Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 20.01.2023 12:56

Als am 22. November 1963 John F. Kennedy bei seiner Fahrt durch Dallas erschossenen wurde, hätte es, so grausam das auch klingt, der Tag im Leben von Robert Hill Jackson werden können. Der 29-jährige Pressefotograf hatte sich mit seiner Kamera hervorragend positioniert. Der Blick auf den offenen Wagen, in dem der 35. US-Präsident saß, war frei, allein: Als die zwei tödlichen Kugeln den beliebten Politiker trafen, wechselte Robert H. Jackson gerade einen Film. Für die Jüngeren unter unseren Lesern: Einen Film kann man sich vorstellen wie eine Art Maßband, auf das zwei, manchmal drei Duzend Fotos Platz hatten! Ja, ja, es waren finstere Zeiten.

Jackson jedenfalls verpasste den Moment seines Lebens, was ihm heutzutage nicht passiert wäre mit einer digitalen Kamera und einer Unmenge an Speicherplatz; allerdings hätte er heute das Foto sicher nicht exklusiv, weil mit ihm Hunderte andere das Ereignis festgehalten – und zwar mit ihrem Smartphone. Das Smartphone ist mittlerweile der beste (technische) Freund des Menschen – und natürlich darf es auch in der Redaktion nicht fehlen. Gerade zeigt es dem Kollegen mit einem Bing an, dass er eine WhatsApp-Nachricht bekommen hat. Seine Frau lässt ihn wissen, dass er im Kindergarten vergessen hat, das Essen der Zwillinge für kommende Woche einzutragen. Er antwortet mit einem kurzen Sorry und einem explodierender Kopf-Emoji. Der aufgeregte Begleiter der Kollegin hinter ihm macht ebenfalls Bing, oder genauer: Bing-Bing-Bing-Bing, so als wäre jemand auf dem Klingelknopf hängen geblieben. Und das Handy vom Kollegen im Büro nebenan gibt jedes mal ein Geräusch von sich, als ein Pfeil im Büroschrank einschlagen, quasi ein akustischer Indianer-Angriff ganz ohne Verletzte – oder darf man Indianer heute nicht mehr sagen? Also dann der Angriff von nordamerikanischen Indigenen.

Worauf W. hinauswill: Abgesehen von dem Bing-Buff-Schnalz haben die digitalen Errungenschaften noch weitere Tücken. Als er jüngst für einen Artikel ein passendes Gruppenfoto knipsen wollte, stellte er mit Schrecken fest, dass der Akku seiner Kamera bei den kalten Temperaturen stark gelitten hat. Womit bewiesen wäre: Man kann ein noch so ausgebufftes technisches Gerät haben, ohne Saft läuft gar nicht.

Für W. wie für Robert H. Jackson gab es ein Happyend: Der Kollege holte einfach sein Handy hervor und schoss ein Foto. Und Jackson: Machte zwei Tage nach der Ermordung von John F. Kennedy das Bild seines Lebens. Er stand vor dem Polizeihauptquartier in Dallas, als der Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald in einem gepanzerten Wagen zur nahegelegenen Haftanstalt hätte gebracht werden sollen. Da machte es nicht Bing, sondern Peng, und Jackson hatte sein Bild.

north