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Aichacher Zeitung LogoDrei Möhren statt „Drei Mohren”? Petition der Amnesty Jugendgruppe fordert Umbenennung des Steigenberger Hotels | Aichacher Zeitung

Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Drei Möhren statt „Drei Mohren”? Petition der Amnesty Jugendgruppe fordert Umbenennung des Steigenberger Hotels

Die drei Namensgeber des Hotels zieren die Fassade. Auch im Hotel ist das Logo in stark stilisierter Form präsent. (Foto: Laura Türk)
Die drei Namensgeber des Hotels zieren die Fassade. Auch im Hotel ist das Logo in stark stilisierter Form präsent. (Foto: Laura Türk)
Die drei Namensgeber des Hotels zieren die Fassade. Auch im Hotel ist das Logo in stark stilisierter Form präsent. (Foto: Laura Türk)
Die drei Namensgeber des Hotels zieren die Fassade. Auch im Hotel ist das Logo in stark stilisierter Form präsent. (Foto: Laura Türk)
Die drei Namensgeber des Hotels zieren die Fassade. Auch im Hotel ist das Logo in stark stilisierter Form präsent. (Foto: Laura Türk)

Das Hotel „Drei Mohren“ ist eine der prestigeträchtigsten Übernachtungsmöglichkeiten der Stadt. Es liegt direkt im Zentrum, in der vielbesuchten Maximilianstraße, durch die untertags Touristen und Einkäufer schlendern und am späten Abend Partyfreunde von einer Bar zur nächsten wandern.

Es ist eine Straße, die jeder Augsburger kennt, und fast jeder Besucher zu sehen bekommt. Das Hotel verspricht auf seiner Internetseite „gehobenen Komfort, der keine Wünsche offen lässt“ – Ein Hotel also, das Anspruch auf Qualität erhebt. Die Fassade zieren die Köpfe der drei Namensgeber.

Auch innerhalb des Hotels sei das Logo in stilisierter Form omnipräsent, kritisiert Claas Henschel, der am Lehrstuhl für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg arbeitet, und im Bereich Sklaverei, Kolonialismus und Dekolonialisierung forscht. „Und es ist hochgradig bedenklich: Die stilisierte Darstellung im Seitenprofil, gekennzeichnet durch übertrieben dicke Lippen, krauses Haar und eine tiefschwarze Hautfarbe knüpft stark an rassistische Darstellungen aus der Zeit der Sklaverei und der Rassentrennung an.“ Damit sei diese Darstellung aufgrund ihres historischen Hintergrunds entindividualisierend und herabwürdigend.

Und dann ist da noch der Name, der prominent auf dem Gebäude prangt, und gegen den die Jugendgruppe Amnesty Augsburg nun eine Petition gestartet hat: Augsburg als Friedensstadt müsse sich auch mit der Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus, der bis heute die Sprache und Vorstellungswelten präge und sich in Alltagsrassismus niederschlage, befassen. „Ein Vorschlag unsererseits wäre, ausschließlich den Namen „Steigenberger“ zu verwenden oder ein Zeichen zu setzten, indem sich die Geschäftsleitung bewusst für den Namen ’Drei Möhren’ entscheidet“, so die Forderung der Jugendgruppe.

Der Name fällt wohl den meisten Augsburgern gar nicht negativ auf: Das Hotel heißt halt so, irgendwie hat man sich daran gewöhnt, und überhaupt, das Wort „Mohr“ ist ja nicht negativ besetzt. Oder doch? Rund 270 Leute haben die Petition seit dem 20. Juli unterschrieben, darunter nicht nur Augsburger. „Der Name ist überholt“, begründet ein Unterstützer. „Auch wenn manche junge Menschen den Begriff ,Mohr’ gar nicht kennen, ist er doch diskriminierend und nicht mehr zeitgemäß.“ Er schäme sich, wenn er ausländische Freunde durch die Maxstraße führe oder ihnen das Hotel empfehle, und sie ihn überrascht fragten, „ob das ein Scherz ist“. Manchmal sei es wichtig, innovativ und nicht nur traditionsbewusst zu sein, um in der jeweiligen Zeit gute Impulse zu geben.

Warum er die Bezeichnung „Mohr“ als rassistisch einstuft, erklärt Claas Henschel: Erstens sei es keine selbstgewählte, sondern eine Fremdbezeichnung, sie grenze deshalb diejenigen, die damit bezeichnet werden, immer als „das Andere“ aus, das, was nicht dazugehört. Historisch betrachtet sei das Wort „Mohr“ teils positiv, teils negativ verwendet worden. Entscheidend sei aber, dass es heute nicht mehr benutzt werde, um tatsächliche Menschen zu bezeichnen. „Der Begriff beschreibt ein Klischee, einen Stereotyp, der nichts mit realen Personen zu tun hat“, sagt Henschel.

