Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 19.01.2023 18:07

Versalzene Verordnungen

Der Landkreis Aichach-Friedberg   setzt im Winterdienst noch immer auf Salz, wenn auf auch ein Gemisch aus Sole und Stein.	Archivfoto: Johannes Heim (Archivfoto: Johannes Heim)
Der Landkreis Aichach-Friedberg setzt im Winterdienst noch immer auf Salz, wenn auf auch ein Gemisch aus Sole und Stein. Archivfoto: Johannes Heim (Archivfoto: Johannes Heim)
Der Landkreis Aichach-Friedberg setzt im Winterdienst noch immer auf Salz, wenn auf auch ein Gemisch aus Sole und Stein. Archivfoto: Johannes Heim (Archivfoto: Johannes Heim)
Der Landkreis Aichach-Friedberg setzt im Winterdienst noch immer auf Salz, wenn auf auch ein Gemisch aus Sole und Stein. Archivfoto: Johannes Heim (Archivfoto: Johannes Heim)
Der Landkreis Aichach-Friedberg setzt im Winterdienst noch immer auf Salz, wenn auf auch ein Gemisch aus Sole und Stein. Archivfoto: Johannes Heim (Archivfoto: Johannes Heim)

Bürger sind per kommunaler Verordnungen dazu verpflichtet, Gehwege vor ihrem Grundstück von Schnee zu befreien, werktags ab 7 Uhr, sonn- und feiertags ab 8 Uhr. Das gibt die „Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und der Sicherung der Gehbahnen im Winter” vor. Sie ist in fast allen Gemeinden identisch. Mit einer Ausnahme: Ob Bürger sogenanntes Tausalz auf die Gehwege streuen dürfen oder auf Alternativen wie Sand, Sägespäne oder Splitt zurückgreifen müssen, ist nicht einheitlich geklärt. Während in Altomünster die Bürger salzen dürfen, ist es etwa in den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Aindling untersagt. Auch in der Aichacher Verordnung ist ausdrücklich von „abstumpfenden Stoffen, nicht aber Tausalz” die Rede.

Die Stadt Aichach vertritt diese Entscheidung durchaus bestimmt. „Aus Gründen des Umweltschutzes und des Tierwohls ist die Forderung nach alternativen Streumitteln unserer Meinung nach legitim”, sagt Carola Küspert. Die Leiterin des städtischen Bauamts bezieht sich etwa darauf, dass Salz auf dem Gehweg zum Beispiel für Hunde schmerzhaft sein kann.

Ein generelles Verbot bestehe indes nicht, sagt Küspert. Das Streuen mit Tausalz sei bei besonderer Glättegefahr oder an Gefahrenstellen erlaubt. Diese Ausnahme gilt in allen Gemeinden in den Landkreisen Aichach-Friedberg und Dachau. Meist ist von starken Steigungen oder Treppen die Rede, an denen es den Bürgern erlaubt ist, Salz zu streuen.

So ist es auch in den Gemeinden der VG Aindling geregelt, wie Johannes Schön aus der Verwaltung auf Nachfrage bestätigt. Dort sei es zwar bislang zu keinen Beschwerden gekommen. Würden Bürger aber immer wieder auffällig, die übermäßig Salz streuten, müsse auch die Verwaltung einschreiten, gegebenenfalls könnte dann sogar ein Bußgeld fällig werden, betont Schön.

Die Idee, das Salzen auf Wegen und Straßen im Winter einzuschränken, ist nicht neu. Besonders Naturschutzverbände fordern seit Jahren Alternativen. Auch das Umweltbundesamt rät generell von der Verwendung sogenannter Tausalze ab. Die Substanz führe zu Schäden an Pflanzen und Boden.

Deshalb schränkten zahlreiche Kommunen ihre Bürger und sich selbst ein. In Aichach wird in einigen Straßen auf das Streuen ganz verzichtet. Auch in der VG Aindling werde laut Johannes Schön nicht jede Straße gestreut. Die neue Verordnung ist dort im Herbst 2021 erlassen worden.

Jede Gemeinde ist selbst dafür verantwortlich. Damit aber nicht jede einzelne Verwaltung eine eigene Satzung oder Verordnung ausarbeiten muss, bedienen sich Entscheider in den einzelnen Gemeinderäten sogenannter Mustersatzungen. Die kommen meistens vom bayerischen Gemeindetag. Bei der Reinigungs- und Sicherungsverordnung, wie sie im Volksmund heißt, ist das nicht anders. Daher verwundert es wohl niemanden, dass mancher Kommunalpolitiker sie nicht einmal zur Gänze liest, ehe er ihr zustimmt. In Kühbach zum Beispiel sorgte die Nachfrage nach dem Verbot in der Satzung für Verwunderung. Bürgermeister Karl-Heinz Kerscher betonte, dass in der Marktgemeinde niemand sanktioniert werde, der auf dem Gehweg vor seinem Haus Salz streut. In der Verordnung allerdings steht es anders. Auch in Schiltberg, Pöttmes, Sielenbach, Obergriesbach und Adelzhausen ist die Verwendung von Tausalz nach Verordnung nur eingeschränkt erlaubt. In der Praxis scheint das niemanden zu stören. „Die Gemeinde streut ja auch”, sagt etwa Kühbachs Bürgermeister Kerscher und betont den Sicherheitsaspekt. Die Satzung sei zu seiner Amtszeit, also seit 2020, noch kein Thema gewesen. „Die werden wir aber irgendwann noch anpacken”, sagte er. Altomünster hat die Verordnung bereits im Winter 2021 angepackt und verändert. Statt von einem Verbot ist dort schlichtweg gar nicht von Salz die Rede. In der Marktgemeinde sind Wege bei Glätte mit „geeigneten Stoffen” zu bestreuen. Das ist auch in Dasing der Fall.

Der Landkreis Aichach-Friedberg wiederum, das betont Pressesprecher Wolfgang Müller auf Nachfrage, setzt im Winterdienst auf den Kreisstraßen nach wie vor auf Salz. „Wir verwenden allerdings ein Gemisch”, ergänzt Müller. Zu 30 Prozent lande das Salz in flüssiger Form als Sole auf der Straße. Die restlichen 70 Prozent bestehen aus Steinauftausalz. Überlegungen, völlig auf flüssige Substanzen zu setzen, seien aus Gründen der Wirtschaftlichkeit - der Kreis hätte seine Fahrzeuge umrüsten müssen - verworfen worden. 2019 etwa war in der Gemeinde Todtenweis im Gespräch, Gurkenwasser aus der ortsansässigen Konservenfabrik Durach auf die Straße zu bringen, wie es sich im Raum Dingolfing bewährt hat.

Auch im Großraum München bis in den Alpenraum verzichten Straßenmeistereien auf tausende Tonnen Auftausalz, indem sie Salzwasser verwenden. Die Idee dazu stammte von der Firma Develey, die in Dingolfing unter anderem Essiggurken herstellt. Das überschüssige Salzwasser müsste sie über die Kläranlage entsorgen. Im Winter erfüllt es jetzt einen Zweck.

Für Privatleute in Aichach ist das freilich auch keine Lösung. Sie müssen größtenteils auf Salz-Alternativen setzen. Bevor es aber ans Streuen geht, kommt der wohl lästigste Teil: Schneeräumen. Dafür gibt es meist nur einen Weg: Handarbeit. Gurkenwasser hat sich als Alternative im Kreis noch nicht bewährt


Von Bastian Brummer
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