Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 09.01.2015 12:00

Polizistenmord-Prozess: Zeuge belastet Raimund M.

Während gemeinsamer Haftzeiten hatte der 55-jährige Andreas V., der zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt Lübeck einsitzt, Kontakt zum Friedberger Raimund M. geknüpft. Zum ersten Mal trafen sie sich während M.s Untersuchungshaft in Augsburg. „Wir saßen zusammen auf einer Bank”, erzählte der Mann gestern. Danach hätten ihn andere Mithäftlinge gefragt, ob er wisse, mit wem er sich da unterhalten hatte. Und dass M. der Mord an einem Polizisten vorgeworfen werde.

Bei einem ihrer vielen Gespräche, die sich hauptsächlich während Hofgängen oder Aufschlusszeiten in der JVA Augsburg ergaben, habe V. auch seine fürhere Haftzeit in Straubing erwähnt. Zur gleichen Zeit saß dort Rudi Rebarczyk wegen Mordes am Polizisten Dieter Kraus ein. Den Todtenweiser hatte er im Jahr 1975 auf einem Rastplatz erschossen, um einen Raubüberfall zu vertuschen. „Ich habe Raimund in dem Glauben gelassen, ich würde seinen Bruder kennen. Ich kannte ihn aber nur von Erzählungen”, berichtete V. vor dem Schwurgericht. Rebarczyk sei auch an einer Häftlingsmeuterei beteiligt gewesen. Das war im August 1990, Rebarczyk war zu jener Zeit 35. Damals besetzten etwa 100 Häftlinge das Dach eines elf Meter hohen Gefängnisgebäudes. Hintergrund waren angeblich schlechte Haftbedingungen. Rebarczyk sei als verurteilter Polizistenmörder ohnehin in aller Munde gewesen.

Bei besagten Hofgängen in Augsburg habe Raimund M. Andreas V. gegenüber viel geplaudert. Pikante Details von der Tatnacht am 28. Oktober 2011. Dabei soll er Dinge wie „der Polizist war ein zäher Hund, der trotz Hals- und Kopfschuss weitergeschossen hat” gesagt haben. M. habe zwar nie gesagt, er hätte die Tat begangen. Aber oft habe er „wir” gesagt, um sich dann im gleichen Atemzug zu korrigieren und von „den Tätern” zu sprechen. M. habe von der Flucht auf dem Motorrad erzählt, dem Waldstück in der Nähe des Augsburger Kuhsees, in dem er jeden Baum kenne, weil er dort oft Fahrrad gefahren sei oder mit Bruder Rudi spazieren war.

Als Andreas V., selbst kein unbeschriebenes Blatt mit Verurteilungen wegen eines Tötungsdelikts und Vergewaltigung, die ganze Sache zu wild wurde, wandte er sich an die Polizei. Ab diesem Zeitpunkt führte er Buch über die Gespräche mit Raimund M. „Ich habe gleich nach meiner Rückkehr in die Zelle alles aufgeschrieben, erst auf Schwedisch. Später habe ich alles auf Deutsch übersetzt.” In diesen Aufzeichnungen ist auch die Rede von einer geplanten Entführung des inzwischen pensionierten Augsburger Richters Karl-Heinz Haeusler. „Auf ihn war Raimund sauer. Er kannte ihn vom Tennisclub (in Friedberg, Anm. d. Redaktion) . Angeblich hatte er ihm mal versprochen, zu helfen, wenn er in Schwierigkeiten steckt, was er dann aber nicht getan hat”, schilderte V. Deswegen wollte M. ihn entführen lassen und so seinen Bruder Rudi Rebarczyk freipressen. „Er hat immer gesagt, dass er Rudi über alles liebt. Für ihn würde er alles über den Haufen schießen - ohne Skrupel.”

Richter Haeusler hat Andreas V. später wegen Vergewaltigung verurteilt. M.s Verteidiger sehen hier den springenden Punkt. „Etwa zwei Wochen nach seiner Aussage im ersten Prozess (an dessen Ende Rebarczyk verurteilt wurde, Anm. d. Redaktion) ist er nach Lübeck in die Nähe seiner Familie verlegt worden”, sagte Dr. Adam Ahmed gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Er und sein Kollege Werner Ruisinger halten V. für einen unglaubwürdigen Zeugen, der sich Vorteile durch seine Aussage verschaffen wollte.

Weitere Zeugen für die beschriebenen Gespräche habe es nicht gegeben, erklärte Andreas V., da M. sofort das Thema gewechselt habe, wenn jemand anderes dazugekommen sei.

Fortsetzung: 12. Januar, 9 Uhr.


Von Tanja Marsal
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