Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 17.12.2023 13:01

Scharfe Kritik: Go-Ahead geht DB Netz an wegen „unkoordinierter Baustellen”

Das Bahnunternehmen Go-Ahead übt scharfe Kritik an DB Netz. (Foto: Markus Höck)
Das Bahnunternehmen Go-Ahead übt scharfe Kritik an DB Netz. (Foto: Markus Höck)
Das Bahnunternehmen Go-Ahead übt scharfe Kritik an DB Netz. (Foto: Markus Höck)
Das Bahnunternehmen Go-Ahead übt scharfe Kritik an DB Netz. (Foto: Markus Höck)
Das Bahnunternehmen Go-Ahead übt scharfe Kritik an DB Netz. (Foto: Markus Höck)

Seit einem Jahr betreibt das Bahnunternehmen Go-Ahead viele Regionalstrecken rund um Augsburg, darunter die Verbindung nach München. Und seit einem Jahr hat Go-Ahead immer wieder mit teils massiven Problemen zu kämpfen. Nun geht das Unternehmen in einer Pressemitteilung ungewöhnlich scharf die DB Netz an, die zuständig ist für die Infrastruktur wie Stromleitungen und Gleise – und daher auch für die Baustellen der Bahn.

„Zu späte oder gar keine Informationen, zu schlechte und fahrgastunfreundliche Planungen mit zu vielen Fehlern, zu häufige Sperrungen wegen vieler einzelner, unkoordinierter Baustellen”, zählt Go-Ahead die Kritikpunkte auf.

In Baden-Württemberg fährt Go-Ahead regionalen Zugverkehr auf den Gleisen der DB Netz seit 2019, in Bayern seit 2021. „Wir erleben immer wieder viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei DB Netz, die alles tun, was ihnen möglich ist. Aber die DB Netz hat offensichtlich versagt, die richtigen Rahmenbedingungen für ihre Kolleginnen und Kollegen zu schaffen, um der heruntergewirtschafteten Infrastruktur mit dem massiv gestiegenen Bauvolumen Herr werden zu können“, so Go-Ahead Geschäftsführer Fabian Amini. Ob Züge auf eingleisigen Streckenabschnitten verspätete Gegenzüge abwarten müssen und dann selbst Verspätung bekommen oder ob es die täglichen Störungen bei Signalanlagen, Weichen, Bahnübergängen, Stellwerken und den Oberleitungsanlagen sind – Go-Ahead werde in der Öffentlichkeit als unzuverlässig wahrgenommen und müsse sich für Verspätungen und Zugausfälle entschuldigen, für die DB Netz verantwortlich sei, lautet die Kritik.

„Wir betreiben seit einem Jahr das Augsburger Netz. Seither hatten wir dort 120 teils sehr komplexe Baumaßnahmen und konnten nur zwei Monate im regulären Fahrplan fahren – damit waren wir jetzt zehn Monate im Baustellenmodus, mit ständig wechselnden Veränderungen”, sagt Amini. Seit Juli sei Go-Ahead im Schnitt bei zwei Drittel der Baumaßnahmen zu spät informiert worden. Das habe zur Folge gehabt, dass die Fahrgäste oft nicht rechtzeitig über die Änderungen informiert wurden. Auch die „träge Fahrgastinformations-Technik der Deutschen Bahn AG” kritisiert Go-Ahead. Geänderte Fahrpläne würden erst Tage später auf Websites und Apps anzeigt.

