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Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Klinikum reagiert auf Grippewelle: Drastische Maßnahmen am Ende der „Versagenskette”

Zwar sieht es auf diesem Bild nicht danach aus, aber die Notaufnahme am Klinikum Augsburg ist derzeit durch die Grippewelle überlastet. (Foto: Patrick Bruckner)
Zwar sieht es auf diesem Bild nicht danach aus, aber die Notaufnahme am Klinikum Augsburg ist derzeit durch die Grippewelle überlastet. (Foto: Patrick Bruckner)
Zwar sieht es auf diesem Bild nicht danach aus, aber die Notaufnahme am Klinikum Augsburg ist derzeit durch die Grippewelle überlastet. (Foto: Patrick Bruckner)
Zwar sieht es auf diesem Bild nicht danach aus, aber die Notaufnahme am Klinikum Augsburg ist derzeit durch die Grippewelle überlastet. (Foto: Patrick Bruckner)
Zwar sieht es auf diesem Bild nicht danach aus, aber die Notaufnahme am Klinikum Augsburg ist derzeit durch die Grippewelle überlastet. (Foto: Patrick Bruckner)

Die Grippeendemie lässt die Krankenhäuser in der Region an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Nun muss auch der Maximalversorger, das Klinikum, der erdrückenden Patientenzahl nachgeben - derzeit werden nur noch Notfälle aufgenommen. Ein Gespräch mit der Ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes zeigt, wie dramatisch die Lage für alle Beteiligten derzeit ist.
„Ihr kommt hier nicht rein”, ist ein Spruch, den Betrunkene vor einer Disko vom Türsteher zu hören bekommen. Wenn der Satz allerdings Rettungssanitätern entgegengeschmettert wird, die einen Patienten in einer Notaufnahme abliefern wollen, ist er ein Beleg dafür, dass etwas gehörig außer Kontrolle ist.
Die Krankenhäuser in der Region leiden unter der anhaltenden Grippeepidemie, zahlreiche Notaufnahmen meldeten der Leitstelle vergangene Woche einen Aufnahmestop. Nun hat die Entwicklung einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Auch das Klinikum Augsburg, der Maximalversorger der Region, musste sich am Dienstag dem Patientendruck beugen - und drastische Maßnahmen ergreifen.

So werden seit Dienstag nur mehr Notfallpatienten versorgt. Alle Eingriffe, die als aufschiebbar eingestuft wurden, hat das Klinikum verschoben. Auch entließ man sämtliche Patienten, bei denen es medizinisch vertretbar sei. Die Einzelzimmerbelegung für Privatpatienten wurde aufgehoben, um zusätzlichen Platz für Betten zu schaffen. Weil auch Mitarbeiter erkrankt sind, schieben die anderen Überstunden, verzichten darauf, ihren Urlaub anzutreten. „Die Versorgungskapazitäten am Klinikum sind vollständig erschöpft”, heißt es aus dem Krankenhaus-Vorstand.
Das schmerzt besonders, denn die Notaufnahme am Klinikum ist die letzte Anlaufstelle, in einer „medizinischen Versagenskette”, wie es Renate Demharter ausdrückt. Sie ist Teil der Ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes und mittendrin im derzeitigen Dilemma.
Die Kette des Versagens hängt am Personalmangel und mangelnder Absprache ihrer Glieder. Es beginnt schon am Telefon. Wer nachts ein Problem hat und eine Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung aufsuchen möchte, ruft in dessen Callcenter an, das regelmäßig überlastet sei. Als nächstes versucht es der Patient also unter der 112. In der Leitstelle hat ein Mitarbeiter nach Vorgaben drei Minuten Zeit, den Anrufer zu betreuen und zu entscheiden, ob der Patient umgehend Hilfe benötigt.

„Sicherheitshalber schickt der dann einen Rettungswagen”, schildert Demharter. Da die Sanitäter zwar um die immense Auslastung der Notaufnahmen wissen, aber keine ärztliche Diagnose stellen dürfen, müssen sie im Zweifel einen Notarzt konsultieren, ob der Patient in die Klinik muss oder am nächsten Tag ein Besuch beim Hausarzt ausreicht. „Das nächste Dilemma, denn auch Notärzte sind rar gesät”, sagt Demharter.
Also transportiert der Sanka den Patienten in die nächstgelegene Notaufnahme. Dorthin, wo laut Demharter eben jener ominöse Satz fiel, „Ihr kommt hier nicht rein”, und eine Pflegekraft mit ausgebreiteten Armen den Weg versperrte. Eine Szene, stellvertretend für viele dieser Tage der Grippewelle. Szenen, „in denen es regelmäßig Reibereien gibt”, wie Demharter berichtet.

Aber auch Szenen, die es so nicht geben dürfte. Einen Patienten derart abzulehnen, sei ein Verstoß gegen den Versorgungsauftrag, klagt Demharter an. „Eigentlich müssen sie den Patienten anschauen und stabilisieren - ganz egal, ob das Krankenhaus bei der Leitstelle abgemeldet ist oder nicht”, erläutert sie. Unbesehen darf niemand abgelehnt werden. In einem solchen Fall in der Region werde nun möglicherweise gar Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gestellt.

Demharter könne jedoch verstehen, wenn Notaufnahmemitarbeiter derart harsch reagieren. Sie selbst war 21 Jahre in der Notaufnahme tätig. Derlei „Übersprungshandlungen” seien nachvollziehbar, angesichts dessen, womit die Belegschaft täglich konfrontiert ist. Ändern muss sich etwas am großen Ganzen. Seit Jahren schon weise man auf den Personalmangel hin, betont Demharter. Jetzt müsse man jedoch akut Lösungen finden, etwa ein Treffen aller Kliniken und der Kassenärztlichen Vereinigung, um die Absprache zu verbessern.
Letztere kritisiert die Ärztliche Leitung besonders hart: Noch immer schicken deren beide Praxen in Augsburg zu viele Patienten mit Fällen, die auch ein Hausarzt behandeln könnte, in die Notaufnahme. Das sei zwar keine unterlassene Hilfeleistung, „aber Missbrauch von Ressourcen”, schimpft Demharter.
Ressourcen, die nun auch „am Ende der medizinischen Versagenskette” über das Limit ausgereizt werden: am Klinikum. Denn wenn keine Notaufnahme mehr Menschen aufnimmt, enden dort die Krankentransporte. Entsprechend prekär ist die Lage momentan. Kommende Woche, heißt es, wolle man im Klinikum die Situation neu bewerten.


David Libossek
David Libossek

Sportredakteur

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