Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Weitsichtiges Wohnkonzept? Wie die Stadt Augsburg gegen Wohnungsnot vorgehen will

Auf nicht weniger als auf die Banlieues, die Problembezirke französischer Großstädte, griff Stadträtin Regina Stuber-Schneider von den Freien Wählern zurück, um zu beschreiben, was passieren könnte, wenn man auf dem Augsburger Wohnungsmarkt nicht aufpasse. Die „Offensive Wohnraum” stand in der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause auf der Tagesordnung, und das Konzept der Stadtregierung musste sich auch Kritik gefallen lassen. Mehrheitlich wurde der „Blumenstrauß an Instrumentarien”, wie Oberbürgermeister Kurt Gribl das umfangreiche Vorhaben beschrieb, jedoch gelobt

„Polemisch schaffen wir kein Konzept”, entgegnete SPD-Stadtrat Stefan Quarg daher auch umgehend auf Stuber-Schneiders Banlieues-Beispiel. Diese verteidigte sich jedoch vehement, denn auch in einigen Augsburger Bezirken „hängen die Menschen aufeinander”. Wenn weiter verdichtet werde, sei auch mehr soziale Begleitung nötig. Zudem sei man „in Augsburg weg von der Ästhetik”. Protestgemurmel aus dem Plenum hielt sie entgegen: „Schaut doch mal ins Univiertel.” Und: „Es fehlt Begrünung.” Ein Rundumschlag - der tatsächlich einige Probleme illustriert.

In Zeiten der Wohnungsknappheit sind Städte gezwungen, nachzuverdichten, also durch Aufstockung von Wohngebäuden, Gebäudeausbau und das Schließen von Baulücken, neuen Wohnraum zu schaffen. Laut Stadtrat Quarg stoße man in Augsburg bis 2050 unweigerlich an die Grenze der bebaubaren Flächen - auch im Süd-Westen, auf den Äckern, auf denen mit „Haunstetten Südwest” ein neues Stadtviertel geplant ist, seien dann die Kapazitäten erschöpft. Es müsse nachverdichtet werden.

In Gribls „Blumenstrauß” an Instrumenten ist die Nachverdichtung daher eines der Elemente, um dem Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt zu begegnen. Das Gesamtkonzept „Offensive Wohnen” sei dabei „quer durch die Referate” erstellt worden, betonte Stadtdirektor Hermann Weber.

Auf fünf Säulen basiert das Vorhaben: der Aktivierung von neuen Wohnpotenzialen, dem städtischen Wohnungsbau, der Aktivierung von vorhandenen Wohnpotenzialen, der Schaffung von Wohneigentum und dem Wohnen in besonderen Lebenslagen. Ziel sei besseres Wohnen für alle Bevölkerungsschichten.

Die neuen Wohnpotenziale untergliedert das Konzept in „sofortige Flächenverfügbarkeiten” von etwa 2000 Wohneinheiten, kurzfristige Verfügbarkeit mit etwa 2140 Wohneinheiten, mittelfristige Verfügbarkeit in einem Zeitfenster von fünf bis zehn Jahren mit circa 6000 Wohneinheiten und eine langfristige Verfügbarkeit für einen Zeithorizont von elf bis 25 Jahren mit einem Potenzial von etwa 7100 Wohneinheiten.

In der Säule „städtischer Wohnungsbau” soll die Wohnbaugruppe (WBG) bis zum Jahr 2021 rund 775 neue Wohnungen errichten. In der dritten Säule „Aktivierung von vorhandenen Wohnpotenzialen” geht es eben um jene Nachverdichtung, und dabei in der Praxis vor allem um die Beratung von Eigentümern. Dazu soll nun ein städtisches Büro eingerichtet werden. Im September, so der Plan, wird dieses die Arbeit aufnehmen. Mit der vierten Säule setzt die Stadt darauf, dass Bürger ihren eigenen Wohnraum schaffen, unterstützt etwa durch Wohnraumförderung oder Genossenschaftsmodelle. Und dann gibt es noch Augsburger mit speziellen Anforderungen an Wohnraum. Die fünfte Säule umfasst daher die Unterstützung derjenigen, die etwa auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. Denn diese müssen oft darum kämpfen, überhaupt als Mieter akzeptiert zu werden.

Im Stadtrat heimste das Konzept viel Lob ein. Allerdings, so kritisierte SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich, „an den Säulen fehlt der Unterbau”. Sie forderte eine Quote für Sozialen Wohnungsbau in Bebauungsplänen, wie es in Nürnberg und München der Fall sei. Gribl stellte die „inhaltliche Qualität” einer Quote in Frage. Man gehe das Thema jedoch „offen an”, das Baureferat sei mit München im Gespräch. Alexander Süßmair von der Linkspartei monierte, die Bauindustrie baue das Falsche: Wohnungen in einer Preisklasse, die sich die meisten Augsburger ohnehin nicht leisten können. „Wir müssen uns noch viel mehr mit den Mietpreisen beschäftigen.”

Der „Offensive Wohnraum” stimmte das Gremium geschlossen zu. Parallel zum Wohnraumkonzept wird derzeit ein Mietspiegel für die Stadt erstellt, der bis Herbst komplett sein soll. Durch das Zahlenwerk kommt mehr Transparenz auf den Markt, denn es gibt Auskunft über die ortsüblichen Mieten.

Durch diese Vergleichbarkeit können sich dann sowohl die Stadt als auch die Mieter selbst konkreter mit den Mietpreisen beschäftigen.


Von Janina Funk

Redakteurin Augsburg-Redaktion

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