Der zentrale historische Ort im Landkreis Aichach-Friedberg ist der Oberwittelsbacher Burgplatz, und die Burg, auch wenn sie schon Anfang des 13. Jahrhunderts zerstört wurde, ist die Keimzelle des Wittelsbacher Landes. Das ist in mehrfacher Hinsicht ein Land der Burgen, der Schlösser und der Burgställe, wie das neue Buch Dr. Hubert und seiner Frau Gabriele Raab eindrücklich zeigt.
73 der Befestigungs- und Repräsentationsbauten haben sie in jahrelanger Forschungsarbeit besucht, e besucht und beschrieben. Eine ungewöhnlich große Zahl, die das Wittelsbacher Land zu einem Sonderfall macht. Diese besondere Situation mit vielen kleinen Adelssitzen hat mit der Keimzelle in Oberwittelsbach zu tun, beziehungsweise mit ihrem Geschlecht, den Wittelsbachern und deren Aufstieg.
Die Wittelsbacher hätten nach dem Umzug von Scheyern nach Oberwittelsbach im Jahr 1115 besonders viele kleine Adelige an sich gebunden und unter anderem mit dem Recht, eine Burg zu bauen, ausgestattet. Damit wurde die Herrschaft über die rein personalen Beziehungen territorial gesichert. Die heute oft zumindest noch als Burgställe erkennbaren kleinen Bauten hält Dr. Hubert Raab für einen der Gründe, warum sich die Wittelsbacher ihre Macht sichern und sich gegen andere Geschlechter, wie etwa die Andechs-Meranier, durchsetzen und ihre für Bayern überragende Bedeutung erhalten konnten. Und mit der Burg in Oberwittelsbach hatte das multipolare Herrschaftsgeflecht einen zentralen Bezugspunkt.
In seiner Anlage und Konzeption folgt das neue Buch des Ehepaars einem bekannten und erfolgreichen Muster: kompakte, konzentrierte, historisch fundierte Texte, viele Bilder, dazu schaurige und schöne Sagen, Anekdoten und Geschichten aus der Geschichte und schließlich ein Wanderführer als kleines Begleitbuch. Die Wanderführer sind das besondere Merkmal aller fünf Bücher, die die Raabs mittlerweile mit dem Augsburger Wißner-Verlag und mit Unterstützung des Landkreises Aichach-Friedberg gemacht haben. Die Wanderungen sind genau beschrieben und von den Verfassern selbst, meist mehrfach, abgegangen. In den Büchern steckt also nicht nur viel geistige, sondern auch körperliche Anstrengung.
Die Arten und Typen der beschriebenen Burgen und Schlösser sind höchst vielfältig. Es Beispiele des „Urtyps“ der Burg, der Flieh- oder Fluchtburg. Entstanden im 10. Jahrhundert als Reaktion auf die Ungarneinfälle, gab es sie in Wagesenberg, Todtenweis oder Burgadelzhausen.
Später, ab dem 11. Jahrhundert, sind die aus der Normandie stammenden Turmhügelburgen im Wittelsbacher Land zu finden. Sie hatten verschiedenste Funktionen, Beispiele sind in Stunzberg oder Bachern oder der Klingsberg bei Oberwittelsbach. „Fast alle dieser Turmhügelburgen sind bei uns verschwunden, entweder weil die Adelshäuser ausstarben oder weil der Kleinadel zur Bedeutungslosigkeit herabsteig“, schreiben die Verfasser.
Die größeren Grafen- und Herzogsburgen, etwa die in Friedberg, wurden im Spätmittelalter dann oft in Schlösser umgewandelt. Andere Schlösser, wie die in Pöttmes, Haslangkreit oder Schmiechen, wurden von reichen Häusern errichtet. Die unterschiedlichen Phasen des Burgenbaus und der Entwicklung zeichnet das Buch detailliert und anschaulich an den einzelnen Beispielen nach. Sie zusammen geben ergeben eine historische Gesamtperspektive auf das „Burgenland“ Wittelsbacher Land. Genau das war das Anliegen der Verfasser.
Es sei ein Ziel gewesen, eine Kulturlandschaft in all ihren vielfältigen Facetten zu erfassen und zu beschreiben, sagte der Kreisheimatpfleger und Historiker Hubert Raab bei der Vorstellung des Buches, das in einer Reihe mit seinen Vorgängern zu sehen ist. Mittlerweile liegen zwei Bände mit Spurensuchen im Wittelsbacher Land, je einer über Kapellen und über Pilgerwege und nun das Burgenbuch vor. Zusammen stellen sie eine fünfbändige Landschafts- und Kulturgeschichte des Wittelsbacher Landes dar. Wobei der letzte Teil der Reihe aus Sicht von Gabriele Raab der schwierigste und aufwändigste gewesen sei. „Darin stecken 30 Jahre Forschungsarbeit“, berichtete sie. Dabei verschweigen die Raabs nicht, dass sie auch auf die Arbeiten des verstorbenen Burgenforschers (und Freundes) Helmut Rischert zurückgegriffen und von ihnen profitiert haben.
Ist damit aber das ehrgeizige Projekt vollständig umgesetzt und abgeschlossen? Hubert Raab selbst deutete das an, aktuell gebe es keine neuen Projekte und Pläne. So recht glauben wird dem Forscherehepaar das allerdings wohl niemand so recht.

Gabriele und Hubert Raab: Schlösser, Burgen, und Burgställe im Wittelsbacher Land. Wißner Verlag Augsburg, 192 Seiten, 370 Fotos und Karten, 24,80 Euro.