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Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

„Geld verdienen mit Krieg”: Augsburger demonstrieren gegen Aktionärsversammlung von Renk

Mit rotem Saft gießen sie „RENK“ auf den Boden, vor einer Schaufensterpuppe, die mit einer Bundeswehr-Uniform bekleidet ist. In der Sonne glänzt der Saft kurzzeitig wie frisch vergossenes Blut. Sie, das sind die Demonstranten, die sich an diesem Tag vor dem Kongress am Park versammelt haben.

Um 16 Uhr beginnt in der Halle die Hauptaktionärsversammlung der Renk AG. Um 15 Uhr stehen bereits zwei Polizeiwagen bereit, nach weiteren zehn Minuten beginnen schließlich die Veranstalter der Gegendemo, Mitglieder der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), ihren Stand aufzubauen und die Fahnen aufzuspannen. In der nächsten Stunde trudeln noch ein paar mehr Demonstranten ein. Am Ende sind es vielleicht 20 Leute, die meisten wohl zwischen 20 und 30 Jahre, die ihrem Unmut über Waffenexporte Ausdruck verleihen.

„Die Leute, die jetzt in der Kongresshalle sitzen, verdienen daran, dass es Krieg gibt, dass sich andere Staaten irgendwo einmischen“, sagt einer von ihnen. „Darauf wollen wir aufmerksam machen. Augsburg vermarktet sich selbst als Friedensstadt, dabei sitzt hier mit der Renk AG ein großer Lieferant für die Rüstungsindustrie“.

In der Hauptversammlung können die Aktionäre der Renk AG von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen, sie werden über das vorangegangene Jahr informiert und können mit Vorstand und Aufsichtsrat in Dialog treten. Auch ein Gegenantrag liegt der Versammlung vor, gestellt von einem der Aktionäre. „Die Produktion von Gütern kann nicht ausschließlich wirtschaftlichen Aspekten genügen, sondern muss sich immer auch ethischen Fragestellungen unterziehen“, heißt es darin. „Die Firma Renk ist sehr erfolgreich im militärischen Produktionsbereich tätig. Getriebe von Renk werden unter anderem für den israelischen Kampfpanzer Merkava IV, für den in der Türkei produzierten Panzer Altay, für den Schützenpanzer Puma und für den britischen Kampfpanzer Ajax, vormals bekannt als Scout SV, hergestellt.”

Auch für den deutschen Leopard Panzer und seinen Nachfolger, den Leopard 2, soll die Firma Getriebe geliefert haben. Die Kriegsmaschine ist ein Exportschlager: Zwischen 2006 und 2016 wurden nach Berichten der Bundesregierung 243 Panzer des Modells Leopard 1, und 1 219 Panzer des Modells 2 exportiert, insgesamt 329 in die Türkei.

Anfang des Jahres waren von mehreren internationalen Nachrichtenagenturen Fotos verbreitet worden, die Panzer dieses Typs an der türkisch-syrischen Grenze zeigten. Darüber berichteten unter anderem die Tagesschau und der Spiegel. Die Panzer seien bei einer Offensive gegen die kurdischen Volksschutzeinheiten in Nordsyrien verwendet worden.
Es wäre dabei durchaus möglich, die Nutzung der deutschen Panzer einzuschränken: Doch während bei den Lieferungen an die Türkei in den Achtziger- und Neunzigerjahren noch die Auflage galt, dass sie nur in Übereinstimmung mit Artikel 5 des Nato-Vertrags, also zur Selbstverteidigung, eingesetzt werden durften, verzichtete die Regierung 2005 und 2009 in ihren Deals auf diese Klausel.

Die Herstellung von Teilen für eben solche Kampfpanzer kann der junge Demonstrant, der vor der Augsburger Kongresshalle Flyer gegen Waffenexporte verteilt, nicht mit der Friedensstadt vereinbaren. „Da werden Leute umgebracht, Leute verheizt – ob es Soldaten der Bundeswehr sind oder Bauern in einem von Krieg geplagten Land – durch diese Maschinen sterben Menschen.“

Am Augsburger Standort werden laut Renk Großgetriebe „für vielfältige industrielle Anwendungen, Turbogetriebe bis hin zu komplexen Getrieben für schnelle Schiffe und Navy-Anwendungen“ gebaut. Diese werden unter anderem an Marinen und Küstenwachen verkauft. Im Jahr 2017 sei erneut die US Navy ein guter Kunde gewesen, ein neues Programm laufe nun mit der US Coast Guard. „Hinzu kamen Aufträge für Einzelschiffe oder Kleinserien mit Endverwendung in einer Reihe von Staaten“, verkündet das Unternehmen in seinem Geschäftsbericht 2017.

In Augsburg werden ebenfalls „vollautomatische Getriebe für mittlere und schwere Kettenfahrzeuge“ produziert. Das Unternehmen moniert, der für Renk erreichbare Teil des Weltmarktes sei in diesem Bereich vergleichsweise gering. Zum einen sei die „Entscheidungsfindung in den Abnehmerländern von einer Vielzahl an innen-, außen- und finanzpolitischen Faktoren“ beeinflusst, beschreibt das Unternehmen die Situation am Markt – dem Markt der Kriegswaffen. Zum anderen bleibe auch die „Folgenabschätzung einer restriktiv gehandhabten deutschen Exportgenehmigungspolitik“ bei den möglichen Kunden nicht ohne Wirkung.

Wer diese Kunden sind, das benennt das Unternehmen freilich nicht genauer. Viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorzustellen, wer alles zu diesen Abnehmern der Renk-Systeme gehört. Die Demonstranten werden diesbezüglich konkreter: Die Britische Armee, Erdogan, Südkorea und Israel listen sie unter anderem auf. Ihr Fazit: „Krieg beginnt hier“.

Ein bisschen enttäuscht scheinen die Veranstalter allerdings zu sein, über die geringe Zahl von Mitdemonstranten. Wahrscheinlich sei die eine Woche Vorbereitungszeit, nachdem sie von der Hauptversammlung erfahren hatten, zu wenig gewesen, um mehr Leute zu mobilisieren. Dennoch bleiben sie tapfer – und verteilen weiter ihre Flugblätter, während die Besucher der Aktionärsversammlung vom recht weit entfernten Eingang zu der kleinen Gruppe herüber blicken.

Auf der Website www.unroca.org werden die Rüstungsexport- und Importberichte der Vereinten Nationen zusammengefasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.


Von Laura Türk
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