Augsburg - Nicolas ist 13 Jahre alt. Er hat Down-Syndrom. Nicolas hat im Moment ein Ziel: Er möchte in der Gastronomie arbeiten. „Er übt schon fleißig in der Küche”, erzählt seine Mutter Karin Lange. Sie ist Vorsitzende des Vereins „Eins mehr”, dem rund 100 Familien von Kindern mit Down-Syndrom angehören. Weil es für diese jungen Menschen später schwierig sein wird, einen Job auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, setzt der Verein nun eine Idee um: Er will ein Inklusionshotel eröffnen.
22 Stellen möchte der Verein in diesem Hotel schaffen, elf davon für Menschen mit Down-Syndrom oder einer anderen Behinderung. „Wir sind damit einer der ersten Inklusionsbetriebe, der auch Menschen mit geistiger Behinderung anstellt”, sagt Projektkoordinator Jochen Mack. Ein weiteres ist jenes Hotel, das den Augsburgern als Vorbild dient: das „Stadthaushotel” in Hamburg.
So wie das Gästehaus in der Hansestadt soll laut Mack auch die Unterkunft des Vereins gewöhnliche Hotelstandards erfüllen. Freilich erwarten die Vertreter von „Eins mehr” eine besondere Atmosphäre, mehr Austausch zwischen Gästen und Personal. Zu dick auftragen wolle man jedoch nicht, sagt Mack, „sonst stößt das schnell ab”.
Was der Verein jetzt braucht, ist Geld. 25 000 Euro Startkapital benötigt der Verein, um unter seinem Dach eine gGmbH zu gründen. Was er im nächsten Schritt braucht, ist Geld. „Einen hohen sechsstelligen Betrag”, präzisiert Mack und schiebt hinterher, „wenn ich hoch sage, dann meine ich hoch”. Für Betten und Bäder etwa muss der Betreiber selbst aufkommen, auch wenn „Eins mehr” sich in ein Gebäude einmieten will.
Zumal die Personalkosten höher würden als gewöhnlich, erwartet Mack. Schließlich stelle man nicht ausnahmslos voll ausgebildete Hotelfachkräfte ein. „Auch die Abläufe müssen sich erst einspielen”, erläutert Mack.
Deshalb sucht der Verein nun Spender. Für das Startkapital gilt die Rechnung: Jede Mitgliedsfamilie findet zehn Personen, die 25 Euro stiften. Mack appelliert jedoch auch: „Es ist nicht Aufgabe der Eltern von Menschen mit Behinderung allein, Inklusion zu betreiben. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.”
Denn, je mehr zusammenkommt, desto besser: Überschüsse fließen bereits in jenen wirklich hohen sechsstelligen Betrag. Mack ist überzeugt, dass die angehenden Hoteliers diese Summe stemmen werden, auch weil das Projekt „bundesweit Furore machen wird”.
Einen Businessplan hat der Verein bereits erstellt, dabei half die „Aktion Mensch” mit 15 000 Euro. Nachdem klar war, dass das Hotel sich wirtschaftlich tragen kann, gingen Mack und Co. auf Immobiliensuche. Mit dem Vermieter eines Objekts im Augsburger Westen führe man „relativ konkrete Gespräche”, verrät der Projektkoordinator. Mehr wolle er nicht preisgeben, nur noch so viel: Der Verein erhofft sich durch die Lage viele Gäste aufgrund der Uniklinik.
50 Zimmer soll die Unterkunft einmal haben, hinzu kommen 15 Räume, die für längerfristige Aufenthalte zu mieten sind. Im Frühjahr 2019 ist Baubeginn, geht es nach Mack und Lange, soll das „Hotel Eins mehr”, wie es einmal heißen wird, am Weltdownsyndromtag, dem 21. März, 2020 eröffnen.
Ein Jahr zuvor soll ein Hoteldirektor eingesetzt werden, eine externe Agentur ist für das Personal zuständig. „Die Eltern sind nicht operativ eingebunden”, betont Lange. Und auch deren Kinder würden nicht bevorzugt übernommen. „Wir machen das nicht, um Arbeitsplätze für unsere Kinder persönlich zu schaffen”, sagt Mack, der selbst Vater eines Kindes mit Down-Syndrom ist. „Wir wollen zeigen: Es geht auch, dass Menschen mit geistiger Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt angestellt werden.”
Der 13-jährige Nicolas ist auf einem guten Weg dorthin. Er hat bereits zwei Schüler-Praktika in der Betriebsküche der LEW absolviert. „Die sagen, er darf jederzeit wiederkommen”, erzählt Karin Lange. „Der Chef lobt, er habe noch keinen Mitarbeiter erlebt, der drei Stunden am Stück bei der Nudel-Ausgabe so höflich ,Guten Appetit' sagte” (Von David Libossek)