Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Als Augsburg Hessing verschmähte

Friedrich von Hessing flüchtete sich 1869 in das damals noch selbstständige Göggingen. (Bild: Archiv Hessing-Stiftung)
Friedrich von Hessing flüchtete sich 1869 in das damals noch selbstständige Göggingen. (Bild: Archiv Hessing-Stiftung)
Friedrich von Hessing flüchtete sich 1869 in das damals noch selbstständige Göggingen. (Bild: Archiv Hessing-Stiftung)
Friedrich von Hessing flüchtete sich 1869 in das damals noch selbstständige Göggingen. (Bild: Archiv Hessing-Stiftung)
Friedrich von Hessing flüchtete sich 1869 in das damals noch selbstständige Göggingen. (Bild: Archiv Hessing-Stiftung)

Nicht immer ungetrübt war das Verhältnis der Stadt Augsburg zu Hofrat Friedrich von Hessing, dem vielleicht ersten Orthopädiemechaniker der Welt und Begründer der heutigen Hessing'schen Kliniken im jetzigen Augsburger Stadtteil Göggingen.

Nach Hessings Zuzug – er kam 1866 als gelernter Orgelbauer aus dem kleinen mittelfränkischen Schönbronn in die Region – war die Welt noch in Ordnung: Augsburgs Bürgermeister Ludwig von Fischer befürwortete das Gesuch, eine orthopädische Heilanstalt errichten zu dürfen. Und die bürgermeisterliche Begründung war recht erfreulich: „Die von ihm verfertigten orthopädischen Maschinen und künstlichen Gliedmaßen sind nach dem Zeugnisse chirurgischer Autoritäten von ganz ungewöhnlicher Vorzüglichkeit und beweisen seine hervorragende Geschicklichkeit“, lautete es in einem Schreiben an die Kreisregierung im Augsburger Fronhof, die Hessing daraufhin am 9. September 1868 die ersehnte Genehmigung erteilte. Die neue orthopädische Werkstätte entstand im Haus Nr. 240 vor dem Augsburger Jakober Tor. Mit zwei Mitstreitern – einer war Hessings langjähriger Orgelbauerkollege Matthias Kundner, der nach dem Tode des Hofrats durch dessen testamentarische Verfügung zum technischen Direktor aufstieg – wurde der Platz bald viel zu eng, während der Zustrom größer und größer wurde. Hessings Stern war im Steigen begriffen und strahlte bald weit über die Grenzen Augsburgs hinaus. Doch einer notwendigen Erweiterung der Räumlichkeiten waren finanzielle Grenzen gesetzt. Banken und andere Geldgeber hielten den Newcomer nicht für kreditwürdig und auch das offizielle Augsburg war nicht bereit, Hessing ein günstiges Grundstück zu vermitteln.

Hessing „von allen Seiten angefeindet”

Zu gern hätte Hessing sich bei den damaligen Erzberger'schen Gärten an der Gögginger Straße auf einer drei bis vier Tagwerk großen Liegenschaft angesiedelt. Doch ziemlich von oben herab wurden seine Vorstellungen behandelt. „Abgewiesen, weil man für solche Plätze hohe Preise zu erwarten habe und weil Krüppel in der Gegend doch das Stadtbild stören könnten”, resümierte Hessing schroff, so berichtet der Schriftsteller Fritz Müller-Partenkirchen in seinem 1922 erschienenen Roman über Hessings Lebenswerk. Und er lässt den Hofrat weiter zu Wort kommen: „Trotz ausgezeichneter orthopädischer Erfolge werde ich von allen Seiten angefeindet. Man kümmert sich in Augsburg nicht um mich. Statt mir Unterstützung angedeihen zu lassen, werde ich zu Boden gedrückt und bin auf fremdes Verständnis angewiesen.”

Ein hartes Urteil. Und so kam es, wie es kommen musste: Auf seinen sonntäglichen Fußwanderungen in die Umgebung Augsburgs hatte Hessing auch das damals noch selbstständige Göggingen kennen und schätzen gelernt. „Vor den Toren der Stadt lag ein altes Dorf. So alt es selbst war, grad so alt war auch sein Stolz, nicht nur von der Gnade Augsburgs, nein von sich selbst was zu bedeuten”, soll er gesagt haben. Das Kompliment an Göggingen hat ebenfalls Fritz Müller-Partenkirchen – der selbst lange Zeit Patient Hessings war – übermittelt. Und Hessing beließ es nicht bei Komplimenten. Im leerstehenden neuklassizistischen Gebäude des 1862 nach Augsburg verlegten Landgerichts etablierte er 1869 die später so benannte „Alte Klinik” und machte den Namen Göggingen in ganz Europa bekannt.

P. S.: Das große Lob, dass der Herr Hofrat Göggingen angedeihen ließ, ist allerdings zu relativieren: Sein Millionenvermögen erhielt nach seinem Tode eine von der Stadt Augsburg verwaltete Stiftung, die heute noch sein Lebenswerk erfolgreich weiterführt. Die Gögginger ließ er in seinem Testament leer ausgehen.


Von Heinz Münzenrieder
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