Aber was ist passiert? Anfang Februar hatte es ein 55-Jähriger aus dem westlichen Landkreis Aichach-Friedberg besonders eilig, ein 31-jähriger Nordendorfer wollte die Fahrt in seinem geleasten Mercedes AMG genießen. Er saß nun wegen Nötigung im Straßenverkehr und vor allem wegen eines illegalen Kraftfahrzeugrennens vor Gericht. In der Spitze soll er eine Geschwindigkeit von über 240 Stundenkilometern erreicht haben. Vor ihm war der 55-Jährige unterwegs, dem die Ladung vor Gericht, ebenfalls wegen Nötigung, sichtlich peinlich war. Ihm war der Nordendorfer zwischen Adelzhausen und Dasing in Richtung Stuttgart dicht aufgefahren, er selbst fuhr flott - weil er dringend aussteigen musste, wie sein Verteidiger Hansjörg Schmid gleich zu Beginn der Verhandlung erklärte. Sein Mandant leidet nachweislich an einer seltenen Reizdarm-Erkrankung. Bei Adelzhausen hätte er bemerkt, dass es „zwickt”, wie sein Verteidiger es milde auszudrücken versuchte. Explosionsartig entleere sich der Darm im Zweifelsfall. Also trat der 55-Jährige aufs Gas, soll dabei den Blinker mehrfach links gesetzt und gedrängelt haben, um die vor ihm fahrenden Autos zum Spurwechsel aufzufordern. All das gab der Angeklagte mit Bedauern zu und erklärte sich: „Dasing wäre eigentlich nicht meine Ausfahrt.” Trotzdem verließ er die Fernstraße dort, um schnellstmöglich auf die Toilette gehen zu können. Der Verteidiger hatte vorher beantragt, ein Gutachten des Videos zu erstellen, das den Nordendorfer zeigte, wie er das vermeintliche Rennen fuhr. „Das ist nichts außergewöhnliches”, schimpfte Spatzl, als es im Gerichtssaal gezeigt wurde. „Das ist höchstens eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat. Da können Sie den ganzen Tag an der A 8 stehen und jeden, der ein bisschen schneller fährt, eines Rennens bezichtigen”, meinte er, was die Staatsanwältin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, bestätigte: „Weil das so ist, gibt es den Tatbestand ja auch.” Den Polizisten, der das Video angefertigt hatte und im Zeugenstand saß, maßregelte der Anwalt. Auf dem Video war nämlich nur die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs zu sehen. „Laut Bedienungsanleitung” müsse jedoch die Geschwindigkeit des Tatfahrzeugs gemessen werden, um valide Daten für eine Verurteilung zu ermitteln. „Dass dieses Video nicht als Beweis taugt, ist sicherlich nicht die Meinung des Amtsgerichts Aichach”, machte Hell zuletzt klar, der die Verhandlung damit beendete. Ein neuer Termin soll Klarheit bringen - der 55-Jährige muss dann abermals vor Gericht.