„Wenn es dem Menschen, der mir anvertraut ist, gut geht, dann geht es auch mir gut”, beschreibt sie das, was sie antreibt. Nach 45 Jahren Berufstätigkeit und mehr als 25 Jahren als Leiterin der Berufsfachschulen für Altenpflege und Altenpflegehilfe der Caritas hört Ferstl nun auf. Ihr Nachfolger hat bereits ihre Leitungsrolle übernommen. Dietmar Köpernik, zuvor stellvertretender Schulleiter der Krankenpflegeschule der Diakonie in Augsburg, wird es nun obliegen, die beiden Schulen der Caritas auf die generalistische Ausbildung in der Pflege vorzubereiten. Dafür bringt er reichhaltige Erfahrungen mit sich, denn bei der Diakonie war er mit dafür verantwortlich, die generalistische Ausbildung im Rahmen eines Schulversuches durchzuführen. Wer mit Ferstl über ihr langes Berufsleben in der Krankenpflege spricht, der kommt an einem bestimmten Punkt nicht an der Frage vorbei, wie sie denn mit Krankheit, Verletzungen und Tod umgegangen sei. Wer lange Antworten erwartet, der wird eines Besseren belehrt. „Ich kann und darf mich nicht mit mir und meinen Ängsten selbst beschäftigen, wenn ich einen kranken, verletzten oder alten Menschen begleite und ihm helfen soll. Man muss sich hinstellen. Man darf nicht jammern. Ansonsten bin ich keine Hilfe.” Ihre Schüler der Altenpflege verstanden sehr schnell, dass sich hinter dieser Haltung nicht Härte, nicht kalte Distanziertheit verbergen, sondern die Bereitschaft, sich ganz dem Patienten zuzuwenden. Schon seit frühen Kindheitstagen - sie ist im Dezember 1955 auf die Welt gekommen - ist ihr die Arbeit in der Krankenpflege in ihr Kinderbett gelegt worden. Ihr Vater war Oberstudiendirektor an einer Augsburger Schule. Als ihre Mutter einmal krank war, gab es niemanden, der auf das kleine Mädchen aufpasste. Aber die Barmherzigen Schwestern vom früheren Augsburger Hauptkrankenhaus hatten ein Herz. So lief sie schon als Vierjährige im Krankenschwesternbetrieb mit. Auch in späteren Jahren, als 10-Jährige und dann als Jugendliche, verbrachte sie viele Ferientage im Krankenhaus. Sie verteilte Essen, richtete die Tabletts für die Patienten schön her, unterhielt sich mit ihnen und lernte so, sich auf jeden Menschen einzustellen. Ihr Berufswunsch bildete sich in diesen Jahren heraus. Als ihr Bruder an Krebs starb, stand für sie der Entschluss endgültig fest. 1973 begann sie ihre Ausbildung an der damaligen „Schwesternschule” der Barmherzigen Schwestern. Drei Jahre dauerte die Ausbildung. Am Ende hatte sie ihr Staatsexamen in der Tasche. Später folgte eine Fortbildung zur Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, die sie drei Jahre am Augsburger Klinikum machte. Bis 1989 arbeitete sie am heutigen Uniklinikum. Anästhesie, Schmerz- und Intensivambulanz und Notfallmedizin - „das war mein Leben”. Schon als 27-Jährige übernahm sie dann eine Führungsposition in ihren Aufgabenbereichen und Schichtdienste. 1986 begann sie die Ausbildung zur Lehrerin für Pflegeberufe. „Ich konnte so viel lernen und wenn ich in allen Jahren meiner Lehrtätigkeit meinen Schülerinnen und Schülern gegenüber trat, sprach ich nicht von der Theorie, sondern aus der Erfahrung der Praxis heraus.” Dass Berufserfahrung heute keine Voraussetzung mehr für das Studium der Pflegepädagogik ist sieht sie kritisch. „Die reine Akademisierung hat auch ihre Schattenseiten.” Nach dem Abschluss der Ausbildung fing sie 1989 sofort an der Altenpflegeschule der Akademie in München an. „Da habe ich meine ersten Sporen verdient.” Und sie konnte viel ausprobieren und machen, „was ich für richtig hielt.” Ein Anruf im Jahr 1992 holte sie schließlich in ihre Heimatstadt zurück. Gabriela Lorenz, damalige stellvertretende Leitung der Heimerer Schule in Augsburg, suchte eine Nachfolgerin. Ferstl nahm an. Eineinhalb Jahre später hatte man offensichtlich bei der Caritas beobachtet, wie die Heimerer-Schule immer größer wurde und immer mehr Altenpflegeschüler anlockte. Man rief sie an und lud sie zum Gespräch ein. Ferstl ist Katholikin, aber die Caritas-Altenpflegeschule war ihr damals kein großer Begriff, gesteht sie heute. Sie machte sich aber schlau. Die Caritas-Altenpflegeschule war die älteste in Schwaben. Und sie wusste, dass die Caritas kurz davor stand, sie zu schließen. Das forderte sie heraus: „Es kann nicht sein, dass man eine so alte Tradition einfach beendet und zugrunde gehen lässt.” Bedingungslose Leidenschaft war wohl die Voraussetzung für die neue Leitungsaufgabe. „Wir hatten nichts, außer einer Schreibmaschine.” 1994 zählte die Schule nur 13 Schülerinnen. Ferstl drehte den Wind. Es gelang ihr, immer mehr junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. Die Schülerzahl stieg stetig an. Die Schüler ließen sich auch anstecken von dem, was Ferstl stets am wichtigsten war: „Sie müssen lernen, dem anderen die Würde zu belassen, egal wie schwach er ist.” Darin wollte sie immer Vorbild sein. „Ich hoffe, dass ich das wirklich war und bin. Wenn ich das erreicht habe, habe ich mein Ziel erreicht”, sagt Ferstl heute. Dem Patienten die Würde lassen, egal wie schwach er ist