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Augsburger Juristin wehrt sich gegen Kopftuchverbot: Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht

Aqilah S. klagte 2015 gegen den Freistaat. Der Grund: Während ihrer Referendariatszeit wurde der Jurastudentin ein Kopftuchverbot auferlegt. Das Augsburger Verwaltungsgericht gab der jungen Frau Recht, gab es doch zum damaligen Zeitpunkt kein Gesetz auf dem das Verbot basierte. Der Freistaat legte gegen das Urteil Berufung ein und bekam seinerseits Recht. Daraufhin wiederum ging die Studentin in Revision. Am kommenden Donnerstag wird der Fall nun erneut verhandelt, diesmal vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die muslimische Studentin, die von 2014 bis 2016 Referendarin im Bezirk des Oberlandesgerichts München war, hatte wenige Tage vor Antritt ihrer juristischen Ausbildung per E-Mail die Auflage bekommen, während „hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung” keine religiösen Kleidungsstücke tragen zu dürfen. Zu diesen Tätigkeiten zählen etwa die Staatsanwaltschaft zu vertreten, Sitzungen zu leiten oder Zeugen zu vernehmen. Weil sie die Auflage nicht erfüllte, wurde sie von einigen Tätigkeiten ausgeschlossen, etwa Verhandlungen vom Richtertisch aus zu verfolgen. Sie sei damals sehr überrascht und auch irritiert gewesen, erzählte Aqilah S. 2016 in einem Interview mit der StadtZeitung, denn sie sei die einzige gewesen, die eine solche Email erhalten habe. „Ich wusste, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gab und habe erst mal gehofft, dass die Ausbildungsbehörde selbst einlenken würde. Das ist leider nicht erfolgt, so dass ich mich für den Klageweg entschieden habe”, begründete die junge Frau ihre Entscheidung, gegen den Freistaat zu klagen. Leicht gefallen sei ihr dieser Schritt aber nicht.

Das Oberlandesgericht München hatte sich bei der Auflage an die Studentin an einer Verordnung des bayerischen Justizministeriums von 2008 orientiert, die besagt, dass Referendarinnen etwa im Gerichtssaal oder bei Zeugenvernehmungen ihr Kopftuch ablegen müssen. Das Verwaltungsgericht in Augsburg kritisierte aber nun, dass es für einen solchen Eingriff in die Religions- und Ausbildungsfreiheit keine gesetzliche Grundlage gebe. Es gab der Klage der damals 25-Jährigen im Juni 2016 vollumfänglich statt.

Der damalige Justizminister Winfried Bausback kündigte gleich im Anschluss an die Verhandlung an, gegen dieses Urteil in Berufung zu gehen. Man könne das nicht so stehen lassen, sagte er. Verfahrensbeteiligte müssten vor Gericht „auf die Unabhängigkeit, die Neutralität und erkennbare Distanz der Richter und Staatsanwälte vertrauen können“. Dieses Vertrauen dürfe schon durch das äußere Erscheinungsbild nicht erschüttert werden. Der Freistaat Bayern ging also in Berufung und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob im März 2018 das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg auf, ohne sich jedoch im Kern mit der Frage einer möglichen Diskriminierung auseinander zu setzen. Es stützte sich vielmehr auf einen formalen Aspekt. Aqilah S. wollte gerne festgestellt sehen, dass ihr weiter wirkende Nachteile entstanden wären, etwa bei künftigen Bewerbungen. Ein solches sogenanntes Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneinte der Gerichtshof jedoch. Die Auflage sei zwar ein Eingriff in die Grundrechte gewesen, aber kein tiefgreifender, argumentierte das Gericht.

S. legte gegen dieses Urteil Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Beschluss vom 24. April 2019 ließ das Bundesverwaltungsgericht die Revision „wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache“ zu. Das Revisionsverfahren könne die Frage klären, welche Anforderungen sich aus der sogenannten Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG ergeben, die der Rat der Europäischen Union beschlossen hat, um einen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festzulegen. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass alle Personen, die sich durch Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus der Richtlinie auf dem Gerichtsweg geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

Über die Revision verhandelt am Donnerstag um 10 Uhr das Bundesverwaltungsgericht.

Die Gesetzeslage hat sich seit der vorherigen Verhandlung verändert. Der Freistaat Bayern hatte im März 2018 ein Verbotsgesetz erlassen, das es Rechtsreferendarinnen untersagt, sichtbare „religiös oder weltanschaulich geprägte Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können.“ Das Gesetz bestand zum Zeitpunkt des Referendariats der Klägerin jedoch noch nicht. „Die Klage soll nun die nachträgliche Feststellung der damals rechtsgrundlos erfolgten diskriminierenden Stigmatisierung der Referendarin betreffen”, teilt der Verein „Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung” mit. Aqilah S. werde neben ihrem Prozessbevollmächtigten auch von dem Verein als Beistand auf ihrem gerichtlichen Weg begleitet.

„Nur wer mit sich selbst innerlich im Reinen ist und seine Glaubensüberzeugung nicht verstecken muss, kann auch zufrieden seine Arbeit leisten. Mich erfüllt mein Beruf, meine Religion macht mich erst lebendig”, sagte S. in dem Interview mit der StadtZeitung 2016. „Ich weiß, dass es Menschen gibt, die meinen Glauben nicht teilen. Aber wir können in einer pluralistischen Gesellschaft nur friedlich und produktiv miteinander leben, wenn wir gegenseitig ein gewisses Maß an Respekt aufbringen.”


Von Kristin Deibl
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