Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 27.10.2022 13:22

Klänge des 20. Jahrhunderts

Die Grabstelle von August-Peter Waldenmaier im alten Waldfriedhof in Dachau. (Foto: Landratsamt Dachau)
Die Grabstelle von August-Peter Waldenmaier im alten Waldfriedhof in Dachau. (Foto: Landratsamt Dachau)
Die Grabstelle von August-Peter Waldenmaier im alten Waldfriedhof in Dachau. (Foto: Landratsamt Dachau)
Die Grabstelle von August-Peter Waldenmaier im alten Waldfriedhof in Dachau. (Foto: Landratsamt Dachau)
Die Grabstelle von August-Peter Waldenmaier im alten Waldfriedhof in Dachau. (Foto: Landratsamt Dachau)

Die 2005 vom ehemaligen Kreisheimatpfleger Dr. Nobert Göttler ins Leben gerufene Reihe „Gegen das Vergessen“ wird seit 2013 von seiner Nachfolgerin Dr. Birgitta Unger-Richter fortgeführt. Sie macht im jährlichen Turnus auf außergewöhnliche Persönlichkeiten aufmerksam, die sich im Landkreis Dachau im sozialen, politischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bereich verdient gemacht haben oder die Geschichte des Landkreises maßgeblich geprägt haben. Dieses Jahr wird an vier Dachauer Komponisten im 20. Jahrhundert erinnert: Aloys Fleischmann, Hans Neumeyer, Anton Goldhofer und August-Peter Waldenmaier.
Dachau kann auf eine lange Tradition der Bildenden Kunst zurückblicken: In der Blütezeit der Künstlerkolonie, vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1914 versammelten sich hunderte von Malern im Ort. Musiker von Rang, die den Ort geprägt haben, gab es jedoch wenige. 2002 hatte das Bezirksmuseum Dachau der „Musik in Dachau“ eine eigene Ausstellung gewidmet und die Musikgeschichte Dachaus erstmals umfangreich dargestellt. Zu einzelnen Themen, Musikern und Komponisten wurden in den letzten Jahren weitere Publikationen veröffentlicht, wie zur Musik im Konzentrationslager Dachau oder dem Komponisten Aloys Fleischmann.
Aloys Fleischmann (1880 – 1964) Kirchenmusiker, Komponist und Musikpädagoge:
Aloys Fleischmann wurde 1880 als Sohn des Schuhmachermeisters Alois und seiner Frau Magdalena in Dachau geboren. Der sehr begabte Dachauer studierte an der Königlichen Akademie der Tonkunst in München und trat bereits mit 21 Jahren die Stelle des Chorregenten und Organisten an der Kirche St. Jakob an. Er gründete eine Musik- und Singschule, mit der er 1902 ein Krippenspiel aufführte, dem weitere zahlreiche erfolgreiche Aufführungen folgten. Unterstützt wurde er von Dachauern Künstlern und der Brauereifamilie Ziegler.

