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Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Römer, Schlagring, Schädelknochen: Welche Geheimnisse in den Kanälen unter Augsburg schlummern

Unter Augsburg tut sich eine eigene Welt auf. Auf einer Strecke von rund 200 Kilometern fließt Wasser durch unterirdische Kanäle. Manche der Hohlräume reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Bislang schlummerten sie unter Straßen und Gebäuden der Stadt, sogar auf Plänen sind sie nur rudimentär verzeichnet. Ein Mann macht sich derzeit auf, das zu ändern: Bernhard Häck. Er taucht ein in das Wassersystem und damit in die Geschichte Augsburgs. Und fördert Spektakuläres zutage.
Nein, mit Indiana Jones wolle er sich nicht vergleichen, sagt Bernhard Häck und muss grinsen. Schließlich muss er sich nicht mit Grabräubern, Nazis oder Atombomben herumschlagen wie der berühmte Hollywood-Archäologe. Dann überlegt Häck kurz und lenkt ein: Einen Hauch von dieser Indiana-Jones-Romantik habe seine Arbeit glücklicherweise schon.
Häck erforscht für das Landesamt für Denkmalpflege unterirdische Hohlräume in Bayern. Er dokumentiert ihren Verlauf und ihre Geschichte, macht Bilder, prüft aber auch die Statik. Nun steigt er in die Kanäle unter der Fuggerstadt. Und hier liegt die Parallele zur Filmfigur: Diese unterirdischen Wasserachsen sind weitestgehend unerforscht.


Freilich trägt Häck auf seinen Ausflügen in den Untergrund keinen Hut; und eine Peitsche gehört ebenso wenig zu seiner Ausrüstung. Er schlüpft stattdessen in schulterhohe Wathosen und Sicherheitsschuhe und setzt dazu einen Helm mit Stirnlampe auf. Auf die Ausrüstung müsse Verlass sein. Genauso wie auf die mentale Stärke und den Orientierungssinn, wie Häck betont. Und bei aller Entdeckereuphorie auf eine gewisse Vorsicht: Kollegen von ihm ließen auf derartigen Expeditionen schließlich bereits ihr Leben.
Angst habe er deshalb keine; auch nicht, wenn ihm das Wasser mal wieder buchstäblich bis zum Hals steht. Schließlich steige er seit beinahe 30 Jahren von Berufs wegen „in feuchte, dunkle Löcher”. Weil sich das nicht viele Denkmalforscher trauen, ist er jedoch ein Unikat auf diesem Feld und alleine für 31.000 Hohlräume in ganz Bayern zuständig. Deshalb assistieren ihm häufig Höhlenforscher.

So auch als sich Häck im September das erste Mal in Augsburg in die Tiefe wagte. Damals borgte er sich eine Hose von der Stadt. „Die hatte lauter Löcher”, erinnert er sich. Als er dies feststellte, war er nun einmal bereits unter Tage. „Dann habe ich die Zähne zusammengebissen.” Alleine deshalb, weil das Zeitfenster für seine Entdeckungstouren eng ist. Es öffnet sich nur im September einen zweiwöchigen Spalt breit, wenn der Hochablass seine Schleusen schließt und der Wasserstand in den Kanälen sinkt. Außerdem kommt im Untergrund der Indiana Jones in ihm hoch. „Jedes Mal, wenn ich einen neuen Hohlraum betrete, ist das für mich wie Weihnachten und Ostern zusammen”, schwärmt er förmlich. Und für Augsburg kann man wohl getrost noch einen Geburtstag oben drauf packen. Denn was er bislang entdeckt habe, hätte man keinesfalls erwartet. „Ein Novum für Bayern und für Süddeutschland”, sagt Häck.

Über die Kanäle sei nämlich bislang wenig bekannt gewesen, in Katasterplänen tauchen sie wenn überhaupt nur rudimentär und mit fehlerhaften Verläufen auf. Und das, obwohl sie gewaltige Ausmaße annehmen - und im Vergleich zu anderen Großstädten unkompliziert zugänglich sind. 20 Kilometer hat Häck bereits erkundet, bis zu 200 Kilometer umfasst das Netzwerk. Eine unterirdische Schatzkammer, die Augsburg dabei helfen soll, dass seine historische Wasserwirtschaft von der Unesco als Weltkulturerbe eingestuft wird. 2018 wird die Bewerbung eingereicht, Häcks Arbeit wird derweil bis zu vier Jahre weitergehen.
Bislang hat er Erstaunliches entdeckt. Die Kanäle unter dem Kloster Maria Stern etwa weisen auf nur 108 Metern Länge Spuren aus 14 verschiedenen Bauphasen auf - die sich über rund 700 Jahre erstrecken. Dort wurden auch Holzbalken ins Wasser eingelassen, an denen sich Sedimente sammeln - und menschliche Hinterlassenschaften.

Auf ein Fahrrad, einen Computer und einen Schlagring sei man gestoßen, aber auch auf Keramik, Münzen und Zeugnisse römischer Bauart. Zudem seien Knochenfragmente eines menschlichen Schädels entdeckt worden. Eine Sondierung der Funde stehe aber noch aus. Auch Leben entdeckten Häck und seine Kollegen im Untergrund. Unter dem St.-Jakobs-Stift haben sich Muscheln angesiedelt.
Häck blickt ob der bisherigen Ausbeute voller Vorfreude auf sein nächstes Abenteuer unter Augsburg. Wer weiß, was wir noch zutage fördern, merkt er an. Der berühmte römische Pferdekopf aus Bronze sei damals schließlich auch einfach im Lech aufgetaucht. Ein solches Fundstück würde sich freilich gut im geplanten Besucherzentrum machen, das im Falle einer Welterbeernennung geplant ist. Vielleicht verfügt die Wasserstadt in spe bis dahin auch über ein paar dichte Wathosen.


David Libossek
David Libossek

Sportredakteur

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