Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 26.09.2022 13:38

"Ist das ein staatliches Gericht? Sind Sie also eine staatliche Richterin?", wandte sich der Angeklagte an Richterin Nadine Grimm am Aichacher Amtsgericht. Und von Staatsanwalt Jonas Thomasberger wollte der 74-Jährige wissen: "Haben Sie für diesen Fall eine Genehmigung von der Militärregierung?" Auf der Anklagebank saß der Mann aus dem nördlichen Landkreis wegen versuchter Nötigung.

Laut Anklageschrift hat er in einem Schreiben an das Finanzamt den zuständigen Sachbearbeiter aufgefordert, sich amtlich zu legitimieren, sowie eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Staates, auf den die Vereidigung begründet wurde, und eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Bundeslandes vorzulegen. Die "Beweise" sollte der Sachbearbeiter innerhalb einer Frist von 21 Tagen vorlegen. Ansonsten leite sich daraus eine "unwiderrufliche und absolute Zustimmung zu einem privaten, kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 700000 Euro" zugunsten des Angeklagten sowie eine Publikation in einem internationalen Schuldnerverzeichnis ab.

Dass der Brief von ihm verfasst wurde, räumte der Angeklagte ein. Er habe allerdings an das Finanzamt geschrieben, nicht an einen bestimmten Sachbearbeiter, weshalb er einen solchen auch nicht genötigt habe, fand er. "Das Finanzamt, das Amtsgericht und die BRD sind Firmen", leitete er seine Begründung für das Schreiben ein und folgte nicht nur in diesem Punkt der gängigen Argumentation der sogenannten "Reichsbürger", die in der Bundesrepublik Deutschland eine GmbH und in Steuern eine Form der Plünderung sehen. Er habe mit dem Finanzamt als Firma "kein vertragliches Verhältnis", aus diesem Grund habe er Gegenbeweise angefordert. "Die BRD ist besetztes Land der Alliierten mit den Gesetzen der Alliierten", holte der Rentner weiter über sein Staats- und Rechtsverständnis aus. Es gelte die "Haager Landkriegsordnung". Der Richterin überreichte er eine Vielzahl an Unterlagen "zum Nachlesen". "Ich bin hier kein Kaspar. Ich weiß schon, mit was ich es zu tun habe", sagte er abschließend.

Richterin Nadine Grimm befand, die Nötigung ergebe sich aus der Tatsache, dass der Mann im Zeugenstand selbst erklärt hatte, auf einen Leser seines Briefes gehofft zu haben, wenn auch keinen bestimmten. Der Kaufmann wurde in der Vergangenheit bereits wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, das Delikt liegt allerdings mehr als zehn Jahre zurück. Die Richterin verurteilte den Rentner zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro.

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