Augsburg - Ein 53-jähriger Landwirt aus Untermeitingen stand am Freitag wegen Tiermisshandlung durch Unterlassung vor dem Augsburger Amtsgericht. Bei einem Rind auf seinem Hof war eine eingewachsene Anbindekette gewaltsam heraus gerissen worden. Das Tier hatte daraufhin eine mehrere Zentimeter tiefe Wunde mit Blutkrusten und Eiter im Nacken. Weil der Landwirt dennoch keinen Tierarzt rief, musste er vor Gericht.
Das Jungrind sei nicht nur verletzt, sondern auch unterernährt und unterentwickelt gewesen, wirft die Staatsanwaltschaft dem Landwirt vor. In der Verhandlung am Freitag war der 53-Jährige, der gegen einen Strafbefehl mit einer Geldbuße über 3600 Euro Einspruch eingelegt hatte, selbst nicht anwesend, sondern ließ sich durch seinen Verteidiger vertreten. Der Landwirt räume die Vorwürfe ein, erklärte dieser stellvertretend. Sein Mandant habe die Verletzung des Rindes bemerkt und versucht, sie selbst zu behandeln. Dass er keinen Tierarzt gerufen habe, habe finanzielle Gründe. Der 53-Jährige, der seinen Bauernhof mit etwa 35 Rindern alleine führt, sei „völlig überfordert”, beschreibt der Verteidiger seinen Eindruck. Der Landwirt lebe vom Milchgeld und kämpfe um seine Existenz. Rund 17 800 Euro erwirtschafte er im Jahr, nach Abzug von Versicherungen und anderen Verpflichtungen blieben ihm davon etwa 7100 Euro übrig. „Das macht monatliche Einkünfte von 600 Euro”, rechnet der Anwalt vor.
Straffällig geworden ist der Landwirt bislang zwar nicht, jedoch liegen gegen ihn weitere Ordnungswidrigkeiten vor. So musste er bereits 2015 eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro bezahlen, weil sich bei einem seiner Rinder aufgrund von zu langen Klauen Abszesse und eine eitrige Sehnenscheidenentzündung gebildet hatten.
„Wirtschaftliche Not kann keine Rechtfertigung sein, das Tierwohl zu vernachlässigen. Das Rind litt für mindestens vier Wochen unter erheblichen Schmerzen”, erklärte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer und forderte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Euro. Der Verteidiger des Landwirts hielt seinem Mandanten zugute, dass er nicht mit Vorsatz gehandelt und gedacht habe, er könne das Tier selbst behandeln. 70 Tagessätze á 20 Euro seien deshalb ausreichend.
Das Gericht entschied sich für die goldene Mitte: 80 Tagessätze zu 25 Euro soll der Landwirt als Strafe bezahlen. Der Fall sei „keine Lappalie. Das Tier hatte erhebliche Schmerzen”, urteilte der Richter. Dass der 53-Jährige in wirtschaftlicher Not sei, „mag zutreffen. Doch dann muss er möglicherweise die Konsequenz ziehen und die Landwirtschaft aufgeben.”
Preisdruck durch Molkereien und Supermärkte und die Verantwortung der Verbraucher spielten in der Verhandlung übrigens keine Rolle. (
Von Kristin Deibl)