Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Kritik an „heidnischen” Elementen: Wem gehört das Augsburger Friedensfest?

Ein Tanz-Theater von Baba Murah und Candomblé Berlin eröffnete das Programm zum Friedensfest. Die Gruppe zeigte ein Reinigungs- und Heilungs-Ritual der afro-brasilianischen Candomblé-Religion – doch die Aufführung irritierte mehrere Besucher.  (Foto: Eike Walkenhorst)
Ein Tanz-Theater von Baba Murah und Candomblé Berlin eröffnete das Programm zum Friedensfest. Die Gruppe zeigte ein Reinigungs- und Heilungs-Ritual der afro-brasilianischen Candomblé-Religion – doch die Aufführung irritierte mehrere Besucher. (Foto: Eike Walkenhorst)
Ein Tanz-Theater von Baba Murah und Candomblé Berlin eröffnete das Programm zum Friedensfest. Die Gruppe zeigte ein Reinigungs- und Heilungs-Ritual der afro-brasilianischen Candomblé-Religion – doch die Aufführung irritierte mehrere Besucher. (Foto: Eike Walkenhorst)
Ein Tanz-Theater von Baba Murah und Candomblé Berlin eröffnete das Programm zum Friedensfest. Die Gruppe zeigte ein Reinigungs- und Heilungs-Ritual der afro-brasilianischen Candomblé-Religion – doch die Aufführung irritierte mehrere Besucher. (Foto: Eike Walkenhorst)
Ein Tanz-Theater von Baba Murah und Candomblé Berlin eröffnete das Programm zum Friedensfest. Die Gruppe zeigte ein Reinigungs- und Heilungs-Ritual der afro-brasilianischen Candomblé-Religion – doch die Aufführung irritierte mehrere Besucher. (Foto: Eike Walkenhorst)

Das Hohe Friedensfest in Augsburg ist inzwischen ein jahrhundertealtes Ritual, das seit 1650 am 8. August begangen wird. Mit „Rituale” war die übergreifende Klammer bezeichnet, die in diesem Jahr das Rahmenprogramm zum Friedensfest zusammenhielt. Doch einzelne Programmpunkte, insbesondere die Eröffnung durch eine Ritual aus der Candomblé-Religion, haben Irritationen ausgelöst. Die Kritiker sehen zu viele heidnische Elemente im Rahmenprogramm.

Wolfgang Krauß von der Mennonitengemeinde Augsburg vertritt die Freikirchen am Runden Tisch der Religionen, jener Einrichtung die mittlerweile hinter dem Friedenfest steht und das Programm mitgestaltet. Und mit dem Ablauf der Eröffnung war er alles andere als einverstanden. In einem Schreiben berichtet er von seinem Befremden während des „farbenfrohen Auftritts des afro-brasilianischen Tanztheaters”. Für ihn stellte sich die Frage: „Bin ich Zuschauer oder Teil des Rituals?” Mit seiner Wahrnehmung war er offenbar nicht allein, mehrere Vertreter anderer Freikirchen und auch anderer monotheistischer Religionen in Augsburg waren zumindest irritiert. Auch für Michael Thoma, Augsburger Dekan der Evangelisch-Lutherischen Kirche lief die Eröffnung nicht optimal. „Zum einen habe ich eine mir fremde Religion und Kultur beobachtet. In unserer Zeit ist es wichtig, auch Unbekanntes kennenzulernen”, beschreibt er seine Eindrücke von der Eröffnung. „Allerdings wurde – entgegen deutlicher vorheriger Absprachen – dennoch der Versuch unternommen, ein Ritual am Publikum zu vollziehen. Dies hat mich verärgert. Ich empfand es als übergriffig. In Zukunft werden wir dafür sorgen, dass sich Ähnliches nicht wiederholt.” Die grundsätzliche Kritik, die Krauß aber am Rahmenprogramm übt, teilt Thoma hingegen nicht.

