Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 28.09.2022 15:50

Es geht ums Leben - bis zuletzt

<b>Gemeinsam</b> die letzte Zeit eines zu Ende gehenden Lebens verbringen. Wertschätzung schenken, einfach da sein, das sind Aufgaben, die auch ehrenamtliche Hospizmitarbeiter übernehmen.  (Foto: Pixabay)
Gemeinsam die letzte Zeit eines zu Ende gehenden Lebens verbringen. Wertschätzung schenken, einfach da sein, das sind Aufgaben, die auch ehrenamtliche Hospizmitarbeiter übernehmen. (Foto: Pixabay)
Gemeinsam die letzte Zeit eines zu Ende gehenden Lebens verbringen. Wertschätzung schenken, einfach da sein, das sind Aufgaben, die auch ehrenamtliche Hospizmitarbeiter übernehmen. (Foto: Pixabay)
Gemeinsam die letzte Zeit eines zu Ende gehenden Lebens verbringen. Wertschätzung schenken, einfach da sein, das sind Aufgaben, die auch ehrenamtliche Hospizmitarbeiter übernehmen. (Foto: Pixabay)
Gemeinsam die letzte Zeit eines zu Ende gehenden Lebens verbringen. Wertschätzung schenken, einfach da sein, das sind Aufgaben, die auch ehrenamtliche Hospizmitarbeiter übernehmen. (Foto: Pixabay)

"Zuhause sterben zu können, ist so wichtig. Ich habe das bei meinem Papa gesehen, der bei mir daheim gestorben ist. Und, ich muss sagen, es war eine schöne Zeit", sagt Rosemarie Breitsameter. Die 62-jährige Klingenerin ist eine von zehn Frauen, die kürzlich im St. Afra Hospiz der Caritas in Aichach einen Kurs absolviert hat, der sich "Befähigung zur ehrenamtlichen Hospizarbeit" nennt. So sehr sich die Frauen auch in Alter und Biografie unterscheiden, sie alle bestätigen, dass ihnen der Kurs "so viel gebracht hat".

Seit Februar trafen sich die Frauen jeden Dienstag zum Kurs, dazu kamen sechs Samstage und zwei Praktikumstage. Am Ende dieser Ausbildung haben sie einen Koffer, in dem sich nicht nur Fachwissen und Handwerkszeug befindet, sondern auch Menschlichkeit, Achtsamkeit, Mitgefühl und andere Werte.

Alle zehn haben sich dazu entschieden, sich intensiv mit Themen wie Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen. Ja, sie sei schon gefragt worden: "Warum tust du dir das an?", erinnert sich die 57-jährige Ursula Lohner aus Friedberg. Sie hat auch eine Antwort darauf: Oft schon musste sie in ihrem Leben den Verlust eines lieben Menschen erfahren. Ihre Eltern seien gestorben, als sie noch jugendlich war. Mehrere Verwandte habe sie "begleitet bis zum letzten Atemzug". Sie gebe gern anderen Menschen und hofft: "Vielleicht ist dann, wenn ich einmal sterbe, auch für mich einer da." Der Kurs habe ihr sehr viel gebracht, einerseits weil er nicht nur fachlich und thematisch interessant und lehrreich gewesen sei, auch weil sie über sich viel gelernt habe. Man habe auch immer alles fragen können, es seien tolle Referenten da gewesen, zählt sie auf. Jetzt fühle sie sich bereit für den ersten "Einsatz" bei einem Sterbenden. Freilich sei ein wenig Unsicherheit und Aufregung dabei. Wo komme ich da hin? Wie werde ich dort empfangen? Was erwartet mich da? "Aber wir werden da reinwachsen", ist sie sich sicher.

