Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 19.06.2023 09:55

Schicksalsstudie für Augsburgs Römer

Im Archäologischen Park in Kempten sind Teile der Tempelanlage rekonstruiert worden und bringen den Besuchern so die Antike näher. (Foto: Karl Jena)
Im Archäologischen Park in Kempten sind Teile der Tempelanlage rekonstruiert worden und bringen den Besuchern so die Antike näher. (Foto: Karl Jena)
Im Archäologischen Park in Kempten sind Teile der Tempelanlage rekonstruiert worden und bringen den Besuchern so die Antike näher. (Foto: Karl Jena)
Im Archäologischen Park in Kempten sind Teile der Tempelanlage rekonstruiert worden und bringen den Besuchern so die Antike näher. (Foto: Karl Jena)
Im Archäologischen Park in Kempten sind Teile der Tempelanlage rekonstruiert worden und bringen den Besuchern so die Antike näher. (Foto: Karl Jena)

Augsburgs römische Vergangenheit verdient mehr Aufmerksamkeit. Darin sind sich so ziemlich alle Augsburger einig. Doch eine Präsentation dieses Abschnitts der Stadtgeschichte findet momentan in einer der ältesten Städte Deutschlands nicht – oder zumindest nur sehr eingeschränkt – statt. Es fehlt, seit der Schließung der Dominikanerkirche im Jahr 2012, ein eigenes Römermuseum. Doch für einen Neubau fehlt das Geld und ein Konzept gibt es auch noch nicht. Jetzt hat die Stadt mit einem völlig neuen Ansatz überrascht: In Kooperation mit der anderen alten Römerstadt in Bayern, Kempten, soll eine Studie in Auftrag gegeben werden. Ziel sei es, so die Stadt Augsburg in einer Mitteilung, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, „um das römische Erbe in Schwaben zu präsentieren”.

Die Zusammenarbeit findet zwischen zwei sehr ungleichen Partnern statt. Während in Augsburg die Interimslösung im Zeughaus zur Dauereinrichtung geworden und das römische Erbe kaum sichtbar ist, beschreitet Kempten seit Jahren einen anderen Weg. In einer zum Teil rekonstruierten Tempelanlage können Besucher in die Antike eintauchen. An anderer Stelle schützt eine Überdachung freigelegte Überreste einer kleinen Thermenanlage.

Aber Kempten war schon damals Augsburg voraus. Cambodunum, wie die Stadt bei den Römern hieß, war noch vor Augsburg die Provinzhauptstadt Raetiens. „Sie diente als erstes ziviles Zentrum der Provinz – gegründet als Planstadt mit dem Ziel, die Entwicklung der Provinz voranzutreiben”, erklärt die städtische Mitteilung. Die heute freigelegten Kleinen Thermen, die Besucher Kemptens bestaunen können, schlossen sich an den Palast des Provinzstatthalters an und wurden wohl um 50 nach Christus errichtet, wie die Stadt Kempten informiert. Sie dienten als private Badeanlage für den Statthalter, der Vertreter des Kaisers in Rom war, seinen Stab und seine Gäste. Erst zwei Generationen später verlegte der Provinzstatthalter seinen Sitz nach Augusta Vindelicum, also nach Augsburg. Das war bis dahin vor allem Militärstützpunkt und übernahm erst um 100 nach Christus die Funktion einer Hauptstadt der römischen Provinz Raetien.

Aus dieser historischen Beziehung heraus soll nun eine neue Zusammenarbeit entstehen: „Kempten und Augsburg entwickeln ein gemeinsames Konzept, um das römische Erbe in Schwaben zu präsentieren”, formuliert die Pressemitteilung als Anspruch. Doch eine Idee, wie dies gelingen könnte, gibt es noch nicht. Vielmehr hoffen die beiden Städte darauf, dass eine Studie die Erleuchtung bring.

Diese durch den Freistaat geförderte Studie soll die „jeweiligen Schwerpunkte der beiden wichtigsten bayerischen Römerstädte herausarbeiten”, so die Mitteilung. Den Auftrag vergeben die beiden Kommunen an „international renommierte britische Spezialisten”. Die gemeinsame Studie werde dann als „strategisches Vermittlungsrahmenwerk” die jeweiligen Schwerpunkte der Standorte und deren Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten. Sie bilde eine erste Grundlage für die abgestimmte Präsentation des gemeinsamen römischen Erbes. Die Studie „dient als konzeptionelle Grundlage für eine künftige museale Neupräsentation der Römerstädte Kempten und Augsburg”. Und weil die Studie eine hohe Bedeutung für die gesamtbayerische Museumslandschaft habe, fördert die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern sie mit 50 Prozent.

„Das heutige Bayern gehörte fast 500 Jahre lang zum Römischen Reich. In dieser Zeit entwickelt sich eine eigenständige provinztypische Kultur, deren Nachwirkungen den Freistaat bis heute prägen”, begründet die Stadt Augsburg die übergeordnete Bedeutung. So fuße die Infrastruktur Bayerns in wesentlichen Teilen auf den damaligen Errungenschaften: Von den in römischer Zeit erstmals ausgebauten Fernverkehrswegen über die Aufsiedlung des Landes bis hin zu Rechts- und Wirtschaftssystemen sowie Verwaltungs- und später auch Kirchenstrukturen. Ebenso wie heute hätten auch im Römischen Reich die Siedlungen als Motoren gesellschaftlicher Entwicklungen – mit komplexem Gemeinwesen und großer Strahlkraft für das Land – fungiert, heißt es in der Mitteilung weiter. Der Funktion zunächst als erster Militärstandort in Rätien und dann als Provinzhauptstadt entsprechend besäßen „viele Funde aus Augsburg weit überregionale Bedeutung”.

„Wir entwickeln ein Konzept zur öffentlichkeitswirksamen Vermittlung unserer Römerstädte”

Für Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber sei es ein wichtiger Schritt: „Die Römer hatten überregionale Bedeutung und so ist es absolut folgerichtig, auch die Aufarbeitung und Vermittlung des römischen Erbes im gesamtschwäbischen Kontext zu denken”, so Weber. Und auch Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle scheint froh über das gemeinsame Handeln: „Nun widmen sich die beiden schon in der Antike verbundenen Städte gemeinsam der Förderung ihres einzigartigen kulturellen Erbes. Wir entwickeln ein Konzept zur öffentlichkeitswirksamen Vermittlung unserer Römerstädte – als touristische Ziele ebenso wie als außerschulische Lernorte und Wirtschaftsfaktoren für Schwaben.”

Während freilich noch vollkommen offen ist, was am Ende dieser Studie herauskommt und was das Ergebnis wiederum für Augsburgs Römer bedeutet, lässt sich das römische Erbe in Kempten bereits jetzt eindrucksvoll erleben – etwa beim Römerfest, das am 29. und 30. Juli auf dem Gelände des Archäologischen Parks Cambodunum stattfindet.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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