Augsburg - Mehr als 40 Steine sind im Jahr 2016 neben dem Kontaktladen der Drogenhilfe in der Innenstadt neu dazugekommen. Jeder von ihnen steht für einen Menschen, der in Augsburg an den Folgen seiner Drogensucht gestorben ist. Die Grünen haben sich nun die steigende Anzahl an Drogentoten zum Anlass genommen, für das „Konzept zur Drogenpolitik in Augsburg”, das noch aus dem Jahr 2005 stammt, eine Überarbeitung und Aktualisierung zu fordern. Es soll mehr auf Prävention setzen und besonders den Konsum von Badesalzen und Kräutermischungen verringern.
Auch wenn die sogenannten Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) - zu denen Badesalze und Kräutermischungen gehören - eigentlich kein neues Phänomen seien, sei deren „breite und leichte Verfügbarkeit besorgniserregend”, heißt es im Bericht der Grünen. Bayern habe 2016 bundesweit mit 321 die meisten Drogentoten zu verzeichnen, zeigt die Fraktion in einer Statistik. Und Augsburg liege im Vergleich zu anderen deutschen Städten ebenfalls im oberen Bereich.
Ein Gesetz, das im November 2016 in Kraft getreten ist und NPS verbietet, zeige bereits Wirkung: Die Anzahl an Drogentoten sei leicht gesunken. Die offizielle Statistik für 2017 ist noch nicht veröffentlicht, die Drogenhilfe Schwaben bestätigt allerdings den Rückgang der Zahlen.
Nichtsdestotrotz solle der Konsum, insbesondere von Badesalzen und Kräutermischungen, weiter verringert werden, schreiben die Grünen in ihrem Antrag. Das Konzept zur Drogenpolitik der Stadt aus dem Jahr 2005 stützt sich auf Maßnahmen zur Drogen- und Suchtprävention, zur medizinischen und sozialen Versorgung der Drogenabhängigen sowie zur Sicherheitspolitik. Auf diesen Punkten basiere die Zusammenarbeit der Stadt mit Drogenhilfe, Suchtberatung, Polizei und Justiz. Allerdings sei das Konzept nicht auf dem aktuellen Stand und bedürfe dringend einer Überarbeitung, für die jedoch die notwendigen personellen Kapazitäten im Büro für Kommunale Prävention fehlten.
Ziele, die es aus Sicht der Grünen zu erreichen gelte, seien unter anderem, Konsumenten besser über die Risiken der NPS aufzuklären, Suchtprävention bindend im Lehrplan zu verankern und Schülern Programme zur Lebenskompetenzförderung anzubieten.
Die Drogenhilfe Schwaben tut das mit dem Programm „Suchtprävention Augsburg” bereits. Die Schüler setzen sich mit dem Thema Sucht sowie Strategien zur Lebensbewältigung auseinander und beschäftigen sich im Zuge des Programms auch mit dem Jugendschutz- und Betäubungsmittelgesetz. Allerdings habe die Drogenhilfe allein im Vorjahr 28 Klassen eine Absage erteilen müssen, da die Finanzierungsmöglichkeiten bereits aufgebraucht waren, kritisieren die Grünen. Das bestätigt Uwe Schmidt, Leiter der Drogenhilfe Schwaben. Wünschenswert wäre eine Erhöhung des Etats und eine Regelstelle, die Sicherheit schaffe, „damit wir nicht jedes Jahr völlig neu planen müssen”.
Damit tatsächlich weniger Menschen an den Folgen ihrer Drogensucht sterben, sind aus Schmidts Sicht viele Maßnahmen nötig. Neben präventiven Angeboten seien vor allem „zukunftsweisende Projekte” gefragt, wie Schmidt erklärt. „Der Helmut-Haller-Platz ist schon so ein Projekt.”
Der geplante Süchtigentreff im Augsburger Stadtteil Oberhausen sei „die richtige Idee”, denn besonders niedrigschwellige Angebote vor Ort würden gebraucht. „Da ist jemand da, der auch hinschaut.” Auch in akuten Notfällen, zu denen es gerade durch den Konsum von NPS komme. „Badesalze und Kräutermischungen sind für niemanden kalkulierbar”, erklärt Schmidt. „Was in der gleichen Verpackung ist, ist so unterschiedlich gemischt.” Das mache die Dosierung so schwierig. Ähnlich sei es mit Fentanyl, das laut dem Leiter der Drogenhilfe, die in Augsburg rund 2500 Abhängige betreut, ebenfalls häufig konsumiert werde. Das synthetische Opioid wird als Schmerzmittel häufig in Form von Pflastern verschrieben. Es sei extrem stark und relativ leicht zu beschaffen. „Da muss nur die Oma Rückenschmerzen haben”, verdeutlicht er, wie einfach es für Süchtige sei, an das Fentanyl zu kommen.
Ebenso wie bei Badesalzen und Kräutermischungen, die Konsumenten häufig im Internet bestellten, sei es kaum noch nötig, das Haus zu verlassen. Auch aus Sicht der Grünen ist es entscheidend, gerade für diese Problematik neue Konzepte zu entwickeln. Es müsse darauf reagiert werden, dass mittlerweile häufig „ein Rückzug aus dem Hilfesystem erfolgt”. Folglich müsse es mehr Angebote geben, die die Konsumenten zu Hause aufsuchen.
Eben „Angebote vor Ort” und „jemanden, der hinschaut”, wie Schmidt von der Drogenhilfe mehrfach betont. Auch in diesem Jahr gebe es bereits mindestens vier Drogentote in Augsburg, berichtet er. Und damit auch vier weitere Steine neben dem Kontaktladen der Drogenhilfe. (von Kristin Deibl)