Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Fit für die Schiene: Go Ahead bildet angehende Lokführer im Simulator aus

Arvid Siedermann (links) und Emre Akgün bilden bei Go Ahead Lokführer aus. (Foto: Kristin Deibl)
Arvid Siedermann (links) und Emre Akgün bilden bei Go Ahead Lokführer aus. (Foto: Kristin Deibl)
Arvid Siedermann (links) und Emre Akgün bilden bei Go Ahead Lokführer aus. (Foto: Kristin Deibl)
Arvid Siedermann (links) und Emre Akgün bilden bei Go Ahead Lokführer aus. (Foto: Kristin Deibl)
Arvid Siedermann (links) und Emre Akgün bilden bei Go Ahead Lokführer aus. (Foto: Kristin Deibl)

Arvid Siedermann sitzt vor einem Pult mit Schaltern, Joysticks, Knöpfen und Anzeigen. Vor ihm an der Wand hängt ein großer Bildschirm, auf dem auf Gleisen ein virtueller Zug fährt. Der Lokführer bewegt einen der Joysticks schnell nach unten und der Zug wird langsamer. Es dauert, bis er zum Stehen kommt. Solche Notbremsungen können ebenso wie falsch gestellte Weichen, Ausfälle am Fahrzeug und andere Fehler im Simulator bei Go Ahead geprobt werden. Siedermann bildet in dem Unternehmen angehende Lokführer – oder wie es eigentlich heute heißt: Triebfahrzeugführer – aus.

Lokführer werden in ganz Deutschland gesucht. Rund 1000 fehlen bundesweit, berichtet Winfried Karg, Pressesprecher bei Go Ahead. Das Unternehmen hat im Dezember den Betrieb der Regionalzüge auf der Strecke zwischen München, Memmingen und Lindau aufgenommen. Ende 2022 soll es auch den Fuggerexpress ablösen. 100 Lokführer werden daher aktuell alleine in Bayern noch gesucht.

So setzt das Unternehmen darauf, auch selbst Leute zu schulen. Die Ausbildung dauert nur rund elf Monate. Sie gliedert sich in zehn Module, in jedem davon sind auch Fahrten im Simulator enthalten. In die richtige Fahrpraxis geht es dann erst, wenn die Schüler die Grundausbildung schon fast abgeschlossen haben, erklärt Arvid Siedermann. Zuvor jedoch sollen die angehenden Lokomotivführer auf jede Eventualität vorbereitet werden. „Ob nun jemand ein Signal falsch gestellt hat oder jemand im Tunnel die Notbremse gezogen hat, wir können hier alle Situationen simulieren”, erzählt Siedermann.

„So wissen wir im Notfall genau, wie wir uns zu verhalten haben”, ergänzt Ali Kalkan. „Wir können außerdem alles, was wir vormittags im Theorieunterricht lernen, gleich nachmittags am Simulator ausprobieren.” Der 23-Jährige ist seit Anfang September in der Ausbildung bei Go Ahead und steht kurz vor seiner Theorieprüfung. Lokführer ist für ihn „ein besonderer Beruf, kein Beruf wie jeder andere”.

Auch die Ausbildung bei Go Ahead sei besonders, wirbt Karg. Denn das Ausbildungszentrum des Unternehmens befindet sich in fußläufiger Nähe zum Augsburger Bahnpark. Dort können die Auszubildenden direkt anschauen, was sie zuvor theoretisch gelernt haben, vor allem aber können sie ausprobieren. Denn was viele nicht wissen: Der Bahnpark ist nicht nur ein Eisenbahnmuseum, sondern verfügt über ein eigenes Infrastrukturgelände. Hier können die Schüler zum Beispiel rangieren üben. „Der Park ist ein bisschen wie ein ADAC-Übungsplatz für Autos. Es kann nur wenig passieren”, veranschaulicht Karg. Ausflüge in den Bahnpark sind deshalb fester Teil der Ausbildung.

Ebenfalls Teil der Ausbildung ist eine Schulung durch Psychologen. Denn natürlich kann es auch auf den Gleisen zu Unfällen kommen, bei denen jemand verletzt wird. Emre Akgün, ebenfalls Ausbilder, hat bereits erlebt, dass jemand durch den Zug, an dessen Steuer er saß, ums Leben gekommen ist. Go Ahead habe direkt jemanden geschickt, der ihn abgeholt und zum Durchgangsarzt gebracht habe, erzählt Akgün, der im Anschluss erstmal freigestellt war. „Ich wurde jeden Tag angerufen und gefragt, wie es mir geht und mir wurde immer wieder psychologische Unterstützung angeboten. Ich habe sie genutzt und es hat mir sehr geholfen.” Bevor Lokführer nach einem solchen Vorfall wieder im Einsatz sind, werden sie erneut ärztlich durchgecheckt und machen zunächst eine Fahrt gemeinsam mit dem Teamleiter. Auch der Auszubildende Ali Kalkan ist dankbar für dieses Sicherheitsnetz, denn, wie er sagt: „Wirklich vorbereiten auf sowas kann man sich vielleicht gar nicht.”

Go Ahead bildet parallel in vier Gruppen aus, in jeder Klasse sind während Corona circa zehn Leute. „Die Ausbildung ist straff. Sich elf Monate nur berieseln lassen, ist nicht”, stellt Siedermann klar. Im Gegensatz zu früher brauche man mittlerweile aber keine Vorausbildung zum Schlosser oder Elektriker mehr.

Bewerber sollten mindestens 20 Jahre alt sein und neben halbwegs guten Deutschkenntnissen und einem Grundinteresse auch Respekt vor der Aufgabe mitbringen, sagt Siedermann. „Angst braucht man aber nicht zu haben. Viele schrecken vor dem technischen Teil zurück”, fügt der Ausbilder hinzu. Viele der Auszubildenden seien Quereinsteiger. In jeder Klasse gebe es mittlerweile auch ein oder zwei Frauen. „Die Arbeit ist heute nicht mehr körperlich anstrengend oder dreckig”, erklärt Siedermann.

Nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungen erwartet die Triebfahrzeugführer eine garantierte unbefristete Festanstellung und eine Bezahlung nach Tarif. Neben diesen Arbeitsbedingungen gibt es für Emre Akgün aber noch etwas anderes, das er an seinem Beruf schätzt: Alleine und ohne jemanden, der ihm über die Schulter schaut, durchs Allgäu zu fahren und die Aussicht zu genießen. Darauf müssen die angehenden Lokführer allerdings noch etwas warten. Zunächst heißt es für sie, sich im Simulator zu beweisen.


Von Kristin Deibl
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