Buhrufe und Blockaden, Protest-Plakate und Pfiffe - so reagieren viele Augsburger auf die kurzfristige Ankündigung, am Herrenbach 34 Bäume zu fällen. Die Stadt hatte die Abholz-Aktion mit der Sicherheit der Bürger in den angrenzenden Wohngebieten erklärt. Für die Anwohner, Natur- und Tierschützer kein ausreichender Grund für die aus ihrer Sicht übereilte und plötzliche Entscheidung, die Bäume während der Vogelbrutzeit zu entfernen. Sie werfen der Stadt vor, die Alternativen nicht ausreichend geprüft zu haben.
Bereits während einer Informationsveranstaltung am Montagabend, mit der die Stadt denBürgern die Gründe für die Maßnahme erläutern will, sind die Gemüter erhitzt. Rund 200 Menschen sind im Pfarrsaal Don Bosco erschienen und reagieren mit Buhrufen auf die städtischen Vertreter.
Die Betonwände des Kanals stammten noch aus dem Jahr 1967, erklärt Baureferent Gerd Merkle. Da sie nicht ausreichend mit Stahl gesichert seien, komme dem Damm eine statische Funktion zu. Sollte der Damm nun durch einen umstürzenden Baum eingerissen werden, könnten 30 Millionen Liter Wasser das an den Bach angrenzende Viertel fluten. Man habe Alternativen zur Fällung der Bäume geprüft, doch keine habe sich als sinnvoll erwiesen.
Für viele Anwohner ist die Erklärung der Stadt nicht zufriedenstellend. „Die Bäume stehen an dem Kanaldeich teils seit über 60 Jahren und waren seither noch nie problematisch”, moniert etwa Sabine Böß. „Auch nicht bei all den Stürmen mit Orkanstärken, die es in den vergangenen Jahrzehnten zwischendurch ja durchaus gegeben hat.” Warum die Stadt nun plötzlich eine Gefahr im Verzug erkannt haben wolle, sei „nicht nachvollziehbar und ungeheuerlich. Ich bin fassungslos, angesichts der Borniertheit unserer Stadtregierung, die noch nicht einmal sinnvolle Alternativen zu Ende gedacht hat und ganz offensichtlich den ordentlichen Weg im Stadtrat scheut.”
Kritik kommt auch von Stadtrat Oliver Nowak (Polit-WG). Er spricht von einem „Kommunikationsdesaster” der Stadt. „Weder wurde klar, warum jetzt ganz schnell zur Vogelbrutzeit gehandelt werden muss, noch welche konkreten Anstrengungen die Regierung in den letzten Monaten unternommen hatte, die eigentliche Ursache anzugehen: nämlich Alternativen und Kosten einer baulichen Anpassung des Herrenbachs und seines Dammes oder einer verbesserter Schleusentechnik im oberen Bachverlauf um notwendige Baumfällungen zu minimieren.” Es fehle eine nachvollziehbare Risikoanalyse. „Der künstlich angelegte Herrenbach ist nun mal kein reißender Fluss”, sagt Nowak.
Die Stadt erklärt indes noch am Montagabend den Bereich rund um die Fällarbeiten zur Sperrzone und kündigt den Einsatz eines Security-Unternehmens an. Auf der Grundlage einer Allgemeinverfügung sei es verboten, die Zone zu betreten oder zu befahren. Bei Zuwiderhandlungen könnten die Sicherheitsbehörden „zwangsweise Anordnungen treffen, um Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen abzuwehren oder Störungen zu beseitigen”, heißt es von der Stadt. Ebenfalls noch am Montagabend kündigen einige Teilnehmer der Infoveranstaltung an, sich den Arbeiten entgegenzustellen.
„Lasst die Bäume leben”, fordern dann auch rund 30 Anwohner und Naturschützer am Dienstagmorgen mit einem Transparent, das sie quer über die Straße gespannt haben, um den Baufahrzeugen den Weg zu versperren. Die Polizei versucht, den Demonstranten einen Platzverweis zu erteilen, die jedoch weigern sich zu gehen. Gegen 8.30 Uhr fällt dennoch der erste Baum. Eine Frau, die sich an dessen Stamm gesetzt hat und sich weigert zu gehen, wird zuvor von den Beamten weggebracht.
Es sei einfach unverständlich, warum die Bäume jetzt gefällt werden müssen, sagt eine Sprecherin der Tierrechtsinitiative „AG Tierrechte”, die sich den Protestierenden angeschlossen hat. Ursprünglich hatte die Stadt angekündigt, dass 96 zu nah am Herrenbach stehende Bäume entfernt werden müssten. Geplant war die Abholzung allerdings für Herbst, wenn die Vogelbrutzeit vorbei ist. „Und jetzt wurde angeblich kurzfristig eine akute Gefahr erkannt”, ärgert sich die Frau. Dass die Bürger des Viertels durch eine „Flutwelle aus dem Herrenbach” gefährdet seien, glaubt sie nicht. „Mehr als nasse Füße bekommt keiner.” Dass sich die Fällung durch die Protestaktion noch verhindern lasse, glaube sie aber auch nicht. „Dafür müssten sich schon 1000 Leute hier an Bäume ketten. Ich habe aber die vage Hoffnung, dass wir ein Zeichen setzen können, damit sich sowas hier nicht wiederholt.”
(Von Kristin Deibl)