Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 23.01.2018 13:00

Kritik an AVV-Reform reißt nicht ab

Die Kritik an der Tarifreform des AVV bezieht sich vor allem auf die Augsburger Innenstadt. Einige Kunden zahlen durch die Neuregelung der Zonen nun gar doppelt so viel wie zuvor. (Foto: Janina Funk)
Die Kritik an der Tarifreform des AVV bezieht sich vor allem auf die Augsburger Innenstadt. Einige Kunden zahlen durch die Neuregelung der Zonen nun gar doppelt so viel wie zuvor. (Foto: Janina Funk)
Die Kritik an der Tarifreform des AVV bezieht sich vor allem auf die Augsburger Innenstadt. Einige Kunden zahlen durch die Neuregelung der Zonen nun gar doppelt so viel wie zuvor. (Foto: Janina Funk)
Die Kritik an der Tarifreform des AVV bezieht sich vor allem auf die Augsburger Innenstadt. Einige Kunden zahlen durch die Neuregelung der Zonen nun gar doppelt so viel wie zuvor. (Foto: Janina Funk)
Die Kritik an der Tarifreform des AVV bezieht sich vor allem auf die Augsburger Innenstadt. Einige Kunden zahlen durch die Neuregelung der Zonen nun gar doppelt so viel wie zuvor. (Foto: Janina Funk)

Die neuen AVV-Tarife irritieren und verärgern viele Kunden. Die Politik will nun „nochmal hinschauen”. Am Mittwoch diskutiert der Stadtrat. Auch Stadtwerke Chef Walter Casazza nimmt an der Sitzung teil.

Der Kontrolleur lächelt. „Sie müssen jeweils für vier Haltestellen stempeln”, erklärt er einem Fahrgast, der „jetzt schon nochmal nachfragen” habe müssen, wie das nun sei mit den neuen Tarifzonen. Der Kunde reagiert verwirrt. Er sei in der Rosenaustraße eingestiegen und müsse zum Arbeitsamt. „Das war doch immer eine Zone”, beklagt er. Eine Frau schaltet sich in das Gespräch in der Tram der Linie 3 ein. Am Ende der Unterhaltung stellt sie fest: „Das war früher schon alles einfacher.” Der freundliche Kontrolleur nickt.

Die Tarifreform des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbundes (AVV), die als große Vereinfachung angepriesen war, verärgert viele Fahrgäste. Gerade Gelegenheitsfahrer in der Augsburger Innenstadt verstehen die Nahverkehrs-Welt nicht mehr. Die neue Zonen-Einteilung, die nicht für alle Fahrkarten-Typen gleichermaßen gilt, sorgt für Irritationen. Viele Kunden müssen seit dem 1. Januar nun mitunter doppelt so viel bezahlen wie vor der Reform. Denn durch den Wegfall der Preis-Zonen für das Streifenticket muss auf vielen Fahrten, auf denen früher einmal stempeln reichte, nun zweimal entwertet werden.

Kritik kommt auch aus der Politik. Die Augsburger SPD, die gegen die Reform gestimmt hatte, ließ bereits wenige Tage nach der Einführung der neuen Tarife wissen, man fordere „mit einem Antrag eine Nachbesserung”. SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich führt aus: „Die Kritik aus der Bevölkerung bestätigt unsere damalige Haltung, gegen die Reform zu stimmen. Neben der Verschlechterung beim Seniorenticket und der Einführung eines Neun-Uhr-Tickets sehen wir vor allem auch das neue Kurzstreckenticket im wahrsten Sinne zu kurz gegriffen”. Letzteres stelle keinen adäquaten Ersatz für den Wegfall der Preisstufe 1 in den Bartarifen dar. Die SPD schlägt vor, das Kurzstreckenticket von vier Haltestellen plus Einstieg auf sechs Haltestellen plus Einstieg auszuweiten.

Einen Antrag für die Stadtratssitzung am Mittwoch hat auch die Ausschussgemeinschaft aus Freie Wähler, der Linken, der ÖDP und der Polit-WG gestellt. Die Fraktion wünscht sich von den Befürwortern der Reform einige Fragen beantwortet. Das Ergebnis der Tarifreform im Stadtgebiet Augsburg sei, so das Urteil der Ausschussgemeinschaft, „dass die Ungerechtigkeiten noch ausgeweitet wurden”.

