Augsburg - Lammfromm zeigte sich gestern ein offensichtlich aggressiver Angeklagter vor der Jugendschutzkammer am Amtsgericht Augsburg. Doch Richterin Ortrun Jelinek ließ sich davon nicht beeindrucken. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilte sie ihn zu einer siebenmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung. Damit kam der 49-Jährige noch mit einem blauen Auge davon, denn die Anklage lautete ursprünglich auf gefährliche Körperverletzung. Weil sich der Hauptbelastungszeuge so gut wie an gar nichts erinnern konnte, kam es zu einem Teilfreispruch.
Vorgeführt wurde der eher kleine und schmächtige Mann aus der U-Haft in Gablingen. Die Vorwürfe von Staatsanwältin Simone Schönberger wogen schwer. Demnach soll der gelernte Schweißer im Mai am Königsplatz einem fünfjährigen Buben einen Fußtritt ins Gesäß verpasst haben, so dass der Bub zu Boden fiel und weinte. Als der 75-jährige Vater des Buben den Treter zurechtweisen wollte, „ein Kind schlägt man nicht”, bekam er die Fäuste des Angeklagten zu spüren. Laut Anklage soll er den „älteren Herren” mehrfach ins Gesicht geschlagen haben. Eine Platzwunde über der rechten Augenbraue und ein blaues Auge seien die schmerzhaften Folgen gewesen. Aber damit nicht genug. „Ich mache deinen Kiefer kaputt und lass dich deine Zähne schlucken”, habe der 49-Jährige dem 75-Jährigen gedroht. Und: „Ich schlage dich tot.”
Über seinen Anwalt Andreas Boukai räumte der Angeklagte die Vorwürfe größtenteils ein. „Ich habe nach ihm geschlagen, aber nur zweimal getroffen, weil ich total dicht war”, sagte er dem Gericht. „Ich habe Kräuter geraucht.” Rückblickend sehe er „alles wie durch einen Schleier”, entschuldigte er seine Erinnerungslücken. Daran, dass ein Kind im Spiel gewesen sei, konnte er sich überhaupt nicht erinnern. Wohl aber an den 75-Jährigen. „Er hatte einen weißen Luftballon und sagte zu mir, ich soll mich mit meiner Zigarette verpissen.” Es kam zum Gerangel, wobei auch der Angeklagte „minimal verletzt” worden sei.
Ein Polizeibeamter, der eine Demo am Kö begleitete, beobachtete die Auseinandersetzung und machte ihr ein Ende. „Mir gegenüber war er friedlich und kooperativ”, teilte der Beamte mit. Ein Kind habe er zwar am Rande gesehen, konnte aber nicht zuordnen, welche Rolle es spielte. Auch ein weiterer Zeuge berichtete, dass der Angeklagte auf den 75-Jährigen eingeschlagen habe. „Der hat nicht zurückgeschlagen, er war im Verteidigungsmodus”, meinte der 30-Jährige, der als einziger keine Erinnerungsdefizite hatte. Den Anfang der Schlägerei habe er verpasst. So konnte auch er, zum Glück des Angeklagten, nicht sagen, ob das Kind getreten wurde.
Das wusste gestern nicht einmal mehr der Vater des Buben. Wie kam es zu dem Streit? Hatte das Kind einen Luftballon? Was ist passiert? Das Gericht bohrte immer und immer wieder nach. Allerdings wusste der Zeuge nicht einmal mehr, woher er die Verletzungen hatte. „Keine Erinnerungen”, übersetzte der Dolmetscher ein ums andere Mal. Für das Gericht war das höchst unbefriedigend, für den Angeklagten bedeutete es einen Freispruch von der gefährlichen Körperverletzung.
Der Angeklagte zeigte Reue. „Ich habe nicht mitbekommen, dass ich einen 75-Jährigen schlage. Es hätte auch ein rosaroter Elefant sein können”, betonte er. „Es tut mir leid. Viele Dinge passieren, wenn ich unter Drogen stehe” hob der Angeklagte hervor. Alle Verantwortung wollte er aber nicht alleine übernehmen. „Ich gebe auch dem Staat Schuld. Durch das Alkoholverbot bin ich auf die Kräuter gekommen”, sagte der Angeklagte zur Begründung seiner Sucht. Weil er unter Führungsaufsicht seht ist ihm Alkoholkonsum verboten.
Für Gericht und Staatsanwaltschaft kam eine Bewährungsstrafe nicht in Frage. Immerhin handelt es sich bei dem 49-Jährigen um einen sogenannten schweren Jungen. 13 Einträge, von Diebstahl, Raub, gefährlicher Körperverletzung bis hin zum Hausfriedensbruch stehen in seinem Bundeszentralregister. Gestern konnte er den Gerichtssaal zunächst als freier Mann verlassen, der Haftbefahl wurde aufgehoben. Nach Abzug der U-Haft muss er aber noch drei Monate verbüßen. Und es sind auch schon wieder mehrere andere Verfahren anhängig, die seine Knasterfahrung wohl noch erweitern werden.