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Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 15.06.2023 09:29

Hospizarbeit als Zentrum der Gesellschaft: Fortbildung der Caritas-Hospizgruppen im Bistum Augsburg

Professor Reimer Gronemeyer fordert einen „Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen”. (Foto: Caritas Augsburg / Bernhard Gattner)
Professor Reimer Gronemeyer fordert einen „Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen”. (Foto: Caritas Augsburg / Bernhard Gattner)
Professor Reimer Gronemeyer fordert einen „Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen”. (Foto: Caritas Augsburg / Bernhard Gattner)
Professor Reimer Gronemeyer fordert einen „Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen”. (Foto: Caritas Augsburg / Bernhard Gattner)
Professor Reimer Gronemeyer fordert einen „Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen”. (Foto: Caritas Augsburg / Bernhard Gattner)

Im Sterben spitzt sich nicht nur das Leben eines Menschen zu. Hier zeigt sich auch, welchen Wert eine Gesellschaft dem einzelnen Menschen zuspricht. Seit mehr als 30 Jahren setzen sich die 23 Hospizvereine und –gruppen in der Caritas im Bistum Augsburg für ein würdevolles Sterben ein. Doch nun spreizen sich Entwicklungen in diese Bewegungen hinein, die ihre Arbeit in noch unbekanntem Ausmaß verändern könnten. Der Klimawandel bringt heiße Sommer mit Temperaturen jenseits der 40-Grad-Marke, Kriege in der Ukraine und anderen Ländern, die nicht nur die Erinnerungen alter Menschen an schreckliche Erlebnisse wecken, sondern auch das Miteinander in der Gesellschaft beeinflusst, sowie die schwierige personelle Situation in der Pflege rütteln an dem Ziel der Hospizarbeit, in der Begleitung die Würde und Einzigartigkeit eines Menschen zur Geltung zu bringen. Wie soll es trotzdem weitergehen kann, damit haben sich kürzlich rund 150 haupt- und ehrenamtliche Hospizkoordinatoren bei ihrem alljährlichen Fortbildungstag in Augsburg auseinandergesetzt.

„In Krisen sind die Schwächsten immer die ersten, die zu leiden haben”

Professor Reimer Gronemeyer, Theologe, Soziologe, Alters- und Demenzforscher sowie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes, wehrte sich gegen eine Institutionalisierung, Ökonomisierung und Projektierung des Sterbens durch Planungsversorgungen und Optimierungen. „Ich will nicht, dass am Ende meines Lebens etwas steht, was ich nicht will und meiner Bestimmung als Mensch widerspricht“, so der emeritierte Professor aus Gießen. Mit großer Sorge beobachte er die sich zuspitzende Klimakrise, „die unsere Gesellschaft auf den Kopf stellen wird“. Alte und schwache Menschen hätten unter den hohen Temperaturen im Sommer besonders zu leiden. „Werden wir es beobachten müssen, dass sie dem durch den Tod entfliehen wollen?“ Die Gesellschaft dürfe sich dabei nichts vormachen. „In Krisen sind die Schwächsten immer die ersten, die zu leiden haben. Die Corona-Krise ist ein gutes Trainingsbeispiel für das, was auf uns zukommt.“

Auch für die Pflege konnte Gronemeyer kein hoffnungsvolles Bild zeichnen. In seinen Augen sei es falsch, nur von Pflegenotstand zu sprechen. „Wir erleben eine Pflegekatastrophe“, ist er überzeugt. Schon jetzt machten sich Überlegungen in den Einrichtungen und Diensten der Altenhilfe breit, das Angebot herunterzufahren, weil sie wegen des Personalmangels nicht aufrechterhalten werden könnten. „Diese Pflegekatastrophe droht auf die Hospizarbeit überzuschwappen“, befürchtet er. Der Grund: Auch das Ehrenamt gehe zurück, auch wenn die Hospizarbeit noch nicht von dieser Ausdünnung betroffen zu sein scheine.

Die Sicherheit der Wohlstandsgesellschaft sei vorbei. Auch die Hospizarbeit könne sich nicht immer ihrer finanziellen Förderung sicher sein. Projektierungen des Sterbens vor dem Hintergrund mangelnden Personals und mangels gesicherter Finanzierungen dürften aber nicht die Antwort darauf sein. Im Gegenteil: „Die Hospizarbeit ist das Zentrum der Gesellschaft, wo Wärme und Zuwendung am deutlichsten spürbar wird“, so Gronemeyer. So stehe die Hospizarbeit an der Grenze zu einer Zeitenwende. „Es wird nicht so weitergehen“, ist sich der Professor sicher. Die Sicherheit der vergangenen Jahrzehnte sei aufgebrochen. Wenn die Gesellschaft die Würde des Alterns und Sterbens im Sinn der Hospizarbeit sichern wolle, gibt es laut Gronemeyer nur eine Antwort: „Wir brauchen einen Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen. Wir müssen Innehalten und beginnen zu begreifen, dass wir es ohne einen Aufbruch der Gesellschaft zu ehrenamtlichen Engagement nicht schaffen werden, uns den Herausforderungen zu stellen. Wir brauchen einen Aufbruch, wo der Nachbar zu seinem Nachbar sagt ,Brauchst Du Hilfe?'”

Wie die haupt- und ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter sich ihren täglichen Herausforderungen stellen können, dem widmete sich der Nachmittag des Fortbildungstages für die Hospizgruppen. Christine Fricke vom Diözesan-Caritasverband ging auf die Frage ein, wie Menschen mit sogenannter geistiger Behinderungen hospizlich begleitet werden müssten. Elisabeth Hill vom St. Vinzenz-Hospiz in Augsburg stellte ihre Therapie mit Klangschalen zur Zentrierung und für ein Wohlgefühl vor. Johanna Nientiedt sprach über die für die meisten Menschen so prägenden, aber auch für die meisten unaussprechlichen Nahtoderfahrungen. Die Theologin Gudrun Theurer widmete sich der besonderen und neuro-biologisch bewiesenen Bedeutung des „Am-Bett-Sitzens“. Diakon Norbert Kugler warb dafür, den Blick auf das Leben von Corona-Toten nicht auf den Tod durch das Virus zu reduzieren, so schrecklich dieses Erlebnis auch sei.


Von Bernhard Gattner/pca
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