Selbst die CSU-Stadtratsfraktion, die von Beginn an für die Reform war, beantragt nun, dass gebenenfalls noch einmal nachgebessert werden solle. „Es ist zu untersuchen, ob eine Ausdehnung des Kurzstreckentickets über die Haltestellen vier plus eins erweitert werden können”, schreibt die Fraktion in ihrem Antrag. Zudem spricht sie sich für eine Wiedereinführung einer Wochenkarte und für eine Änderung der Abstempel-Regelung für Abo-Kunden bei Überfahren der Zonengrenze aus.

Von der CSU kommt aber auch Lob für die Reform: Für ÖPNV-Kunden seien „attraktive Abo-Angebote definiert und das System übersichtlicher gestaltet” worden. „Bei der Umsetzung einer großen und grundständigen Reform bleibt es nicht aus, dass Zweifelsfälle erst in der tatsächlichen Umsetzung aufscheinen”, schreibt die Fraktion in ihrem Antrag. Aus diesem Grund hätten die Gremien im Sommer 2017 ja auch beschlossen, dass die Tarifreform einer Evaluierung unterzogen werden muss.

Darauf verwies zuletzt auch Oberbürgermeister Kurt Gribl auf dem CSU-Neujahrsempfang. Das reformierte Tarifsystem müsse ein Jahr Laufzeit haben, bevor Ergebnisse ausgewertet würden. Er wolle „nochmal hinschauen”.
Das wollen auch die Augsburger Stadtwerke und der AVV, beteuern deren Sprecher Jürgen Fergg und Irene Goßner unisono. „Wir nehmen die Kritik der Bürger sehr ernst und werden diese Punkte auch bei der Beurteilung der Tarifreform besonders betrachten”, sagt Fergg. Jedoch seien erneute Änderungen im Tarif freilich nur nach Zustimmung aller Beteiligten, also der AVV-Aufgabenträger und deren Gremien sowie der Verkehrsunternehmen, möglich. Es gelte, einen Kompromiss zu finden, der von allen Seiten getragen wird.

Die aktuelle Reform sei in einem über zweijährigen Prozess mit den Partnern im AVV, den Verwaltungen aus Stadt und Landkreisen sowie politischen Gremien diskutiert worden, erläutert Fergg. Es seien zudem Interessengruppen wie Senioren- oder Behindertenverbände beteiligt worden. „Auch wenn der Prozess nicht einfach war, konnte letztlich ein guter Kompromiss für die verschiedenen Interessenlagen gefunden werden”, findet der Stadtwerke-Sprecher. Die Tarife müssten für die Verkehrsunternehmen eben auch „wirtschaftlich darstellbar sein”.

Die neuen Tarifstrukturen, die Zonen und Ticketarten seien einfacher als die zuvor, sind sich Fergg und Goßner sicher, aber eben neu und noch ungewohnt.

Im Stadtgebiet Augsburg habe man die häufig geforderte Zusammenlegung der Zonen 10 und 20 umgesetzt. Die Zonengrenze im Stadtgebiet sei früher für viele ungerecht gewesen. Wer auf kurzen Strecken unterwegs war, aber über die Zonengrenzen fuhr, musste mehr bezahlen als jene, die in einer Zone teilweise sehr weite Strecken zurücklegen konnten. „Jetzt gilt”, betont Fergg, „wer weiter fährt, bezahlt 2,90 Euro, wer eine Kurzstrecke bis zu vier Haltestellen nach der Einstiegshaltestelle zurücklegt, bezahlt 1,45 Euro. Das ist auch woanders durchaus so üblich.” Für rund 60 Prozent der Augsburger Gelegenheitsfahrer habe sich ohnehin nichts geändert, weil diese bereits zuvor in Preisstufe zwei unterwegs gewesen seien.

Fergg und Goßner verweisen zudem auf die günstigeren Abo-Angebote. Ziel sei ja schließlich, die Kunden dazu zu bewegen, das ÖPNV-Angebot häufiger zu nutzen.

Ob auch verärgerte Kunden häufiger mit Bus und Straßenbahn fahren? Das Ziel der Reform, so formuliert es Margarete Heinrich, „sehen wir in Anbetracht der öffentlichen Diskussion als stark gefährdet an”.


Von Janina Funk

Redakteurin Augsburg-Redaktion

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