Augsburg - „Kampf fürs Vaterland”, „Blut und Ehre fürs Heimatland” und die perfide Aufforderung, die deutsche Rasse vor Ausländern im eigenen Land zu retten - darum dreht sich ein Musiktitel der rechtsradikalen Band „Störkraft”. Den Link zum Video hat ein 69-Jähriger, der der Reichsbürgerbewegung angehören soll, auf seiner Facebook-Seite geteilt. Unter Alkoholeinfluss und „ohne den Text richtig zu lesen”, wie er am Dienstag vor dem Augsburger Amtsgericht versuchte zu verharmlosen. Vor Gericht zeigte der Reichsbürger, dass er „Beamte der Republik” nicht anerkennt.
Der 69-Jährige sitzt, in blauem Hemd und grauer Cordhose, neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank. Die Hände hat er fest vor sich auf dem Tisch verschränkt. Ungerührt verfolgt er die Verlesung der Anklageschrift. Neben dem Musiktitel wird ihm auch vorgeworfen, ein Bild auf seine Facebookseite gestellt zu haben, auf dem im Hintergrund eine Hakenkreuzflagge zu sehen ist.
Der Rentner räumt die Vorwürfe ein, wie er über seinen Anwalt mitteilen lässt. Richterin Rita Greser will das aber genauer wissen. „Was sollte diese Aktion? Was war Ihre Motivation?”, wendet sie sich an den 69-Jährigen. „Kann ich mir nicht erklären, tut mir leid”, antwortet dieser kurz angebunden, fast schon patzig. Auch auf die Frage, wie er denn dazu gekommen sei, Reichsbürger zu werden, reagiert er unwillig: „Ich bin kein Reichsbürger. Ich habe mit dem Deutschen Reich nichts zu tun.”
Richterin Greser liest daraufhin den Songtext des Musiktitels vor, um den sich die Anklage dreht. Was sich der Angeklagte dabei gedacht hat, will sie erneut wissen. Der Text drehe sich durchgehend darum, Ausländer aus Deutschland zu vertreiben. Noch bevor der Angeklagte die Frage beantworten kann, bittet sein Anwalt um eine Unterbrechung und verlässt mit seinem Mandanten den Saal. „Das ist passiert, als die Kritik an der Flüchtlingswelle in Deutschland auf dem Höhepunkt war”, erklärt der Verteidiger, als die beiden zurück sind. Alkohol sei im Spiel gewesen und dann habe der Angeklagte das „halt runtergeladen”. Er sei kein Nazi, sondern stehe der Bundesrepublik lediglich kritisch gegenüber. „Ich habe den Text gar nicht richtig gelesen”, ergänzt der 69-Jährige. „Ich bin bei einer Diskussion auf Facebook über Flüchtlinge in Wut geraten und habe mich hinreißen lassen.”
Ob er auch unter Alkoholeinfluss gestanden habe, als er die Hakenkreuzflagge verlinkt habe, fragt die Richterin nach. Daran könne er sich nicht erinnern, gibt der Angeklagte knapp zurück. „Meine Computer wurden ja durchsucht. Da war ja nichts Nationalsozialistisches drauf”, fügt er noch hinzu.
Doch so ganz scheint das nicht zu stimmen. Neben zwei „Hitler-Führerscheinen”, bei denen es sich nach Aussage des Rentners um Satire handelt, hat die Polizei drei Laptops, verschiedene Tablets, zwei Smartphones und einen Karton voller USB-Sticks konfisziert. Rund eine halbe Stunde Zeit vergeht vor Gericht, bis man sich einig ist, welchen Laptop und welches Handy man dem Angeklagte zurückgeben kann. Denn, wie einer der beiden zuständigen Polizisten, die während der Verhandlung als Zeugen aussagen, berichtet, wäre ein Großteil der beschlagnahmten Geräte passwort- oder pingeschützt und habe damit gar nicht gesichtet werden können. Die Passwörter habe der Angeklagte nicht herausgeben wollen, erklärt der Polizist. „Danach hat mich keiner gefragt”, wirft der 69-Jährige anklagend ein. „Ich war bei der Beschlagnahmung gar nicht mehr in der Wohnung. Da war ich ja bereits in Handschellen abgeführt worden.”
Wegen seines Verhaltens während der Wohnungsdurchsuchung ist der Angeklagte bereits in einem eigenen Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und einer Geldauflage von 700 Euro verurteilt worden. Die Anklage lautete auf Widerstandshandlung gegen Vollstreckungsbeamte mit Körperverletzung und Beleidigung. Offenbar war dem 69-Jährigen die Durchsuchung seiner Wohnung gar nicht recht. Er bezeichnete die Polizisten wiederholt als „Dreckspack”, erklärte ihnen, dass er sie „als Beamte der Republik” nicht anerkenne, schlug einem der Männer ins Gesicht und setzt sich auch dann noch massiv zur Wehr, als er bereits gefesselt auf einem Stuhl saß.
Insgesamt weist das Vorstrafenregister des Rentners bereits drei Einträge wegen Körperverletzung, Beleidigung und Volksverhetzung auf. Eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten fordert der Staatsanwalt, für zehn Monate spricht sich der Anwalt des 69-Jährigen aus. Beide halten eine Bewährungsstrafe für angemessen. Richterin Greser gibt der Verteidigung recht. Insgesamt zehn Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, und eine Geldauflage von 900 Euro lautet nun das Urteil für die Widerstandshandlungen und die rechte Hetze im Internet.
„Eine kritische Haltung gegenüber dem Staat beanstandet niemand, aber von solchen Taten sollten Sie sich distanzieren”, schließt Richterin Greser.
(Von Kristin Deibl)