Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

250 Meter hohe Windräder in Dinkelscherben: Kommt ein Bürgerentscheid?

Dorfansicht mit Windrädern: In dem betroffenen Ortsteil Ettelried formiert sich Widerstand gegen den geplanten Energiepark. (Foto: Höck)
Dorfansicht mit Windrädern: In dem betroffenen Ortsteil Ettelried formiert sich Widerstand gegen den geplanten Energiepark. (Foto: Höck)
Dorfansicht mit Windrädern: In dem betroffenen Ortsteil Ettelried formiert sich Widerstand gegen den geplanten Energiepark. (Foto: Höck)
Dorfansicht mit Windrädern: In dem betroffenen Ortsteil Ettelried formiert sich Widerstand gegen den geplanten Energiepark. (Foto: Höck)
Dorfansicht mit Windrädern: In dem betroffenen Ortsteil Ettelried formiert sich Widerstand gegen den geplanten Energiepark. (Foto: Höck)

Es sind zehn an der Zahl und jedes soll 250 Meter hoch werden: Das Unternehmen Juwi aus Wörrstadt in Rheinland-Pfalz will am westlichen Rand des Landkreises Augsburg gigantische Windräder errichten. Nur: Die Anlage kann die 10-H-Regelung, die in Bayern für Windparks gilt, nicht einhalten und die Anwohner der betroffenen Gemeinde sind alles andere als begeistert.

Während der Juli-Sitzung des Marktgemeinderats Dinkelscherben breitete das Unternehmen seine Pläne aus. Das Konzept sieht zehn Windräder mit einer Höhe von 250 Metern westlich des Ortsteils Ettelried vor und das in einer Entfernung von nur rund zwei Kilometern. Doch die 10-H-Regelung sieht vor, dass der Mindestabstand zur nächsten Siedlung gleich dem zehnfachen der Windrad-Höhe sein muss, in diesem Fall müssten die Räder also 2,5 Kilometer von Ettelried aufgestellt werden. „Die Abstände zum nahegelegenen Ortsteil Ettelried betragen von allen Anlagen aus immer mehr als 2000 Meter”, erklärt Felix Wächter, der Pressesprecher des Unternehmens. Die 10-H-Regel werde also nur knapp unterschritten. Doch das hilft freilich nichts.

Bürgerentscheid zum Windpark?

Die Hoffnung des Unternehmens ist nun, dass die Gemeinde Dinkelscherben selbst eine Ausnahme von der 10-H-Regel ermöglicht. „Entscheidende und unbedingte Voraussetzung für die Realisierung dieses Projekts wäre die Änderung des Flächennutzungsplans. Empfohlen wird auch die Aufstellung eines Bebauungsplans”, erklärt dazu Dinkelscherbens Erster Bürgermeister Edgar Kalb. Die Entscheidung darüber könne zwar der Gemeinderat treffen, aber die von Kalb laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks favorisierte Möglichkeit wäre ein Bürgerentscheid zum Windpark, dem ein Bürgerbegehren oder ein Ratsbegehren vom Gemeinderat vorausgehen müsste.

Juwi lockt die finanzschwache Gemeinde Dinkelscherben mit Geld: „Der Sitz des Windparkbetreibers wird in Dinkelscherben sein”, verspricht Wächter. Somit könne die Gewerbesteuer maximiert werden. „Pro Windrad kann man über die geplante Betriebslaufzeit von 25 Jahren mit circa 400 000 Euro Gewerbesteuereinnahmen rechnen”, so der Pressesprecher weiter. Juwi unterstütze zudem die aktuelle Diskussion auf Bundesebene zur finanziellen Beteiligung von Kommunen. Gemäß des aktuellen Gesetzentwurfs wären hier über eine Laufzeit von 20 Jahren Gemeindeeinnahmen von etwas mehr als vier Millionen Euro möglich – vorausgesetzt das Gesetz kommt auch so.

Doch wiegen diese Beträge die Nachteile des gewaltigen Windparks auf? Mit einer Nabenhöhe von 165 Metern und einem Rotordurchmesser von 170 Metern stellt jedes der zehn Windräder die höheren Gebäude in Stadt und Landkreis Augsburg in den Schatten. Zum Vergleich: Der Hotelturm in Augsburg bringt es gerade mal auf 167 Meter – wohlgemerkt inklusive Antenne! Selbst die acht Windräder im nahe gelegenen Scheppacher Forst sind mit ihren insgesamt 199 Metern Höhe geradezu klein gegen die geplanten Giganten. Jedes Windrad des Typs Siemens Gamesa hätte eine Leistung von 6,2 Megawatt. Entsprechend groß ist auch der Flächenbedarf. „Der dauerhafte Flächenbedarf pro Anlage beträgt 0,5 Hektar. Hinzukommen temporär genutzte Flächen in der Größenordnung von einem Hektar pro Anlage”, erklärt Wächter. Allerdings soll eine 1:1 Aufforstung der dauerhaft genutzten Flächen erfolgen, „so dass dem Forst in Summe keine Fläche verloren geht”. Dabei handelt es sich allerdings ohnehin um eine Genehmigungsauflage. Auch die vorübergehend genutzten Flächen sollen wieder aufgeforstet werden. Nachhaltig verändert wird die Landschaft freilich schon, allein durch die aus dem Wald ragenden Windräder.

Welchen Einfluss die Anlage sonst noch auf die Umwelt nehmen könnte, wird aktuell untersucht, etwa der Aspekt des Artenschutzes. „Bedenken seitens der Bürger sind vor allem gesundheitlicher Art, dass der erzeugte Infraschall im Körper Stressreaktionen auslösen könnte”, meldet sich die ÖDP Dinkelscherben zu Wort und verspricht ihrerseits, den noch offenen Fragen nachzugehen, wie etwa der der Wirtschaftlichkeit der Anlagen. „Manche zweifeln auch an einer insgesamt positiven ökologischen Bilanz der Windräder”, gibt die ÖDP zu bedenken.

Aber nicht nur der Infraschall beschäftigt die Ettelrieder. Die sich drehenden Windräder sind offenbar so laut, dass man sie auch noch in dem Ortsteil hören würde. In der Gemeinderatssitzung war zunächst von 35 Dezibel die Rede, was dem Dauergeräusch eines Tischventilators entspräche. Auf Nachfrage diesbezüglich verweist das Unternehmen auf die gesetzlichen Grenzwerte. Diese betragen für reine Wohngebiete tagsüber 50 und nachts tatsächlich 35 Dezibel. Nur: „In den angrenzenden Ortsteilen herrschen hauptsächlich allgemeine Wohngebiete und Dorf- beziehungsweise Mischgebiete”, ergänzt Pressesprecher Wächter. Und hier gelten deutlich höhere Grenzwerte von tagsüber 55 und nachts 40 Dezibel beziehungsweise tagsüber 60 und nachts 45 Dezibel. Juwi sichert zu, dass die Grenzwerte „selbstverständlich eingehalten” werden. Müssen sie auch, denn ansonsten gäbe es keine Genehmigung gemäß des Bundesimmissionsschutzgesetz, wie das Unternehmen selbst erklärt.

Bis letztlich eine Genehmigung für den Bau der Anlage vorliegt, wird es noch eine Weile dauern, auch wenn man sich offenbar schon mit einem Waldbesitzer einig ist und entsprechende Verträge abgeschlossen hat. Gegenüber dem BR gibt das Unternehmen an, allein das Planungsverfahren wohl erst 2023 abschließen zu können.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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