20 Kühe bekam die Angeklagte im Frühjahr 2018 von einem Bauern geschenkt, dem vom Landratsamt Aichach-Friedberg die Rinderhaltung verboten wurde, weil die Tiere in einem sehr schlechten Zustand waren. Der Bauer brachte es nicht übers Herz, die Tiere zum Schlachter zu bringen, und gab sie daher an die 47-Jährige weiter, die damit zur Bäuerin wurde. Mit Hilfe und Unterstützung ihres Lebensgefährten, einem ausgebildeten Landwirt und Metzgermeister, wollte sie zunächst die Milchwirtschaft weiterbetreiben. Die ihr von Staatsanwältin Gudrun Wagner gemachten Vorwürfe und Anklagepunkte wies sie vehement zurück: „Die Kühe wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen ernährt”, beteuerte sie. Weil der Betrieb eh schon unter besonderer Aufmerksamkeit der Behörde stand, führte das Landratsamt weitere Kontrollen durch. Die ergaben ein ganz anderes Bild. Drei Tierärzte berichteten von abgemagerten Kühen, die vor Hunger schrien, kaum Fleisch auf den Rippen hatten und mit Kot verschmutzt waren. Ihre Liegeplätze waren nicht ausreichend mit Stroh ausgelegt. Auch die Klauen mussten dringend gepflegt werden. „Die Kühe waren in einem erbarmungswürdigen Zustand”, fasste eine Tierärztin zusammen. „Wenn man den Kühen einen Apfel hinwarf, stürzten sie sich darauf”, berichtete eine Frau, die hin und wieder einen Blick durch die offene Stalltüre warf. Jetzt hat sie Hausverbot. „Wir stellten von Milchviehbetrieb auf Mastviehbetrieb um. Da brauchen sie nicht so viel Energie wie eine Hochleistungskuh”, erklärte die ehemalige Justizmitarbeiterin den armseligen Zustand ihrer Kühe. Sie habe ihre Tiere mit Kartoffel, Heu, Stroh, Silage und Vitaminen gefüttert. Da es sich um einen Bio-Hof handle, kam Kraftfutter oder genmanipulierter Mais nicht in den Trog. Nach Ansicht der Tierärzte und Behörde war das Futter nicht geeignet für Wiederkäuer. Zu viele Kohlenhydrate, viel zu viel Stroh, zu wenig Heu und Grassilage, kritisierten die Tierärzte unisono. Die Landwirtin dagegen beklagte, trotz mehrfacher Nachfrage, wie die richtige Ernährung aussieht, habe man sie allein gelassen. „Wir sind keine Futterberatungsstelle, hat man mir immer gesagt.” Das bestätigte der Amtstierarzt. Selbst der Lebensgefährte der Angeklagten räumte ein, dass die Kühe durchaus etwas mehr Futter hätten vertragen können. Aber dazu hätte er jeden zweiten Tag 20 Kilometer fahren müssen, um das Futter zu transportieren. „Wir hatten weder die Zeit noch das Futter und auch keine Lust für eine Milchleistungskuh”, erklärte er die Umstellung auf Mastviehbetrieb. Verteidiger Baade wollte das Landratsamt nicht aus der Pflicht lassen. „Wenn die Tiere in einem wirklich so schlechten Zustand waren, warum haben Sie nicht sofort reagiert?”, hielt er dem Amtstierarzt vor. Der erklärte das mit einem „schwierigen Verwaltungsakt” und „wir wollten der Frau Zeit geben, den Zustand zu verbessern”. Außerdem seien die Tiere nicht in Lebensgefahr gewesen. Die Angeklagte sei „unbelehrbar” gewesen und habe die Kontrollen gestört, indem sie die Beamten ständig mit der Videokamera verfolgte und filmte. „Das behinderte unsere Arbeit, wir wollten das nicht”. Die gebürtige Kölnerin konnte nur schwer stillhalten auf der Anklagebank. Immer wieder kommentierte sie Aussagen der Zeugen. „Würden Sie bitte aufhören, dazwischenzureden? Jetzt antwortet die Zeugin, und da haben Sie bitte den Mund zu halten”, drohte die Vorsitzende Richterin Caroline Hillmann mit einem Ordnungsgeld. Mittlerweile sind die 20 Kühe doch geschlachtet. Aber neun Kälber stehen immer noch im Stall der Angeklagten. Die Behörde will wohl ein Auge darauf haben, dass es ihnen besser geht als ihren Müttern. Abgemagerte Tiere schrieen vor Hunger