Zu wenig Lokführer, Probleme mit den Fahrzeugen

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass so manches Problem Go-Ahead selbst zu verantworten hat. Im Sommer hatte Landtagsabgeordneter Max Deisenhofer (Grüne) im Verkehrsministerium angefragt, wie es denn um die Schwierigkeiten auf den Bahnstrecken bestellt sei. Aus der Antwort geht hervor, dass Zugausfälle in den ersten acht Betriebsmonaten zwar zu 29,2 Prozent auf Baustellen zurückzuführen waren, aber eben auch zu 23,6 Prozent auf Personalmangel. Go-Ahead hatte es versäumt, bis zum Zeitpunkt der Streckenübernahme genügend Lokführer auszubilden. Die Folge: Der vorgesehene Fahrplan konnte erst mit mehreren Monaten Verspätung vollständig umgesetzt werden. Inzwischen scheint sich die Lage in diesem Bereich zumindest ein wenig entspannt zu haben. Bei Go-Ahead Bayern sei „derzeit ein betrieblich sinnvoller leichter Personalüberbestand zu verzeichnen”, so das Verkehrsministerium. Doch die Lage bleibe „auch vor dem Hintergrund des branchenweiten Fachkräftemangels” weiterhin herausfordernd.

Aber noch mit anderen Schwierigkeiten hatte Go-Ahead zu kämpfen, für die DB Netz nichts kann. So erwiesen sich die neuen Fahrzeuge des Herstellers Siemens als anfällig für Eisregen und konnten erst nach einem Werkstattaufenthalt den Dienst wieder aufnehmen.

Doch damit bleibt die Kritik an DB Netz freilich bestehen. „Letzter Tiefschlag” für Go-Ahead sei die kurzfristige Verlängerung einer Baumaßnahme beim Bahnhof Meitingen an der Strecke zwischen Augsburg und Donauwörth gewesen. Das Ende der Maßnahme war für 4. Dezember geplant. Nun dauern die Arbeiten bis 19. Januar. Go-Ahead hätte erst am 12. Dezember erfahren, welcher Fahrplan ab dem 19. Dezember bis zum Jahresende gefahren werden könne. „Dementsprechend werden derzeit mit Hochdruck die Schichtpläne für das Zugpersonal neu erstellt, und auch die Online-Fahrpläne für die Fahrgäste müssen noch angepasst werden”, so Go-Ahead.

„Die Fahrgäste sind sauer – und das völlig zu Recht“

„Die Fahrgäste sind sauer – und das völlig zu Recht“, sagt Amini. Er erwarte, „dass die DB Netz endlich zu ihren gegenüber der Öffentlichkeit, Politik und Go-Ahead gemachten Zusagen steht”. Zudem erwarte er eine „öffentliche Entschuldigung seitens DB Netz bei unseren Fahrgästen, unseren Mitarbeitenden und unseren Auftraggebern – denn die gab es noch kein einziges Mal”.

Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk drückt die Bahn ihr Bedauern aus. Man bedauere sehr, derzeit nicht die Qualität und Zuverlässigkeit bieten zu können, die die Kundeninnen und Kunden zu Recht erwarteten. „Das Schienennetz ist zu alt, zu voll und zu kaputt. Deshalb müssen wir aktuell auch kurzfristig Baustellen einrichten – on top zum ohnehin anspruchsvollen Baupensum”, sagt eine Sprecherin dem BR. Es sei klar, dass die Bahn für eine leistungsfähige Infrastruktur investieren und bauen müsse. Ebenso klar sei es, dass die Reisenden gut informiert sein und verlässlich an ihr Ziel kommen müssten. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Das ist unser Anspruch beim Baustellenmanagement. Wir tun alles dafür, diesem Anspruch gerecht zu werden.” Allerdings bitte man auch um Verständnis, wenn dies angesichts der Vielzahl der Baumaßnahmen und bei Verzögerungen nicht immer gelingen könne.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter hatte die Streitparteien im März bei einem Gespräch in die Pflicht genommen. „Es kann nicht sein, dass mangelnde Koordination auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen wird”, kommentierte der Verkehrsminister die Einschränkungen im Bahnverkehr zwischen Augsburg und Donauwörth. Vom Verkehrsunternehmen Go-Ahead verlangte Bernreiter in diesem Gespräch „eine professionellere Baustellenkoordination sowie belastbare Ersatzkonzepte und eine verlässliche Fahrgastinformation”, vom Infrastrukturbetreiber DB Netz „eine frühzeitige, verbindliche Baustellenplanung”.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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