Überregional bekannt wurde er durch seine Komposition „Nacht der Wunder“ von 1905. Nach seiner Heirat mit der deutsch-irischen Pianistin Tilly Swertz zog er nach Irland, wo er in Cork als Domkapellmeister tätig war. „Sein Wegzug hinterließ eine große Lücke“, schrieb Ursula K. Nauderer dazu im Ausstellungskatalog zur Ausstellung „Musik in Dachau“. 2010 wurde ihm größere Aufmerksamkeit im Rahmen der Ausstellung „Aloys Fleischmann. Von Bayern nach Irland - Ein Musikerleben zwischen Inspiration und Sehnsucht“ zuteil. Begleitende Konzerte gaben Einblick in sein musikalisches Werk und am ehemaligen Elternhaus des Musikers in der Wieningerstraße 22 wurde eine Gedenktafel angebracht. Die Grabstelle der Familie besteht nicht mehr.
Hans Neumeyer (1887 – 1944) Komponist und Musikpädagoge:
Hans Neumeyer wurde als Sohn einer alteingesessenen jüdischen Familie am 13. September 1887 in München geboren. Eine Augenkrankheit führte zu seiner frühen Erblindung mit 14 Jahren. Sein Studium an der Musikakademie in München schloss er 1913 ab. Anschließend unterrichtete er Akustik und Improvisation in der ehemaligen „Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus“ in Hellerau bei Dresden und lernte dort seine Frau Vera Ephraim kennen. 1915 gründete er zusammen mit Valeria Cratonia die Jaques-Dalcroze-Schule in München und unterrichtet dort einige Jahre. Nach seiner Heirat mit Vera 1920 zog Hans Neumeyer in das Haus Nr. 10 in der damaligen Hindenburgstraße, der heutigen Hermann-Stockmann-Straße. Hier wurden die beiden Kinder Ruth und Raimund geboren. Trotz seiner Sehbehinderung war Neumeyer ein begabter Musiker und Komponist. Eine Berufung als Lehrer an die Musikhochschule in München wurde aufgrund der neuen restriktiven antijüdischen Gesetze zurückgezogen.
In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde die Familie aus ihrem Haus vertrieben. Die Kinder kamen mit einem Kindertransport nach England und überlebten den Krieg. Die Eltern starben im Konzentrationslager, Hans Neumeyer an den Folgen einer Tuberkuloseinfektion in Theresienstadt, Vera Neumeyer vermutlich im Ghetto Piaski. Die Stolpersteine vor ihrem ehemaligen Wohnhaus werden jedes Jahr bei einer Gedenkveranstaltung gepflegt. 2018 besuchten die Enkel Stephen und Tim Locke Dachau und sprachen bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht im Rathaus von Dachau.
Anton Goldhofer (1901 – 1975) Geiger, Komponist und Lehrer in Dachau:
Anton Goldhofer wurde 1901 als Kind des Oberweichenwärters Andreas und seiner Frau Maria geboren. Er lernte beim Dachauer Chordirektor Georg Hablitzel Geige und wurde bereits als Jugendlicher Mitglied des Kirchenchors St. Jakob. Ab 1920 wirkte er als Volksschullehrer, später als Gymnasiallehrer. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit nahm er das Studium der Violine an der Münchner Musikhochschule auf, war in der Meisterklasse Felix Berber und machte 1924 seinen Abschluss. Bis 1932 war er Erster Geiger im Nationaltheater, dann verließ er Dachau und war Kriegsteilnehmer. Nach dem Krieg entstand eine große Zahl an Kompositionen: Messen, Requiems, Chorwerke, Vertonungen von Gedichten. Ab den 50er Jahren war Goldhofer wieder als Lehrer tätig und leitete Schulchöre und -orchester. 1954-66 unterrichtete er am Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasium. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Kompositionen nicht gespielt. Erst nach seinem Tod 1975 kamen auf Initiative seiner Witwe einige seiner Werke erstmals zur Aufführung - so 2005 unter anderem im Rahmen der 1200-Jahrfeier der Stadt Dachau ein Requiem in St. Jakob. Sein Grab mit einer Künstlerplakette befindet sich im Alten Friedhof in Dachau.
August-Peter Waldenmaier (1915 – 1995) Musiker, Chorleiter und Komponist:
Der Musiker wurde als Sohn des Dachauer Kapellmeisters Gustl Waldenmaier, Mitglied der „Original Dachauer Bauernkapelle“ und seiner Frau Katharina geboren. Seinen Unterricht erhielt er zunächst beim Dachauer Privatmusiklehrer Max Berkauf. Anschließend besuchte er die Münchner Musikhochschule um Klavier, Komposition, Dirigieren und Chorleitung zu studieren. 1942 arbeitete er als Chorleiter an der Semper-Oper in Dresden. Nach dem Krieg kehrte er nach Dachau zurück und organisierte Konzerte mit Dresdner Opernsolisten. 1946 gründete er im Dachauer Schloss eine Opernbühne, für die er die arbeitslosen Ensembles der Münchner Opernhäuser verpflichtete.

Ein Jahr später löste sich der Betrieb wieder auf, als in München sowohl das Gärtnerplatztheater als auch das Prinzregententheater wiedereröffnet wurden. Die von ihm veranstalteten Konzerte begründeten die Tradition der bis heute stattfindenden Schlosskonzerte. 1948 -1960 arbeitete Waldenmaier für den Bayerischen Rundfunk als Aufnahmeleiter für die „Gehobene Unterhaltungsmusik“. 150 Kompositionen entstanden und über 1200 Arrangements im Bereich der Chor-, und Orchestermusik, Oper und Operette, geistlicher und Unterhaltungsmusik. Waldenmaier ist Träger des Goldenen Ehrenrings der Stadt Dachau. Sein Nachlass ist in der Bayerischen Staatsbibliothek. In der Kulturwerkstatt in Olching wurde ein Raum nach ihm benannt. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in Dachau.

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