Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Unesco entscheidet sich für Augsburg: Wasserwirtschaftssystem ist Weltkulturerbe

Die Entscheidung in Baku ist gefallen: Augsburg wird in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco aufgenommen. Damit haben sich die vielen Mühen gelohnt, die das Team rund um Projektleiter Ulrich Müllegger und Kulturreferent Thomas Weitzel auf sich genommen hat. Denn der Weg nach Baku war mitunter steinig.
In seiner 43. Sitzung hat das Unesco-Welterbekomitee in Baku/Aserbeidschan am Samstag der Augsburger Bewerbung um „Das Augsburger Wassermanagment-System“ die exklusive Auszeichnung als Unesco-Welterbe zugesprochen. Bei der noch andauernden Sitzung wird insgesamt über 35 Vorschläge aus der ganzen Welt entschieden – davon drei mit deutscher Beteiligung. „Die Freude in der Stadt ist riesig”, so die Stadt Augsburg in einer Pressemitteilung. Am Samstag, 20. Juli, soll nun ein großes Wasserfest – größtenteils in der Innenstadt - gefeiert werden.

Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl sagt in einer ersten Reaktion: „Mit der Auszeichnung des Augsburger Wassermanagement-Systems als Weltkulturerbe würdigt die Unesco einen unvergleichlichen Schatz, den die Stadt seit ihrer Stadtgründung birgt. Denn die Lage Augsburgs am Zusammenfluss von Lech und Wertach ist kein Zufall, sondern strategisch wohl überlegt. Ihre gesamte wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung hat Augsburg dem Wasser beider Flüsse wie auch den reichlichen Trinkwasservorkommen im Stadtwald zu verdanken. Jahrhundertelang wurde die Wasserkraft des Lechs innovativ genutzt, um Mühlräder und Pumpwerke anzutreiben. Augsburgs Handwerk blühte und machte die Stadt reich - auch deshalb, weil dank eines ausgeklügelten Kanalsystems gute hygienische Verhältnisse herrschten und bestes Trinkwasser für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stand. Das Zusammenspiel von menschlichem Erfindungsgeist, wegweisender Ingenieurwissenschaft und großartiger Brunnenkunst sind das Erfolgskonzept des einzigartigen Wassermanagement-Systems, das lückenlos über acht Jahrhunderte lang in Augsburg zu erleben ist. Bis heute. Auf dieses Welterbe dürfen wir Stadt zurecht stolz sein und uns von ganzem Herzen freuen.“

„Das System des Augsburger Wassermanagements legt sich wie eine verbindende Klammer um die an Kulturdenkmälern reiche Stadt. Von den ältesten Wassertürmen Europas über die kunsthistorisch bedeutenden Brunnen bis hin zu herausragenden Denkmälern der Industriekultur oder der Kanustrecke im ehemaligen Olympiagelände reichen die Zeugnisse der Wasserwirtschaft. Die 22 Objekte der Augsburger Welterbebewerbung stellen in ihrer Mischung aus technikgeschichtlicher und kunsthistorischer Bedeutung einen einzigartigen Sonderfall dar: Sie sind alle eng mit den technologischen Errungenschaften des Wasserbaus, der nachhaltigen Nutzung der Wasserkraft und der ressourcenschonenden Trennung von Trink- und Brauchwasser verknüpft. Der Unesco-Titel ist uns Verpflichtung, die ausgezeichneten Denkmäler mustergültig zu erhalten. Zugleich sind wir uns bewusst, dass wir mit demWelterbetitel einen Vermittlungsauftrag annehmen, indem wir die Tradition und das Wissen um die nachhaltige Nutzung der lebenswichtigen Ressource Wasser weitergeben und mit der Völkergemeinschaft teilen”, so Kulturreferent Thomas Weitzel, der zur Entscheidung nach Baku gereist ist.

