Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 20.08.2023 11:28

Leben mit Essstörungen: Projekt „Starke Frauen” unterstützt

Das Thema „Essstörungen” ist vielschichtig. (Grafik: Caritas Augsburg / Kathrin Seemüller)
Das Thema „Essstörungen” ist vielschichtig. (Grafik: Caritas Augsburg / Kathrin Seemüller)
Das Thema „Essstörungen” ist vielschichtig. (Grafik: Caritas Augsburg / Kathrin Seemüller)
Das Thema „Essstörungen” ist vielschichtig. (Grafik: Caritas Augsburg / Kathrin Seemüller)
Das Thema „Essstörungen” ist vielschichtig. (Grafik: Caritas Augsburg / Kathrin Seemüller)

Schätzungen zufolge leidet jeder fünfte Mensch in Europa an einer Form der Essstörung. Da die bekannten Formen – die sogenannte Binge-Eating-Störung, die durch regelmäßige Essanfälle geprägt ist, die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und die Magersucht – meist im Kinder- und Jugendalter erstmals auftreten, wird das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung eher mit jungen Menschen verbunden. „Dabei ist der Krankheitsverlauf geprägt von einem oft jahrelangen Kreislauf von Diäten, Hungern, Ess-Anfällen und Erbrechen bis ins Erwachsenenleben hinein“, betont die Psychologin und Psychotherapeutin Sabine Herb.

Wichtig sind daher auch die Begleitung und Beratung erwachsener Menschen mit einer Essstörung. Außerklinische Angebote gibt es, über den Selbsthilfebereich und die Einzeltherapie hinaus, jedoch wenige. „Wir sind vermutlich derzeit diözesanweit die einzige Stelle, die ein fachlich angeleitetes Gruppenangebot bietet“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin und Familientherapeutin Monika Welz von der Suchtfachambulanz Augsburg-Stadt des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg.

Monika Welz und Sabine Herb leiten seit zehn Jahren die Gruppe „Starke Frauen“: Ein Angebot für Betroffene ab 26 Jahren, das kostenfrei ist, im zweiwöchentlichen Rhythmus stattfindet und regelmäßig für neue Teilnehmerinnen geöffnet wird. Bei einem Vortrag in der Suchtfachambulanz stellten die beiden Expertinnen nun das Angebot und ihre Arbeit vor.

„Wir sind sehr froh, dass unser Träger das ermöglicht“, sagt Monika Welz, „denn wir erleben bei jedem Gruppentreffen, wie wichtig das für die Frauen ist.“ Für die Teilnehmerinnen sei es eine große Unterstützung, zu erfahren, dass sie auf Gleichgesinnte treffen und mit ihrer Erkrankung nicht allein sind. Denn oft reagiere die Umwelt mit Verständnis- oder auch Hilflosigkeit, „zudem vernachlässigen Betroffene auch andere Pflichten, isolieren sich selbst, weil sich das ganze Denken um Essen beziehungsweise Nicht-Essen dreht“, betont Sabine Herbst. Die Gruppe sei ein Schritt heraus aus der Isolation und für manche Frauen auch hin zu einer grundlegenden Verhaltensänderung bis hin zur Bereitschaft für eine Psychotherapie. „Viele Frauen mit einer Essstörung sind hochdiszipliniert und äußerst leistungsfähig, beispielsweise im Beruf“, sagt Sabine Herb, „dass das gestörte Essverhalten auch Ausdruck einer tiefergehenden Ursache ist, wird oftmals verleugnet.“

Die beiden Fachfrauen bei der Suchtfachambulanz beraten und begleiten Ratsuchende auch in Einzelgesprächen. „Wichtig ist: Wir bieten keine Psychotherapie an“, erläutert Monika Welz, „aber wir lassen niemanden allein und stehen beispielsweise auch jemanden zur Seite, der auf einen Therapieplatz wartet oder gerade in einer Krisensituation ist.“ Denn Menschen mit einer Essstörung sind oftmals rückfallgefährdet: „Abstinenz ist bei dieser Erkrankung ja nicht möglich, wir können nicht einfach auf Nahrung verzichten“, so Sabine Herb.

Das Suchtgedächtnis speichert die vermeintlich positiven Erfahrungen, die Betroffene mit ihren Süchten verbinden. Was bedeutet: Essen kann ein Leben lang zum „Trigger“ werden, insbesondere wenn der betroffene Mensch auch anderweitig unter Druck steht. „Beispielsweise hatten wir während der Pandemie schon mit sehr viel mehr Frauen Kontakt, die wieder in alte Essmuster verfielen“, betont Monika Welz.

Bei Essstörungen geht man von einem multifaktoriellen Entstehungsmuster aus: Ursachen für ihr Auftreten können in der Umwelt, der Familie, einer psychischen Verletzlichkeit liegen, verstärkt natürlich durch Schönheitsideale, die gesellschaftlich propagiert werden. Und die Erkrankungen wirken sich nicht nur auf die Betroffenen, sondern auch auf ihr Umfeld aus. So steht das Beratungsangebot auch Angehörigen, Freunden und Kollegen zur Verfügung, die sich Rat und Hilfe beim Umgang mit erkrankten Menschen holen wollen.

Starke Frauen

Über das Beratungsangebot und die Gruppe „Starke Frauen“ kann man sich unter dieser Adresse informieren:
Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V.
Suchtfachambulanz Augsburg
Auf dem Kreuz 47
86152 Augsburg
Telefon 0821/3156-432
Email: suchtfachambulanz.augsburg@caritas-augsburg.de
caritas-augsburg.de


    Von Bernhard Gattner
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