Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Wie viele Tauben verträgt eine Stadt?

Rund um das Schwabencenter ist die Taubenplage besonders groß. Anwohner klagen darüber, dass ihre Balkone mitunter die reinsten Taubenschläge seien. In anderen Stadtteilen funktioniert das „Augsburger Modell” besser.	Foto: Janina Funk
Rund um das Schwabencenter ist die Taubenplage besonders groß. Anwohner klagen darüber, dass ihre Balkone mitunter die reinsten Taubenschläge seien. In anderen Stadtteilen funktioniert das „Augsburger Modell” besser. Foto: Janina Funk
Rund um das Schwabencenter ist die Taubenplage besonders groß. Anwohner klagen darüber, dass ihre Balkone mitunter die reinsten Taubenschläge seien. In anderen Stadtteilen funktioniert das „Augsburger Modell” besser. Foto: Janina Funk
Rund um das Schwabencenter ist die Taubenplage besonders groß. Anwohner klagen darüber, dass ihre Balkone mitunter die reinsten Taubenschläge seien. In anderen Stadtteilen funktioniert das „Augsburger Modell” besser. Foto: Janina Funk
Rund um das Schwabencenter ist die Taubenplage besonders groß. Anwohner klagen darüber, dass ihre Balkone mitunter die reinsten Taubenschläge seien. In anderen Stadtteilen funktioniert das „Augsburger Modell” besser. Foto: Janina Funk

Das „Augsburger Modell“ zur Regulierung der Taubenpopulation gilt bundesweit als Vorbild. Doch die Beschwerden über die Vögel häufen sich.
Sabina Gassner fasst es so zusammen: „Taubenfreunde sind in der Praxis nicht weniger aufwendig als Taubenfeinde.” Sie weiß, wovon sie spricht, denn die Geschäftsführerin des Augsburger Tierschutzvereins betreut gemeinsam mit ihren Kollegen das Projekt zur Regulierung der Taubenpopulation der Stadt. Mit beiden Extremen hat sie dabei zu tun - mit denjenigen, die am liebsten alle Tauben zum Abschuss freigeben würden, und mit denen, die nicht aufhören, die Vögel immer und überall zu füttern.

Am runden Tisch im kleinen Sitzungszimmer des Augsburger Rathauses sitzt Gassner am Dienstag in der vergangenen Woche und stellt dem Ordnungsausschuss der Stadt Augsburg die Arbeit ihres Vereins vor. Die Form des Möbelstücks passt auch im übertragenen Sinne, denn in der Tauben-Frage sind die Fronten verhärtet.

Vor allem bei den Bewohnern des Schwabencenters ist die Wut groß. Nach wie vor verschmutzten riesige Schwärme die Balkone, klagt Anwohner Josef Kränzle. Daran hätte auch der Taubenturm, den die Stadt im vergangenen Frühjahr aufstellte, nichts geändert. Im Gegenteil: Die „Taubenhaltung des Tierschutzvereins der Stadt Augsburg in einem Wohngebiet” finden Kränzle und seine Nachbarn schlichtweg „absurd”.

Dass die Tiere den Turm im Herrenbachviertel noch nicht wirklich annehmen, gibt Sabina Gassner zu. „Die Tauben brüten dort, wo sie sich wohlfühlen.” Der Standort des Taubenschlags sei nicht ideal. Das Parkhausdach des Schwabencenters wäre der deutlich bessere Ort gewesen, erläutert sie. Mit dem Eigentümer sei leider nie eine Einigung zustande gekommen.

Damit das Konzept des Tierschutzvereins aber funktionieren kann, müssen die Vögel anfangen, im Turm zu brüten. Denn im Taubenschlag ersetzen Ehrenamtliche die frisch gelegten Eier durch Attrappen aus Plastik oder Gips und sorgen so dafür, dass die Tauben sich nicht weiter vermehren. Im Herrenbach-Turm klappe das aber noch nicht. „Große Mengen an Eiern konnten noch nicht entnommen werden”, sagt Gassner. „Tauben sind gezüchtete Tiere und brüten fünf bis sieben Mal im Jahr. Das ist das Grundproblem: dass sie sich so rasant vermehren”, erklärt die Tierschützerin.

Das zweite große Problem seien vermeintliche Tierfreunde. „Die Tauben werden von den Leuten falsch gefüttert, deswegen ist ihr Kot ätzend.” In den Taubenschlägen der Stadt hingegen würden die Vögel artgerecht versorgt. Und generell: „Bitte überhaupt nicht füttern”, betont Gassner ein ums andere Mal. Zudem sollte man keine Meisenknödel oder Ähnliches aufhängen, „da kommen Tauben auch ran”, erklärt sie.

Ein generelles Fütterungsverbot gibt es in Augsburg nicht. Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) und Gassner sind sich einig, dass dies auch nicht der richtige Weg sei. Der Ordnungsdienst könne es nicht leisten, zu kontrollieren, ob ein solches Verbot eingehalten werde, sagt Wurm. Wenn jedoch jemand auf frischer Tat ertappt werde, würden bereits jetzt Sanktionen verhängt, „wenn es zur Verunreinigung des öffentlichen Raums kommt”, erklärt der Referent. Das sei nämlich schon jetzt eine „Ordnungswidrigkeit”.

Diejenigen, die füttern, seien das Hauptproblem, darin zumindest sind sich alle Ausschussmitglieder einig.

Günter Göttling (CSU) erinnert sich indes an alte Zeiten, als „einer mit Kleinkaliber regelmäßig durch die Stadt zog und die Tauben geschossen hat”. - „Die Zeiten sind vorbei. Die einen sagen Gott sei Dank, die anderen sagen schade.” Wenig später sagt Markus Arnold (CSU): „Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dass so alte Zeiten wieder eingeführt werden könnten.” Peter Schwab (CSU) stimmt ihm direkt zu: „Da bin ich dabei.”

Andere legen ihre Hoffnungen mehr in die Aufklärungsarbeit. Christian Pettinger (ÖDP) lobt das Projekt des Tierschutzvereins und erzählt von Problem-Plätzen in Pfersee. Oft, wenn er auf die Straßenbahn warte, komme eine Frau mit Rollator vorbei, „die bereits morgens um sieben Taubenfutter ausstreut”. An Ordnungsreferent Wurm gerichtet sagt er, vielleicht könne sich ja das Ordnungsamt darum kümmern, „dass man den fehlgeleiteten Leuten nochmal erklärt, dass sie auf diese Weise den Tauben nicht helfen.” Pia Haertinger (Grüne) schlägt ergänzend vor, per Post mit Flyern in den Problemgebieten weiter aufzuklären.

Gabriele Thoma (SPD) hat wenig Zuversicht, dass dies etwas bringt. Es gebe eben auch Menschen, die nicht verstehen wollen, dass das Problem bei ihnen liegt. Sie habe eine Frau aus ihrem Stadtteil bereits mehrmals darauf angesprochen. Die habe nur gesagt, „dass sie füttern muss. Das sei ihre Lebensaufgabe.”

Sabina Gassner betont: „Die, die wirklich helfen wollen, sollen sich bei uns melden.” Einen Vorschlag hat sie zudem noch: Nach drei Verwarnungen durch den Ordnungsdienst könnte ein Gespräch mit dem Tierschutzverein fällig werden. Und überhaupt: „Bitte nicht Füttern!”


Von Janina Funk

Redakteurin Augsburg-Redaktion

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