Krauß nämlich sieht eine „Paganisierung des Friedensfestprogramms”, dass also das Friedensfest heidnisch geworden sei. Im speziellen führt er unter anderem an, dass sich ein Programmpunkt dem Thema der „sagenumwobenen Augsburger ,Göttin Cisa - Sie ist bei uns', die in einer Kunstinstallation wiederbelebt werden soll”, widmet. Auch ein „Workshop für Magie und Rituale im Alltag“ stört ihn. „Das Augsburger Hohe Friedensfest und seine Geschichte sind zu wertvoll, um sie in eine beliebige esoterische Religiosität münden zu lassen”, warnt Krauß.

„Ich sehe nicht den Untergang des Friedensfestes”, schätzt Helmut Haug, der katholische Stadtdekan in Augsburg, die Situation ein. Er selbst sei freilich mit der Candomblé-Religion durch mehrere Brasilienreisen vertrauter, finde es aber ohnehin wichtig, dass man eben auch Unbekanntes kennenlernen kann. „Es gibt ja nicht nur christliche oder überhaupt religiöse Rituale”, lobt er die breite Fächerung des Rahmenprogramms, in dem er keine Schieflage gegenüber den christlichen Inhalten erkennen könne.

Auch Dekan Thoma kann der Furcht, das Friedensfest werde heidnisch oder verehre fremde Götter, nicht folgen. „Das Kulturprogramm zeigt die Vielfalt der heutigen Stadtgesellschaft. Es will die Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Dabei geht es aber nicht um Missionierung. Der Grundgedanke heißt: Wir alle gemeinsam feiern in Freiheit und Gleichberechtigung den Frieden und unsere Religionsfreiheit. Das ist und bleibt der zentrale Inhalt des Friedensfestes. Dabei können Christen, so wie alle anderen auch, Farbe bekennen und zu ihren Glaubensüberzeugungen stehen”, stellt Thoma fest.

Christiane Lembert-Dobler, die als Leiterin des Friedensbüros letztlich für das Programm verantwortlich zeichnet, nimmt die Kritik sehr ernst. „Wir möchten natürlich keine religiösen Gefühle verletzen”, betont sie. Aus ihrer Sicht bildet das Programm die Realitäten in der Stadtgesellschaft ab und man müsse hier eben auch unterscheiden zwischen dem Rahmenprogramm und dem Feiertag des Friedensfestes selbst. Letztlich sei das aber auch ein Thema, das am Runden Tisch der Religionen diskutiert werden müsse, wo ihr auch Stadtdekan Haug beipflichtet: „Natürlich kann dann hier nochmal die Frage gestellt werden: ,Wem gehört das Friedensfest?'” Das könne man ja durchaus diskutieren.

Doch die Rückkehr zu einem rein christlichen oder gar nur evangelischen Feiertag, wie er es im Ursprung war, will auch Wolfgang Krauß nicht. „Das Friedensfest hat sich in den letzten Jahrzehnten geöffnet und damit reagiert auf die multikulturelle Entwicklung der Stadtgesellschaft. Diese Öffnung soll nicht zurückgedreht werden”, so Krauß. Es gelte vielmehr, diese Öffnung „zu gestalten und orientiert am Gründungsereignis von 1650 und der daraus entstandenen Tradition zu entwickeln”.

Den Ursprung des Friedensfestes nicht aus dem Blick verlieren, will auch Dekan Thoma. Doch ihm ist auch wichtig, dass es „kein antiquiertes Ritual” sei. Mit seinen protestantischen Wurzeln lebe das Friedensfest in einer multireligiösen und multikulturellen Gegenwart. Auch deshalb sei es von der Unesco als Immaterielles Weltkulturerbe ausgezeichnet worden.

„Während es historisch wichtig war, das friedliche Miteinander von Katholiken und Protestanten auszuhandeln und gleichberechtigt zu sein, ist es heute entscheidend, auch andere Glaubensüberzeugungen in diesen Diskurs mit einzubeziehen”, sagt Thoma. „Nur das Gespräch miteinander und der Wille zur gemeinsamen Gestaltung einer Stadtgesellschaft dienen dem langfristigen Frieden. Dazu kann auch der Runde Tisch der Religionen beitragen.”


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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