Den Ehrenamtlichen steht ein breites Feld offen. Die Begleitung Sterbender ebenso wie die Betreuung Angehöriger, auch in der Trauerarbeit könnten sie sich engagieren, zählt Christine Neukäufer auf. Sie ist leitende Koordinatorin im St. Afra Hospiz. In ihren 25 Jahren im Hospiz war das ihr 19. Kurs dieser Art. Insgesamt gibt es vier Koordinatorinnen, die Ehrenamtliche schulen. Neben Neukäufer sind das Angelika Meier in Mering, Pia-Rosa Lachner in Friedberg und ebenfalls in Aichach Manuela Lang. Derzeit arbeiten fast 100 Ehrenamtliche im Hospiz mit. Und die würden auch gebraucht, sagt Neukäufer. Neben der theoretischen Vermittlung von Wissen darüber, was Hospiz und Palliativ Care bedeuten, was beim Sterben im Körper passiert, mit welchen Handgriffen und Methoden man in welcher Situation helfend eingreifen kann, stehe das Fühlen im Mittelpunkt. Es gelte herauszufinden, was der Patient braucht und möchte. "Professionelle Nähe" sei ein Schlüsselwort, so Neukäufer. Sie sagt: "Wir unterrichten und versuchen zu sensibilisieren. Das wirkliche Erleben kommt später."

Nicht nur einmal habe sie von Ehrenamtlichen gehört: "Wir bekommen so viel zurück." Da zeige sich, wie sinnvoll die Arbeit und die Ausbildung der Ehrenamtlichen sei.

Die 34-jährige Sabrina Albersmeyr aus Rinnenthal erzählt, sie sei auf der Suche gewesen, nach einem "sinngebenden Ehrenamt". Sie wolle Zeit und Lebensqualität schenken. Sie habe vorher noch keine Berührung mit dem Tod gehabt, habe aber gelernt, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig sei. Die Entscheidung für die "Befähigung zur ehramtlichen Hospizarbeit" sei richtig gewesen. "Niemand sollte alleine sterben", ist sie sich sicher. Sie habe sich in dem Kurs einen "Riesen-Koffer an Handwerkszeug" erworben - und sei am Ende sogar ein wenig wehmütig, weil's so schön, so bereichernd und auch kurzweilig gewesen sei. Aus zehn fremden Frauen sei eine vertraute Gruppe geworden, sogar Freundschaften hätten sich entwickelt, erzählt sie.

Oft seien die Kursteilnehmer nicht rein weiblich, ein "Quoten-Mann" sei bisher eigentlich immer in der Gruppe gewesen, berichtet lächelnd Christine Neukäufer, die auch feststellt, dass die Teilnehmenden immer jünger werden. Ein "Generationswechsel" sei spürbar. Seien etwa 1997 die Teilnehmer meist über 60 Jahre alt gewesen, seien sie jetzt in der Mehrzahl Mitte 50. Beim nun zu Ende gehenden Kurs war die jüngste 22 Jahre alt. Das liege daran, dass auch die Patienten jünger würden und auch in der Gesellschaft mehr über Sterben, Tod und Trauer gesprochen werde. Das Thema werde zunehmend enttabuisiert.

Das ist eines der Anliegen die, die Hopsizbewegung verfolgt. Dass über Tod und Trauer gesprochen wird. Dass jeder Mensch bis zum letzten Atemzug Wertschätzung erfährt.

Was die Teilnehmerinnen dieses Kurses mitgenommen haben? Eine breite Palette: Bekanntschaft mit netten Leuten, Momente mit viel Humor trotz des ersten Themas, viel fachliches Wissen über Bestattung, Hospiz, Palliativmedizin und Hilfsmittel, Empathie und Demut, Sätze für Trauernde, Achtsamkeit, Wertschätzung fürs Leben, Ehrlichkeit und Echtheit.

Im nächsten Jahr wird es wieder einen Kurs "Befähigung zur ehrenamtlichen Hospizarbeit" geben, kündigt Christine Neukäufer an. Interessenten können sich schon jetzt melden. Das St. Afra Hospiz in Aichach ist zu erreichen unter 08251/93 465 30.

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