menu

Aichacher Zeitung LogoHöchststrafe für den Doppelmörder von Hirblingen: „Sie sind nicht der liebe Waldi, Sie sind ein Mörder” | Aichacher Zeitung

Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Höchststrafe für den Doppelmörder von Hirblingen: „Sie sind nicht der liebe Waldi, Sie sind ein Mörder”

Das Augsburger Landgericht hat Waldemar N. wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Wie das Gericht seine Entscheidung begründete und wie Prozessbeteiligte und Angehörige reagierten.
Waldemar N. ist wie erstarrt. Er lehnt in seinem Drehstuhl als hätte ihn jemand wie ein Brett dort ablegt. Der blasse Mann schaut verloren in Richtung der Richterin, die ihn gerade zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt hat.

„Sie sind nicht der liebe und hilfsbereite Waldi, den Ihre Freunde und Verwandten hier beschrieben haben”, sagt Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser, „Sie sind ein Mörder. Sie sind ein Doppelmörder.” Waldemar N. schluckt schwer. Ansonsten regt er sich nicht.

„Auf bestialische Weise” habe er seine beiden Nachbarinnen am 9. Dezember 2016 abgestochen. Dabei sei er äußerst planmäßig vorgegangen. Er habe bewusst einen Zeitpunkt für die Tat gewählt, zu dem beide Frauen zu Hause waren. Er habe ihre Wohnung mit Messern bewaffnet aufgesucht. Und schließlich „intensivste und massivste Gewalt ausgeübt”. Die 49-jährige Elke W. trafen 16, ihre Lebensgefährtin, die 50-jährige Beate N., acht Messerstiche sowie einige Schnittverletzungen. Deshalb sieht das Gericht eine besondere Schwere der Schuld als gegeben. Die macht es auch am Motiv fest: Habgier. Chronisch klamm sei Waldemar N. gewesen. Vor den Morden brachte er die Geheimnummern für die Bankkarten von Beate N. in Erfahrung. Wie genau, darauf gaben auch die insgesamt 14 Verhandlungstage keine Antwort. Vor allem, weil Waldemar N. beharrlich schwieg.

„Wir waren gespannt”, spricht Riedel-Mitterwieser den Verurteilten direkt an, „wie Sie die erdrückenden Indizien gegen Sie erschüttern wollten. Wir waren enttäuscht von dem, was kam.”

Diese erdrückenden Indizien waren unter anderem zahlreiche DNA-Spuren des Angeklagten. An den Knöcheln der Leichen etwa oder an Stellen in der Wohnung der beiden Frauen, „wo sie nicht hingehören”. In der Dusche, am Wasserhahn.

Zudem stellten die Ermittler Blut der Opfer in der Wohnung des 32-Jährigen fest, „wo sie nichts zu suchen haben”. Im Waschbecken, an Schuhen, an Messern, die als Tatwaffe infrage kommen. „Allein diese Spuren reichen bei Weitem aus, um ihre Täterschaft zu begründen”, bilanziert die Richterin.

Für Waldemar N. als Täter sprechen ihr zufolge auch Hinweise, die nicht gefunden wurden. „Es ist absolut kein Alternativtäter möglich”, betont Riedel-Mitterwieser, „es gab nirgends eine Spur, die auf einen solchen schließen ließen”.

Die Kammer habe keine Zweifel: Waldemar N. ist der Doppelmörder von Hirblingen. „Sie sind ein eiskalter Typ”, sagt Riedel-Mitterwieser scharf und argumentiert mit der „bemerkenswerten Abgebrühtheit”, mit der er zum Tagesgeschäft überging. „Nachdem Sie die Leichen verstaut hatten, nachdem Sie in der Wohnung der Opfer geduscht haben, sind Sie mit ihrer Mutter zum Einkaufen gefahren. So, als wäre nichts gewesen.”

Die Gleichgültigkeit und die Selbstsucht des Verurteilten macht sie auch daran fest, wann der Verurteilte Geld mit der gestohlenen EC-Karte abhob. Das erste Mal, „da sind die Leichen noch nicht einmal unter der Erde gewesen”. Das zweite Mal direkt nachdem er die Körper der Frauen nahe des Flüsschens Schmutter vergraben hatte. Das, so die Richterin, „lässt sich an Kaltblütigkeit nicht überbieten”.

Die Richterin teilt auch gegen die Verteidigung aus. Die hatte in ihrem Plädoyer die Arbeit der Ermittlungsbehörden und der Kammer kritisiert. „Keiner kann uns fehlende Sorgfalt vorwerfen”, entgegnet Riedel-Mitterwieser. Die Ermittler hätten mit „großem Einsatz und unglaublich viel Detailarbeit” den Doppelmord aufgeklärt. Das Gericht habe 64 Zeugen und acht Sachverständige gehört sowie unzählige Lichtbilder und Unterlagen gesichtet.

„Wir waren gut vorbereitet, wer das nicht ist, der muss späte Beweisanträge stellen”, stichelt sie gegen Rechtsanwalt Walter Rubach, der am Montag vor den Plädoyers sechs solcher Anträge einreichte.

Rubach hält nach der Urteilsverkündung an seinen Vorwürfen fest, dass das Gericht auf eben dieses Urteil hinprozessiert habe. „Wir werden in Revision gehen”, kündigt er an. „Das Gericht hat jetzt bereits sehr nachvollziehbar sein Urteil begründet”, kommentiert Opferanwältin Marion Zech. Sie hat die beiden Schwestern der getöteten Elke W., die als Nebenklägerinnen auftraten, vertreten.

Die beiden nehmen das Urteil auf, ohne jegliche Reaktion zu zeigen. Zech spricht dennoch von großer Erleichterung, „wir haben aber nichts anderes (als lebenslänglich, d. Red.) erwartet”. Hart sei das Schweigen des Angeklagten gewesen, seine Teilnahmslosigkeit. „Es ist für sie unvorstellbar, dass er einfach so dasitzen kann und keine Regung zeigt”, berichtet Zech. Und „es wäre wichtig für sie gewesen, zu wissen, welches genaue Geschehen sie verarbeiten müssen”.

Tränen hingegen fließen bei Mutter und Schwester von Waldemar N., die bis zuletzt auf einen Freispruch, wie ihn die Verteidigung gefordert hatte, hofften. Auch das greift Riedel-Mitterwieser auf. Wieder wendet sie sich direkt an Waldemar N.: „Sie haben nicht nur das Leben der Opfer ausgerottet, nicht nur deren Angehörige zutiefst getroffen. Sie haben auch die eigene Familie getroffen.”

Die habe bereits das Haus verkaufen müssen, der Verurteilte sei dabei, seine Angehörigen „in den finanziellen Ruin zu treiben”. Vielleicht, schloss die Richterin, „finden Sie eines Tages den Mut, Ihrer Familie gegenüber ehrlich zu sein, damit sie nicht daran zugrunde geht”.


David Libossek
David Libossek

Sportredakteur

north