Welterbe-Koordinator Ulrich Müllegger, der ebenfalls in Baku zur Entscheidung weilt, ist froh und stolz: „Ich bin mir sicher, dass sich viele Augsburger über den Welterbe-Titel freuen und stolz darauf sind. Wasser ist der genetische Code unserer Stadt, der das Leben zwischen Lech und Wertach seit nun mehr als zweitausend Jahren prägt. Wasser ist ein Thema, mit dem jeder etwas anfangen kann - egal welches Geschlecht, welches Alter oder welche Herkunft jemand hat. Der Welterbe-Titel verleiht Augsburg noch einmal einen besonderen Touch, der nach innen, in die Stadt selbst, aber auch nach außen deutlich bemerkbar sein wird. Wir Augsburger sind mit dem Titel jetzt aber auch die Verpflichtung eingegangen, in gewisser Weise treuhänderisch für die ganze Menschheit unser kulturelles Erbe sorgfältig zu pflegen und zu erhalten.“

Vor acht Jahren wurde aus der bloßen Idee die feste Absicht, Augsburg mit dem Thema Wasser in der Liste des Weltkulturerbes der Unesco einzutragen. Im Februar 2011 gab der Stadtrat mit seinem Beschluss den offiziellen Auftrag, dass sich Augsburg mit einer Interessensbekundung um die Aufnahme in die bayerische Vorschlagsliste bewerben solle – nur der erste Schritt in einem langwierigen und aufwendigen Verfahren mit dem Ziel, es auf die Liste der Unesco zu schaffen.

Im Juli 2012 reichte Augsburg die Interessenbekundung tatsächlich ein. Wichtige Grundlage für den gesamten Prozess ist das Fachbuch zur Augsburger Wasserwirtschaft von Martin Kluger, das er im Auftrag des Stadtrats erstellte.
2013 wurde das Bewerbungsthema mit den erstmals abgehaltenen Augsburger Wassertagen auch für die Bürger greifbarer. Auch die jährlich stattfindende Lange Kunstnacht wurde kurzerhand unter das Thema Wasser gestellt.

Die nächste Hürde nahm Augsburg im Juni 2014: Die Deutsche Kulturministerkonferenz ließ die Bewerbung der Stadt Augsburg auf Platz 3 der Deutschen Tentativliste setzen. Von da an ging der Marsch geradewegs Richtung Baku: Im August 2017 wurde die Bewerbung bei der Kultusministerkonferenz zur Vorprüfung abgegeben, im September erhielt das Auswärtige Amt die Bewerbung zur Vorprüfung. Den letzten Schritt unternahm Augsburg schließlich im Februar 2018 und reichte die Bewerbung im Hauptsitz der Unesco in Paris ein.

Doch während das Bewerbungs-Team zielstrebig auf diesen Punkt hingearbeitet und sämtliche bürokratischen Hindernisse aus dem Weg geräumt hat, war sich der Stadtrat zwischendrin nicht mehr ganz sicher, ob er die Bewerbung denn wirklich wollte – mit allen Konsequenzen.

Denn: Mit dem Titel erlegt sich Augsburg auch die Pflicht auf, das Kulturerbe besonders zu schützen. Sichtlinien dürfen nicht verbaut werden, es dürfen an den Objekten selbst keine Veränderungen vorgenommen werden. Und eigentlich hatte sich der Stadtrat vom Kulturerbe-Titel eine Steigerung der Touristenzahlen erhofft.

Doch diese Hoffnung erhielt schnell einen Dämpfer, denn es ist nicht absehbar, wer sich außerhalb der Augsburger Region für das Wasserthema interessiert. Als dann noch klar wurde, dass zu den Bedingungen die Einrichtung eines Besucherzentrums gehört, dessen Kosten nicht beziffert werden können, begann eine Diskussion über den Sinn der Bewerbung.

Schließlich setzte sich die Meinung durch, dass Augsburg sich auf jeden Fall um den Titel bemühen sollte – und wie sich jetzt zeigte, war es die richtige Entscheidung.

Mit diesen 22 Elementen hat sich Augsburg um den Titel beworben: Lechkanäle, Wasserwerk am Roten Tor, Unteres Wasserwerk, Augustus-, Merkur- und Herkulesbrunnen, Stadtmetzg (wegen ihres unterirdischen Kühlwasserkanals einst modernste Metzgerei Europas), Wasserwerk am Vogeltor, Galgenablass, Trinkwasserwerk am Neubach, Hochablass und Eiskanal sowie die Kraftwerke am Stadtbach, Riedinger-/Senkelbach, Fabrikkanal, Proviantbach und Wertachkanal sowie an der Wolfzahnau, der Singold und jene in Gersthofen, Langweid und Meitingen.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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