Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Zu Schandtaten bereit: Warum Dirk Schuster zum FC Augsburg passt

Dirk Schuster wird als Trainer des FC Augsburg vorgestellt. Eine halbzeitlange Pressekonferenz genügt Schuster, um zu zeigen, dass er charakterlich zum FCA passt. Aus dem Spieler der „Backsteinstoßerfraktion” ist ein charismatischer Trainer geworden.

Ein Stückchen Darmstadt trägt Dirk Schuster auch in Augsburg. Nicht das blau-weiß-gestreifte Kurzarm-Hemd, dass er für seinen ersten offiziellen Termin beim neuen Arbeitgeber gewählt hatte. Zwischen einigen Kettchen an seinen urlaubsgebräunten Armen, sticht das blaue Du-musst-kämpfen-Bändchen hervor. Das Motto des an Krebs gestorbenen 98-Fans Johnny Heimes, das zum Leitsatz des Darmstädter Fußballmärchens geworden war: Eine Überzeugung, welche die Lilien unter Schuster von der Dritten bis in die Bundesliga und zum Klassenerhalt trug. Eine Erfolgsgeschichte, die Schuster jedoch auch nachdenklich stimmte. „Was kann, was will ich in Darmstadt noch erreichen?”, habe er sich gefragt.

Welche Antwort er darauf fand, ist seit dem 2. Juni jedem klar. Knapp zwei Wochen später sitzt er nun auf dem Podium im Bauch der Augsburger Arena, um den Denkprozess und dessen für Darmstadt so schmerzhaftes Ergebnis zu erläutern. Und um während seiner rund 45-minütigen Vorstellung die letzten Markus-Weinzierl-Geister aus den Arena-Katakomben zu vertreiben.

Die Dreiviertelstunde mit Dirk Schuster reichte, um zu erkennen, dass dieser Trainer charakterlich zum FC Augsburg passt, wie der Perlachturm neben das Rathaus. Wie das sportlich ist, muss sich freilich erst noch zeigen.

Schuster jedenfalls hatte während er die Bühne in der Heimstätte seines neuen Vereins betrat seine Aufregung nicht komplett verbergen können. Doch schon nach der ersten Frage legt der 48-Jährige eine Selbstverständlichkeit an den Tag, als säße er nicht vor der bunten Sponsorenwand auf einer Pressekonferenz, sondern auf dem heimischen Sofa.

Während er spricht, lehnt er auf seinen Unterarmen, den Oberkörper in Richtung der vielen Medienvertreter geneigt. Sonnengebräunt, wache Augen und eine manchmal gar etwas zu ruhige Stimme. Er ist kein Exzentriker, er ist irgendwie einfach Dirk.

Dass er, sollte in der Mannschaft die Disziplin mal nachlassen, auch „unangenehm werden kann”, möchte man dem ständig grinsenden Mann mit der Kurzhaarfrisur nicht so recht abnehmen.

Denn wenn Schuster mal nicht grinst, dann lacht er eben. Über komische Fragen, über den sich zu Transfers verschlossen gebenden Stefan Reuter oder über einen Kameramann, der während der Pressekonferenz krachend über einen Stuhl fällt. Es ist ein so herzhaftes Lachen, dass sich neben seinen Augen zahllose kleine Fältchen bilden.

Aus dem „Spieler aus der Backsteinstoßerfraktion” ist ein charismatischer Typ Trainer geworden. Gefragt, ob er denn ein Schleifer oder ein Spielerversteher sei, antwortet Schuster: „Ich kann alles.”

Wie schon erwähnt, Disziplin ist ein hehres Gut für den neuen FCA-Trainer. Jedoch rede er auch viel mit den Spielern. Telefonate habe er auch bereits mit des Schusters neuen Leistungsträgern geführt. „Ich musste ihnen erklären, warum wir schon am 20. Juni mit dem Training beginnen”, verrät er.

Das hat freilich den Grund, dass Schuster sich bald ein Bild von der Mannschaft machen will. Denn der 48-Jährige muss nun einen „kleinen Umbruch” planen. Dabei wolle er auch die zuletzt verliehenen Tim Matavz und Nikola Djurdjic „nicht abschreiben”.

Schuster ist eben ein Sportsmann. In seinen Einführungsworten lobt er zunächst ausführlich Markus Weinzierls Arbeit, später seinen Nachfolger in Darmstadt Norbert Meier.

Mitgefiebert hätten er und sein Trainerteam mit dem FC Augsburg in der Europa League. Gleichzeitig hätten sie aber „geerdet und bodenständig” beobachtet, dass der FC Augsburg dabei stets am Limit hatte spielen müssen.

Europäischer Fußball als Tagesgeschäft in Augsburg sei daher, „ziemlich weit hergeholt”. So verteidigt er denn auch das zurückhaltende Ziel Klassenerhalt, erläutert seine Underdog-Spielidee, aus einer stabilen Defensive schnell umzuschalten, und fügt an, dass dafür auch kleine Schandtaten auf dem Platz erlaubt seien.

Ebenso im Training - wenn auch nicht das rosa Leibchen für den „Loser der Woche”, das er in Darmstadt eingeführt hatte. „Das werden wir nicht übernehmen.”

Genausowenig wie Spieler seines ehemaligen Vereins, verspricht Schuster.
So wird also nur eine Wohnung an der Maximilianstraße, wo Schuster wohl bald hausen wird, von einem ehemaligen Darmstädter bezogen.

Ticks und Macken lässt sich der Trainer jedoch nicht entlocken. „Da gibt es welche, aber die werde ich Ihnen nicht verraten”, sagt Schuster, während seine Mundwinkel bereits wieder weit nach oben gehen und kleine Fältchen seine Augen umspielen.


David Libossek
David Libossek

Sportredakteur

north