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Veröffentlicht am 21.09.2017 11:08

Sensationsfund in Augsburg: Fragment einer Gutenberg-Bibel entdeckt

Einen spektakulären Fund hat der Augsburger Bibliothekar Wolfgang Mayer gemacht. Er entdeckte in der Staats- und Stadtbibliothek das Fragment einer bislang unbekannten Gutenberg-Bibel. Die Pergamentseite war als Einband für ein anderes Buch wiederverwertet worden.

Bibliotheken sind meist beschauliche, ruhige Orte, die deckenhohe Regale gefüllt mit oft geschichtsträchtigen Büchern beherbergen. Orte fernab von Hektik und Aufregung. Hin und wieder aber wird es in den sonst stillen Bibliothekshallen auch mal aufregend. Nämlich dann, wenn sich das Fenster in die Vergangenheit für einen kurzen Moment öffnet und neue Erkenntnisse in die Gegenwart dringen. So erging es nun dem Diplom-Bibliothekar Wolfgang Mayer. Während der Vorbereitung einer Ausstellung zum 480-jährigen Bestehen der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek hat er einen sensationellen Fund gemacht: ein illuminiertes Pergament-Blatt einer Gutenberg-Bibel, dem ersten größeren gedruckten Buch mit beweglichen Lettern überhaupt.

„Ich habe ein Werk in die Hand genommen und angeschaut und konnte es zuerst gar nicht glauben“, erzählt Bibliothekar Mayer von seinem Fund. Als ihm klar wurde, was er da in Händen hielt, habe er das Pergament-Blatt zunächst als Teil der Gutenberg-Bibel verifiziert. „Und dann hab ich mich erstmal hingesetzt und einen Kaffee getrunken, um mich zu beruhigen. So etwas passiert einem im ganzen beruflichen Leben nur einmal“, sagt er und lacht. „Die Bibliothekare in den vergangenen Jahrhunderten haben es nicht erkannt.“ So schlummerte das Fragment, unentdeckt, bis es nun dem Bibliothekar in die Hände fiel.
Das Pergament-Blatt wurde als Einband eines Druckes des frühen 17. Jahrhunderts wiederverwendet und zeigt den Beginn der Apokalypse mit der Darstellung des Evangelisten Johannes, der lange als Autor dieses Bibelbuches angesehen wurde. Der Buchschmuck in Deckfarben und Gold kann einem Buchmaleratelier, der sogenannten „Pfauenwerkstatt“, zugeschrieben werden, das in Leipzig auch die Gutenberg-Bibeln im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin und der Huntington Library in San Marino/Kalifornien ausgestattet hat.

Vermutlich hat der böhmische Gründer dieser Werkstatt, der „Illuminator der Berliner Gutenbergbibel“, die Miniatur gemalt. Das Augsburger Fragment gehört somit zu einer in der Forschung unbekannten dritten in dieser Werkstatt ausgemalten Gutenberg-Bibel. Außerdem ist sicher, dass das Blatt aus keinem der bisher überlieferten Pergamentexemplare stammt. Es lässt sich auch keiner der Gruppen der bekannten Pergamentfragmente der Gutenberg-Bibel zuordnen.
Wann diese Bibel, von der bisher nur das jetzt von Mayer aufgefundene Fragment bekannt ist, für Buchbindezwecke zerlegt wurde, ist unbekannt. Der Druck, den das Pergamentfragment als Einband schützt, befand sich 1625 im Besitz eines Hermann Gravius (Grave), später gehörte der Band einem Johann Eberhard Grave, der von 1667 bis 1678 Pastor in Stotel bei Bremerhaven war. Wie der Band nach Augsburg und über die Bibliothek des Protestantischen Kollegiums bei St. Anna in die heutige Staats- und Stadtbibliothek Augsburg kam, ist nicht bekannt.

„Es handelt sich nicht um ein besonderes Werk“, sagt Mayer. Im Gegensatz zu seinem Einband. Denn die Gutenberg-Bibel sei das erste größere gedruckte Buch überhaupt, schildert der Bibliothekar die Bedeutung des Werkes. Das erste Druckerzeugnis von Johannes Gutenberg, Erfinder des Buchdrucks, abgesehen von einigen Ablassbriefen. Insgesamt gebe es nur 180 Exemplare dieser Bibel, davon 150 auf Papier, 30 auf dem haltbareren und teureren Pergament.
An der Schaezlerstraße 25 werden nun insgesamt zwei Pergamentfragmente von zwei verschiedenen Gutenberg-Bibel-Exemplaren beherbergt. Ein Glücksfall für die Staats- und Stadtbibliothek. Denn wie Mayer deutlich macht: „Es gehört zu den Schätzen jeder Bibliothek, überhaupt nur ein Eckelchen davon zu haben.“

Die beiden Fragmente werden in der Ausstellung „Gold und Bücher lieb ich sehr …“ ab 19. Oktober in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg zu sehen sein.


Von Kristin Deibl
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