Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Augsburger Umweltausschuss blockt Atom-Beschluss ab

Ein Virus im AKW-Computer, die Verlängerung des Atommüll-Zwischenlagers, Zwischenfälle in den beiden Reaktorblöcken: Das Kernkraftwerk Gundremmingen produzierte in diesem Jahr nicht nur Strom, sondern auch einige Negativschlagzeilen. Sollte es im AKW zu einem Atomunfall kommen, wäre auch der Großraum Augsburg massiv betroffen, denn die Blöcke B und C liegen nur rund 40 Kilometer Luftlinie von der Fuggerstadt entfernt, und somit in der seit Fukushima von vielen geforderten Evakuierungszone. Die Augsburger Stadtverwaltung formulierte daher eine Resolution für ein früheres Aus des Kernkraftwerks. Die Mehrheit der Stadträte im Umweltausschuss lehnte die Beschlussvorlage in der vergangenen Woche jedoch ab.

Der Beschluss hätte den AKW-Betreiber zum vorzeitigen Abschalten aufgefordert. Beide Blöcke, so hieß es in der Vorlage, sollten bis spätestens 31. Dezember 2017 stillgelegt werden. Für Block B gilt zwar ohnehin nur eine Betriebsgenehmigung bis 2017, Block C soll nach dem aktuellen Atomgesetz allerdings noch bis zum 31. Dezember 2021 am Netz sein.

Viel zu lange, finden etwa die Augsburger Grünen. „Die Blöcke B und C in Gundremmingen gehören zu den ältesten und störanfälligsten Reaktoren in Deutschland”, mahnt Fraktionsvorsitzende Martina Wild. „Es handelt sich um Siedewasserreaktoren wie in Fukushima.” In Folge des Atomunglücks vor fünf Jahren in Japan wuchs auch in der Augsburger Stadtpolitik die Anzahl jener, die sich wegen der Nähe zu Gundremmingen sorgten. Unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe forderte der Stadtrat in einer Resolution, die Sicherheit des Kraftwerks und des dortigen Zwischenlagers für Atommüll neu zu prüfen und die Notfallpläne entsprechend zu aktualisieren. Mit einem erneuten Antrag wollten die Grünen diese Resolution nun auf den Prüfstand stellen und Druck auf den AKW-Betreiber ausüben. Doch ein Bündnis aus CSU, CSM und Pro Augsburg – und somit die Mehrheit im Umweltausschuss – spielte nicht mit.

Die Zurückweisung der Vorlage komme einer Aufhebung der 2011 beschlossenen Resolution gleich und das, „obwohl sich an den Sicherheitsbedenken nichts geändert und die Situation sich durch den Terrorismus eher noch verschärft hat”, resümieren die Grünen. Irritierend sei zudem, dass vor der Ablehnung nicht inhaltlich diskutiert wurde. Im Ausschuss meldeten sich lediglich die Befürworter zu Wort. Dass es die Widersacher „nicht einmal für nötig halten”, ihre Ablehnung zu begründen, ärgert Martina Wild. So „verweigert man sich der politischen Auseinandersetzung”.

Der Stadtrat vermittelte jüngst tatsächlich den Eindruck, dass das Kernkraftwerk von nebenan etwas ist, mit dem man sich nur ungern beschäftigt. Schon im September hatte das AKW auf der Tagesordnung des Umweltausschusses gestanden. Die CSU machte „Beratungsbedarf” geltend und setzte durch, dass über jenen Tagesordnungspunkt nicht gesprochen wurde. Auch in der darauf folgenden Stadtratssitzung flog die Beratung über einen Atom-Beschluss von der Tagesordnung.

Dabei hätte es genügend zu reden gegeben. In der gleichen Woche im September tagte etwa der Umweltausschuss des Bayerischen Landtags. Dort ließ man sich über zwei Störfälle aufklären, die sich 2015 in Gundremmingen ereignet hatten. Während Revisionsarbeiten an einem Reaktor war es in Folge eines Druckabfalls im Steuerluftsystem zu einer Schnellabschaltung des anderen Reaktors gekommen. Experten zufolge sei eine Schnellabschaltung bei Siedewasserreaktoren das risikoreichste Manöver überhaupt, da der Druckbehälter enormen Belastungen ausgesetzt wird. In Tschernobyl führte die Übung eines solchen Verfahrens zur Katastrophe. Der zweite Zwischenfall war ein Absturz eines Brennelementebündels, als dieses aus dem Reaktorbecken ins Abklingbecken umgesetzt wurde.

Ende November beschäftigte sich der Umweltausschuss des Landtages dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der Schadsoftware, die im April bei Revisionsarbeiten an Block B auf einem Rechner und auf Wechseldatenträgern gefunden worden war. Immerhin: Laut Bericht des Umweltministeriums soll durch den Virus kein sicherheitsrelevanter Bereich betroffen gewesen sei.

Für die Augsburger Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Kamm ist dies wenig beruhigend. Es sei weiterhin fraglich, „ob wirklich auszuschließen ist, dass über eingeschmuggelte Mikro-Datenträger Schadprogramme in die digitalen Steuersysteme der Reaktoren eingeschleust werden”, sagte sie im Anschluss an die Sitzung.

Sicher sei indes, so sieht es Martina Wild: „Auch ohne Gundremmingen ist in Bayern Netzstabilität und Versorgungssicherheit gewährleistet.”


Von Janina Funk

Redakteurin Augsburg-Redaktion

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