verein Die Bunten, das Grandhotel Cosmopolis, der Integrationsbeirat und der Stadtjugendring an die Oberbürgermeisterin und den Stadtrat. Im Schreiben geben sich die Unterzeichner überrascht, „dass das Friedensfest aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen neuen Zuschnitt bekommen soll, und dazu ein Beteiligungsprozess eingeleitet werden soll – mit einem Beschluss gegen die Empfehlung des Kulturbeirats”. Ebenso habe sie überrascht, dass es bereits in diesem Jahr kein Motto mehr für das Rahmenprogramm geben solle – tatsächlich ein Vorgehen, das nicht vom jetzt getroffenen Beschluss gedeckt wäre, ist doch zunächst nur eine ergebnisoffene Bewertung vorgesehen.

Für die bisherige Arbeit des Kulturbüros haben die Autoren des Offenen Briefs nur lobende Worte: „Christiane Lembert-Dobler und ihr Team moderieren Jahr für Jahr einen Beteiligungsprozess, in dem die Möglichkeit gegeben wird, gemeinsam ein Programm zu erarbeiten, das inhaltlichen Anspruch, Freiräume für Kreativität und niederschwellige Zugänglichkeit verbindet.” Im Programm kämen viele Menschen aus sehr unterschiedlichen Teilen der Stadtgesellschaft zusammen. Das sei gelebte Friedensarbeit in Augsburg. „Wir möchten mit diesem Brief unserer Sorge Ausdruck verleihen, dass bei dem Anliegen, das Konzept des Programms zum Hohen Friedensfest zu überprüfen, die Verdienste des Friedensbüros nicht hoch genug und der tatsächliche Sachverhalt nicht adäquat eingeschätzt werden”, schließen die Unterzeichner den Brief.

Und Eva Weber? In einem Beitrag auf Facebook, stellt sie sich am Mittwochabend vor ihre Stadtdirektorin Melanie Haisch, aus deren Direktorium die Beschlussvorlage stammte. Weber wisse, „dass diese Diskussion entstanden ist, weil die Kommunikation zum Beschluss des Kulturausschusses zum Friedensfest besser hätte laufen müssen. Der Fehler darf gerne mir angerechnet werden”. Sie wolle die jetzt entstandene Diskussion nicht als Kritik am bisherigen Vorgehen verstanden wissen. Es sei für die vergangenen Jahre ein gutes Format und in jedem Jahr ein straffes Arbeitspensum gewesen. Aber: „Die Zeiten haben sich verändert. Seit einem Jahr herrscht in Europa wieder Krieg. Für mich Anlass darüber nachzudenken, wie wir mit unserem Friedensfest und dem Begriff ,Friedensstadt' weiter umgehen wollen”, begründet sie den Wunsch nach einer Neubewertung. Beim kulturellen Rahmenprogramm stelle sich die Frage, „ob wir in den neuen Zeiten Veränderungen vornehmen wollen oder vielleicht sogar müssen – und das meine ich nicht inhaltlich, sondern in Bezug auf die Rahmenbedingungen; denn natürlich hat ein kulturelles Rahmenprogramm auch einen diskursiven und intellektuellen Charakter”, so Weber weiter.

Wie der nun beschlossene Bewertungsprozess ablaufen soll, ist noch nicht klar. Den Ablauf bestimmt jetzt gemäß der Entscheidung im Ausschuss die Verwaltung selbst.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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