Augsburg - Die Fuggerstadt erlebt derzeit einen regelrechten Höhenflug: Jahr für Jahr drängen sich immer mehr Menschen zwischen Lech und Wertach und alle möchten ein Dach über dem Kopf. Doch der Wohnraum wird zunehmend auch in Augsburg Mangelware, insbesondere bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringerem Einkommen fehlt. Die Stadt hat deshalb nun zur „Offensive Wohnraum Augsburg” geblasen.
Auf fünf Säulen will Oberbürgermeister Kurt Gribl das neue Gesamtkonzept stellen: Aktivierung von neuen Wohnpotenzialen, städtischer Wohnungsbau, Aktivierung von vorhandenen Wohnpotenzialen, Schaffung von Wohneigentum und Wohnen in besonderen Lebenslagen.
Wichtig ist Gribl die Feststellung, dass man alle im Auge haben müsse, die Wohnraum brauchen. Eine Konzentration allein auf Wohnungen für sozial Schwache wäre demnach zu kurz gedacht. Doch es sieht ohnehin gar nicht so schlecht aus. Wie Baureferent Gerd Merkle ausführt, stehen aktuell Bauflächen für rund 1945 Wohneinheiten zur Verfügung, unter anderem in der Reese-Kaserne (490) und in der Friederich Ebert-Siedlung (470). In den kommenden fünf bis zehn Jahren soll über Bebauungsplan-Verfahren Platz für weitere 3000 Wohnungen dazukommen. Die Stadt plant darüberhinaus, den Weg frei zu machen für zusätzlich 5000 Wohneinheiten in einem Zeitraum von elf bis 25 Jahren. Allein im Gebiet Haunstetten Süd/West mit einer Gesamtfläche von 200 Hektar könnten so 4000 Wohnungen entstehen. „Die Grundstückseigentümer stehen dem Vorhaben positiv gegenüber”, berichtet Baureferent Gerd Merkle von den Verhandlungen. Allerdings müssten noch Details geklärt werden.
Doch die Stadt baut auch selber oder besser lässt bauen. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBG hat die klare Vorgabe, noch in der laufenden Wahlperiode 600 neue Wohnungen zu kaufen beziehungsweise zu errichten. Derzeit sind davon schon 72 Wohneinheiten angekauft und 95 Wohnungen gebaut worden. Im Bau befinden sich weitere 129 Wohnungen. Über Zukauf werde sich nicht mehr viel machen lassen, erklärt WBG-Chef Mark Dominik Hoppe. Schuld daran sind die deutlich gestiegenen Preise auf dem Immobilienmarkt. Und so plant die WBG bis 2021 den Neubau von 775 Wohnungen abgeschlossen oder zumindest begonnen zu haben. Rückendeckung erhält die WBG für dieses Vorhaben von ihrer Mutter: Die Stadt verzichtet auf die jährliche Ausschüttung, die sich zuletzt ohnehin nur mit rund 100 000 Euro im Haushalt niederschlug. Wichtiger ist da der Plan, städtische Grundstücke in das Stammkapital der WBG einzulegen. Das stärke die finanzielle Leistungsfähigkeit der WBG und gleichzeitig könne die Stadttochter die Grundstücke nutzen, um ihre Wohnbauprojekte zu realisieren, wie die Wirtschaftsreferentin Eva Weber erklärt.
Und die Stadt will dem Wohndruck noch von anderer Seite her begegnen: Leerstehende Wohnungen und ungenutzten Wohnraum zurück auf den Markt bringen. „Das ist etwa die Seniorin, die allein ein Zweifamilienhaus bewohnt”, erklärt Gribl diese Säule des Konzepts. Ein städtisches Büro soll Immobilienbesitzer eine erste Beratung bieten.
Für Eigentümer, die bisher den Aufwand einer Vermietung gescheut haben, möchte die WBG ihre Dienste anbieten und gegen Gebühr Aufgaben wie Mieterauswahl, Mieteinzug und Betriebskostenabrechnung übernehmen. Wie groß das Potenzial in diesem Bereich ist, kann Gribl allerdings nicht vorhersagen. Doch will er keinen Bereich außen vor lassen. Und so setzt er auch darauf, dass Bürger ihren eigenen Wohnraum schaffen - unterstützt etwa durch die Familienförderung, die in bestimmten Wohngebieten angeboten wird: Familien können etwa beim Grunderwerb unterstützt werden oder ihr Eigenheim in Erbbaurecht mit späterer Kaufmöglichkeit errichten.
Und dann gibt es noch Augsburger mit speziellen Anforderungen an Wohnraum. Sozialreferent Stefan Kiefer erklärt, dass Menschen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, oft überhaupt erst darum kämpfen müssen, als Mieter akzeptiert zu werden - etwa wenn sie schon einen Schufa-Eintrag haben. „Hier sind Jobcenter und das Amt für soziale Leistungen intensiv in Abstimmung, damit möglichst dem Vermieter die Miete aus Sozialhilfe überwiesen wird, damit die betroffenen Personen Wohnraum mieten können”, so Kiefer. Weitere Herausforderung für den Sozialreferenten ist die Unterbringung von Wohnungslosen und Flüchtlingen.
Für Menschen auf der Flucht hat die Stadt derzeit 40 Objekte angemietet, in denen 1050 Menschen untergebracht sind. Für die 400 bis 1000 Wohnungslosen in Augsburg ist als letzte Anlaufstelle die Obdachlosenunterkunft in der Johannes-Rösle-Straße eingerichtet. Zudem hält die Stadt 80 Wohnungen für Wohnungslose vor, die aber laut Kiefer weitgehend belegt sind - häufig von Familien, die hier übergangsweise unterkommen, bis sie dauerhaften Wohnraum gefunden haben.
Ganz andere Anforderungen an Wohnraum haben Behinderte, abhängig von der Behinderung: rollstuhlgerechte Wohnungen oder Wohnmöglichkeit für Betreuer sind nur zwei von vielen Aspekten, die berücksichtigt werden sollen. Hier sehe die Stadt eine ganze Reihe von Neubauten und Umnutzungen vor, wie Kiefer ausführt.
Um die Ziele umzusetzen, setzt er auf die stabilisierenden Effekte von Mietspiegel und Mietpreisbremse. Dazu sollen Baukosten gesenkt werden, etwa über modulares oder serielles Bauen. Notwendig werde für die Offensive ein Personalaufbau bei der Bauverwaltung und auch bei der WBG, wie Gribl offen zugibt.
Begleiten soll das Konzept ein Fachbeirat, in dem Vertreter aus der freien Immobilienwirtschaft ihre Einschätzung abgeben. Dieser Beirat soll allerdings nur etwa zweimal im Jahr zusammenkommen.
Gribl erhofft sich hier eine besser Abstimmung mit dem freien Markt. „Wir geben Gas”, fasst Gribl die Bemühungen um mehr Wohnraum in Augsburg zusammen.