Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 23.11.2023 14:20

Holzspulen aus dem „Grünen Gold“ des Bayerischen Waldes

Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen war einmal der größte Garnhersteller auf dem ganzen Kontinent. (Foto: Gögginger Geschichtskreis)
Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen war einmal der größte Garnhersteller auf dem ganzen Kontinent. (Foto: Gögginger Geschichtskreis)
Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen war einmal der größte Garnhersteller auf dem ganzen Kontinent. (Foto: Gögginger Geschichtskreis)
Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen war einmal der größte Garnhersteller auf dem ganzen Kontinent. (Foto: Gögginger Geschichtskreis)
Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen war einmal der größte Garnhersteller auf dem ganzen Kontinent. (Foto: Gögginger Geschichtskreis)

Das im Naturpark Oberer Bayerischer Wald idyllisch gelegene Blaibach hat auch eine nicht ganz unbedeutende Industriegeschichte aufzuweisen. Es besteht dabei eine interessante Verbindung zu Göggingen. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand nämlich im kleinen Blaibacher Ortsteil Harras – energiemäßig vorteilhaft am Weißen Regen gelegen – der erste Hochofen im Bayerischen Wald. Das Erz musste zwar mühsam mit Pferdefuhrwerken aus Sulzbach-Rosenberg herangekarrt werden. Es entstanden dann aber ziemlich gefragte Wagenachsen, Wagenreifen und sogar Kurbelwellen. Und vor allem Arbeitsplätze für die zu dieser Zeit noch bettelarmen Menschen. Doch nicht lange währte die Blaibacher „Eisenzeit“. Schnell drehte sich das Firmenkarussell weiter: Zündhölzer werden hergestellt und Spunde für Bierfässer. Eine Wellpappefertigung zieht auf und eine Spielwarenproduktion, die in ganz Deutschland einen Namen hatte. Ende der 1930er Jahre lachte sich die Gögginger Zwirnerei und Nähfadenfabrik (ZNFG) das Ganze an.

Sogar Nachtschichten waren angesagt

Der zu den Großen der europäischen Garnhersteller gehörende Betrieb hatte ziemlich Hunger nach Holzspulen, die sozusagen die tragenden Elemente seiner weltweit exportierten Qualitätsware waren. Noch hatte die globale Textilkrise der 1970/1980er Jahre die ZNFG nicht erreicht. Deshalb boomte es zunächst auch beim werkseigenen Blaibacher Zulieferer. Sogar Nachtschichten waren angesagt. Die Göggingerin Margot Micheler, deren Vater von der ZNFG als Geschäftsführer nach Blaibach entsandt wurde, erinnert sich: „Alle vier Wochen setzte sich ein randvoll bis zur Planendecke mit Holzspulen beladener Laster nach Göggingen in Bewegung“. Die Spulen wurden aus maschinengesägten Baumscheiben – meist war es Birkenholz – gestanzt beziehungsweise gedrechselt. Doch schon 1953 war Schluss: Mit den jetzt aufkommenden Papphülsen können die Blaibacher Holzspulen – hergestellt aus dem „Grünen Gold“ des Bayerischen Waldes – nicht mehr konkurrieren, was vor allem für die dort Beschäftigten, aber auch für den gemeindlichen Steuersäckel ein harter Schlag war. Nach dem Verkauf durch die ZNFG versuchte sich zwar noch eine Kleiderbügelfabrik, doch war dieser kein langes Leben beschieden.


Von Heinz Münzenrieder
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