Nicht zuletzt werde der Begriff mit Elementen des Dienerseins in Zusammenhang gebracht, erklärt die Gruppe „Augsburg Postkolonial“: „Dies zeigt sich in zahlreichen Dienerfiguren in Läden und Lokalen, oder auch in dem schillerschen Sprichwort ’Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan’“. Es könne zwar sein, dass der Begriff einmal neutral genutzt wurde, doch die Diskussion müsse sich um die heutige Sprachverwendung drehen. „Idiot“ und „Weib“ seien auch ursprünglich neutrale Worte mit anderen Konnotationen oder Bedeutungen gewesen, ihren beleidigenden Charakter würde man heutzutage jedoch weniger in Frage stellen, fügen sie hinzu.

Der Kolonialismus habe für Augsburg große Bedeutung gehabt, macht Claas Henschel deutlich. Sowohl die Familie Fugger als auch die Welser seien an der Kolonisation Südamerikas und der Karibik im 16. Jahrhundert beteiligt gewesen: Die Fugger betrieben Zuckerplantagen in Brasilien, welche von Sklaven bewirtschaftet wurden, und waren Lieferanten für Kupfer und Zinn, das in Westafrika gegen Sklaven eingetauscht wurde. Die Welser betrieben Plantagen auf der Karibikinsel Santo Domingo und handelten zeitweise aktiv mit Sklaven. Außerdem wurde ihnen von Karl V. von 1528 bis 1545 ein Gebiet verpfändet, welches etwa dem heutigen Venezuela entspricht. Dieses sollte auch Gewinn abwerfen, weswegen sich die Familie auf die Versklavung der indigenen Bevölkerung und die Suche nach Goldschätzen im Stile El Dorados konzentrierte. Das Vorgehen der Welser sei sogar von Zeitgenossen schon als besonders grausam und gierig verdammt worden.

Die Gruppe Augsburg Postkolonial hat es sich zur Aufgabe gemacht, „den Blick auf lokale Ausformungen postkolonialer Verhältnisse zu richten“. Dazu gehöre auch die Thematisierung von institutionellem Rassismus und Auseinandersetzung mit Denkmustern, die im kolonialen Zeitalter geprägt wurden. Die Gruppe erzählt, sie habe innerhalb ihrer Mitglieder schon öfter über den Namen des Hotels diskutiert, und sei sich den Umgang diesbezüglich nie ganz einig geworden. Die Petition würden sie aber weitestgehend unterstützen: „Wir sehen die Aktion als Möglichkeit der Sensibilisierung und Thematisierung von Alltagsrassismus.“

Es sei dabei klar, dass mit einer Umbenennung Rassismus nicht aus der Gesellschaft verschwinde, und das Hotel auch nicht für den existierenden Rassismus in der Gesellschaft verantwortlich zu machen sei. „Es ist aber sicherlich positiv, dass auf die Thematik hingewiesen wird“, fassen sie zusammen. „Die Petition schafft eine Grundlage zur Auseinandersetzung und Debatte. Wir hoffen aber, dass diese konstruktiv verläuft und nicht diffamierend oder kontraproduktiv wirkt.“ Die Gruppe wünscht sich, dass die Hotelleitung überlegt „ob es in einer globalisierten Welt wirklich sinnvoll ist, sich als ’Erstes Haus am Platz’ mit einem derartigen Namen und Logo zu positionieren“.

Das Hotel selbst weist in einer Stellungnahme auf die historische Entwicklung des Namens hin. Dieser basiere auf der Legende von dre abessinischen Mönchen, die im Jahr 1495 in Augsburg überwintert haben sollen. Abessinien sei auch die Heimat des heiligen Mauritius gewesen, der im Mittelalter einer der zentralen Heiligen des Römischen Reichs war. „Die besondere Bedeutung des Heiligen Mauritius erklärt, warum in vielen Stadtwappen die sogenannten ’Mohren’ zu finden sind“, so das Unternehmen. „Dementsprechend wird der Name unseres Hotels keineswegs abwertend verwendet, sondern hebt vielmehr die Tradition der Legende um den Heiligen Mauritius hervor.“

Die Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/umbennenung-des-hotels-drei-mohren-in-augsburg


Von Laura Türk
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