Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 14.11.2021 16:19

Mit Tastern und Mikrocomputern

Fabian Vogl   kann durch ein speziell für ihn umgebautes Schlagzeug ein Teil der Band „Feuerstuhlgang” sein. Er bedient das Instrument mit den beiden Tastern rechts und links neben seinem Kopf. 		Foto: Christine Brenner (Foto: Christine Brenner)
Fabian Vogl kann durch ein speziell für ihn umgebautes Schlagzeug ein Teil der Band „Feuerstuhlgang” sein. Er bedient das Instrument mit den beiden Tastern rechts und links neben seinem Kopf. Foto: Christine Brenner (Foto: Christine Brenner)
Fabian Vogl kann durch ein speziell für ihn umgebautes Schlagzeug ein Teil der Band „Feuerstuhlgang” sein. Er bedient das Instrument mit den beiden Tastern rechts und links neben seinem Kopf. Foto: Christine Brenner (Foto: Christine Brenner)
Fabian Vogl kann durch ein speziell für ihn umgebautes Schlagzeug ein Teil der Band „Feuerstuhlgang” sein. Er bedient das Instrument mit den beiden Tastern rechts und links neben seinem Kopf. Foto: Christine Brenner (Foto: Christine Brenner)
Fabian Vogl kann durch ein speziell für ihn umgebautes Schlagzeug ein Teil der Band „Feuerstuhlgang” sein. Er bedient das Instrument mit den beiden Tastern rechts und links neben seinem Kopf. Foto: Christine Brenner (Foto: Christine Brenner)

Die Zusammenarbeit war ein „Zufallsprodukt”, erzählt Elektroniker und Ergotherapeut Roland Salvamoser. Alles begann am 6. Mai 2011, als die Stadt Augsburg einen Fachtag zum Thema „Wir mittendrin: Augsburg auf dem Weg zur barrierefreien Stadt” veranstaltete. Professor Wolfgang Klüver, Informatikdozent an der Hochschule, der auf der Tagung einen Vortrag über „Barrierefreiheit computergestützter Systeme” halten sollte, fragte im Fritz-Felsenstein-Haus an, ob man sich zu diesem Zweck nicht zusammentun wolle. Um die Präsentation anschaulicher zu gestalten, nahm Salvamoser zwei seiner Klienten mit ins Augsburger Rathaus. Professor Klüver sei sehr angetan gewesen, von einem E-Rolli-Fahrer, der mittels eines am Rollstuhl angebrachten Augensteuerungscomputers kommunizierte, berichtet Salvamoser. „Er hatte gleich verschiedene Ideen für weitere computergestützte Projekte”, erinnert sich der Therapeut. So begann eine Kooperation, die noch ein Jahrzehnt später Bestand hat. Salvamoser sei zu Beginn skeptisch gewesen, doch das habe sich schnell geändert. „Heute freuen wir uns über jedes Jahr, in dem das Projekt weiter läuft”, ergänzt seine Kollegin, Physiotherapeutin Christine Brenner.

Die beiden engagieren sich im Fritz-Felsenstein-Haus in der Beratungsstelle für Kommunikationshilfen und Assistenztechnologien. Sie bieten Kindern und Erwachsenen Informationen rund um elektronische Kommunikationsgeräte, Mobilität, spezielle Ansteuerungsmöglichkeiten für Computer, behindertengerechte Software und Möglichkeiten zur Umfeldsteuerung wie Türöffner oder die Bedienung von Unterhaltungsgeräten. Ein wichtiger Bereich, denn wie Brenner sagt: „Menschen mit Behinderung können viele Erfahrungen, die für uns selbstverständlich sind, nicht machen, weil die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind.”

Ihre Erfahrung bringen die Berater auch in die Zusammenarbeit mit der Hochschule ein. Sie wissen genau, welche Anforderungen die Maschinen erfüllen müssen. Anfangs lag der Fokus auf Spielen. Das erste Projekt war 2012 ein riesengroßes Vier-gewinnt-Spiel. Die Spieler können mittels einer Taste steuern, in welche Reihe der Chip eingeworfen werden soll. Den Rest erledigt die Maschine. Im Laufe der Zeit kamen viele weitere Geräte hinzu. Andere Spiele wie ein „Flip-Kick” oder eine Carrera-Rennbahn, im kreativen Bereich etwa Malgeräte, im Hauswirtschaftsbereich Kartoffelschäler, Küchenwaagen oder ein Mixer, und Musikinstrumente wie eine Panflöte und Fabian Vogls Schlagzeug. Die Geräte wurden mit den Jahren kleiner, die Technik komplexer. Die meisten Maschinen verfügen über Bluetooth- und Infrarot-Schnittstellen, so dass verschiedene Bedienelemente angeschlossen werden können. Taster, spezielle Joysticks oder PC-Mäuse - je nachdem womit die Handhabung am leichtesten fällt.

Pro Semester kommen vier bis fünf Maschinen dazu. Entwickelt und gebaut werden sie von Studenten der Fächer Mikrocomputertechnik, Software-Engineering und System-Engineering. Gruppen aus vier bis fünf Studenten erledigen quasi für das Fritz-Felsenstein-Haus gemeinsam eine Auftragsarbeit mit allem, was dazu gehört. 500 bis 1000 Arbeitsstunden steckt eine Studentengruppe Brenner zufolge in ihr Projekt. Zur Verfügung stehen den Jung-Ingenieuren 400 Euro, brauchen sie mehr, müssen sie sich auf die Suche nach Sponsoren machen.

Eine Maschine zu bauen, ist für die Studenten im sechsten Semester ohnehin Pflicht, berichtet Brenner. Früher verstaubten die Geräte danach in Kellern. Heute bereichern sie noch lange das Leben von Menschen. Die jungen Leute seien oft sehr motiviert, sagt die Therapeutin, „weil sie sehen, wofür ihre Arbeit gut ist.” Am Ende bekommen die Studenten vom Fritz-Felsenstein-Haus ein Zertifikat über ihre geleistete Arbeit. „Wir haben schon ein paar mal die Rückmeldung bekommen, dass das auch später in Bewerbungen gut ankommt”, berichtet Brenner.

Diese Zusammenarbeit ist in dieser Art einmalig und wurde 2018 mit dem Förderpreis der Stiftung „Leben pur” ausgezeichnet, die sich dafür einsetzt, für schwer und mehrfachbehinderte Menschen Lösungen zur Erleichterung ihres Alltags zu finden. Im Zuge des Preises waren Brenner und Salvamoser bereits in München, Hamburg und Berlin, um die Kooperation und die Maschinen einem breiteren Publikum vorzustellen. Zusammenarbeit war ein „Zufallsprodukt” Studenten stecken bis zu 1000 Stunden in ein Projekt


Von Kristin Deibl
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