Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Energiewende in Schwaben: Wirtschaftsvereinigung sieht Politik in der Pflicht

Den größten Anteil an erneuerbaren Energien in Schwaben macht aktuell Solarenergie aus.  (Foto: Ute Blauert)
Den größten Anteil an erneuerbaren Energien in Schwaben macht aktuell Solarenergie aus. (Foto: Ute Blauert)
Den größten Anteil an erneuerbaren Energien in Schwaben macht aktuell Solarenergie aus. (Foto: Ute Blauert)
Den größten Anteil an erneuerbaren Energien in Schwaben macht aktuell Solarenergie aus. (Foto: Ute Blauert)
Den größten Anteil an erneuerbaren Energien in Schwaben macht aktuell Solarenergie aus. (Foto: Ute Blauert)

Wie eine wirtschaftsverträgliche Energiewende gelingen kann, das war das Thema eines Pressegesprächs, zu dem die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft am Dienstag geladen hatte. Gestützt auf regionale Zahlen ging es vor allem um den aktuellen Stand in Schwaben und die Herausforderungen, für die bereits jetzt die richtigen Weichen gestellt werden müssen.

Damit die Energiewende gelingen könne, müssten fossile Brennstoffe komplett durch erneuerbare ersetzt werden, gleichzeitig müssten weiterhin Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit gewährleistet werden, erklärte Philipp Erwein Prinz von der Leyen, Vorsitzender der vbw Bezirksgruppe Schwaben, zu Beginn. Schwaben stehe dabei aktuell im bundesweiten Vergleich nicht schlecht da. Während in ganz Deutschland der Anteil erneuerbarer Energien 2019 bei 42 Prozent lag, waren es in Schwaben 56,2 Prozent. Der größte Anteil stamme aus Solarenergie (19 Prozent), dicht gefolgt von Wasserstoff (18 Prozent) und Biomasse (16 Prozent). Trotz dieser laut von der Leyen „vorzeigbaren Werte” werde die Bilanz durch jüngere Ausbauzahlen getrübt, besonders im Bereich der Windenergie. Gerade mal vier Windanlagen wurden seit 2018 in Schwaben gebaut. Gleichzeitig gehen jedoch die bisherigen Kraftwerke nach und nach vom Netz, die bislang die Versorgung gesichert haben. Block C in Gundremmingen etwa soll zum Jahreswechsel abgeschaltet werden.

Hinzukomme, dass der Strombedarf in den kommenden Jahren zunehmen werde. Allein weil auch andere Bereich wie Wärme und Elektromobilität Teil der Energiewende sein sollen. „Aber – und das stimmt zuversichtlich – das Potenzial für eine notwendige Ausbauoffensive ist da. Der Energie-Atlas Bayern beziffert allein für Schwaben aus Solar- und Windenergie ein technisches Potenzial von rund 16,95 Terrawattstunden pro Jahr, das entspräche 147 Prozent des 2019 in Schwaben benötigten Stroms”, veranschaulicht von der Leyen.

Obwohl das Potenzial also da sei, trete man auf der Stelle, kritisiert von der Leyen und zählt im Folgenden die Bereiche auf, die man dringend angehen müsse. Dabei sieht er vor allem die Politik in der Verantwortung. Mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze, fordert er etwa und besonders den Abbau bürokratischer Hürden. Zudem müsse der Strompreis sinken, sagt von der Leyen und fordert auch hier die Politik auf, für die nötigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Diese sind aus seiner Sicht die Bezuschussung der Netzentgelte, die Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum von 0,1 Cent und die Streichung der EEG-Umlage. Zusätzlich zu erneuerbaren Energien seien zudem weitere Maßnahmen notwendig, um Klimaneutralität zu erreichen, sagt der Schwaben-Vorsitzende der vbw, etwa der Ausbau der Strom- und Gas-Netze, mehr Speicherkapazitäten und Energieeffizienz oder grüner Wasserstoff. Und schließlich brauche es auch auf internationaler Ebene die richtigen Weichenstellungen und Kooperationen. Die EU müsse eine international einheitliche CO2-Bepreisung vorantreiben, es müsse Partnerschaften geben, um die Rohstoffversorgung sicherzustellen.

Neben der Politik müsse aber auch die Gesellschaft mitziehen, fordert von der Leyen. Im Freistaat seien mindestens 22 Ausbauprojekte durch Bürgerbegehren verhindert worden. Dass die Umrüstung auf erneuerbare Energien nicht überall auf Zustimmung stößt, hat auch der Günzburger Landrat Hans Reichhart bereits erlebt. Über den Windkraftanlagen im Jettinger Forst etwa seien „Freundschaften zerbrochen”. Solche Entscheidungen erforderten Fingerspitzengefühl. „Wir müssen das richtige Maß finden”, sagt Reichhart, „und Entscheidungen fällen, die jeder mittragen kann, auch wenn es vielleicht Bauchschmerzen macht.”

Generell könne die Herausforderung Energiewende nur gemeinsam bewältigt werden, so Reichhart. Jeder müsse in seinem Bereich das Beste tun. „Wir könnten uns in den Zahlen in Schwaben sonnen, wir sind gut aufgestellt. Aber nur mit dem Finger auf andere zu zeigen macht uns nicht besser.” Stattdessen, bestätigt auch der Landrat, brauche es politisch neue Weichen. Die größten Herausforderungen sieht er in den Bereichen Bauen und Wohnen sowie im Verkehr. Nach aktuellen Prognosen werde die E-Mobilität bis 2030 zunehmen. Ob das tatsächlich so kommen wird, hänge nicht nur von Unternehmen und Nutzern ab, sondern auch von der Politik, die schon jetzt eine umfassende Ladestruktur schaffen müsse. Beim Thema Bauen und Wohnen gelte es vor allem bürokratische Hürden abzuschaffen. „Wenn sechs oder sieben Fachstellen an einer Entscheidung beteiligt sind, hat immer eine Bedenken”, sagt Reichhart. „Wir müssen raus aus dieser Komplexität.”

Für Wirtschaft und Politik gelte es nun, neben den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie auch die jetzt anstehenden Entscheidungen für die Energiewende nicht aus den Augen zu verlieren. Wie Reichhart sagt, das „Tagesgeschäft beschäftigt den Staat derzeit sehr”. Die Wirtschaft hingegen wird aktuell vor allem durch Materialmangel ausgebremst. Laut einer vbw-Umfrage der bayerischen Metall- und Elektrobetriebe seien 99 Prozent der Unternehmen in Schwaben durch Produktionsbehinderungen beeinträchtigt, 40 Prozent sogar stark.


Von Kristin Deibl
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