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Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Bertolt Brecht wird zum „Spektakel”: Ein neues Konzept für das Augsburger Brechtfestival

Wenn diese Pressekonferenz ein bisschen chaotisch sei, meint Festivalleiter Jürgen Kuttner gestern nach einer knappen Stunde im Augsburger Dorint Hotel, dann sei das eigentlich eine ganz gute Beschreibung des kommenden Brechtfestivals. Er kuratiert das Augsburger Theaterfestival, das im Februar stattfindet, zum ersten Mal gemeinsam mit Tom Kühnel. Die beiden Theaterregisseure lösen Patrick Wengenroth nach drei Jahren als Festivalleiter ab und gehen, der ersten Programmvorstellung nach zu urteilen, ihren ganz eigenen Weg.
Es ist eine untypische Pressekonferenz im 34. Stockwerk des Hotelturms, während der Jürgen Kuttner redet und sein Kollege Tom Kühnel kurze Einwürfe macht. Zwar versucht Kuttner durchaus, die versammelten Medien von seiner Vision für das Festival zu begeistern, doch Überzeugungsarbeit leisten will er kaum. So ein Festival zu planen, scheint es, ist für ihn vor allem eines: ein großer Spaß. Ob in der Zeitung am Ende positive oder negative Kritiken stehen, darüber müssten sich nur Kulturpolitiker Gedanken machen, meint er. „Ich kann das nur so und nicht anders, entweder können die Leute was damit anfangen, oder nicht”, sagt er. „Vielleicht wird das ja ein riesen Flopp, warum nicht.” Hinter dieser Fassade steckt allerdings eine spürbare Begeisterung für Brecht selbst. Die neuen Veranstalter wollen die Stücke und Texte des Dramatikers nicht politisieren, sie gewaltsam zu Parabeln für aktuelle gesellschaftliche Probleme machen. Stattdessen soll für die Zuschauer wie auch für die Festivalmacher der Spaß im Zentrum stehen.

Da das Textilmuseum 2020 nicht als Veranstaltungsort zur Verfügung steht, finden die zwei größten Veranstaltungen im Martini-Park und im Kongress am Park statt. Die Lange Brechtnacht, die der Musik seit Jahren eine eigene Plattform im Rahmen des Brechtfestivals bietet, findet am Samstag, 15. Februar, im Kongress am Park statt, wo es mehrere Bühnen für die Musiker und Bands gibt. 2020 werden neben der Langen Brechtnacht allerdings noch zwei weitere, abendfüllende Veranstaltungen angeboten. Das neue Format nennen die Kuratoren „Spektakel”, und es findet in zwei Teilen, nämlich „Vol. I” und „Vol. II” am Freitag, 14. Februar, beziehungsweise Samstag, 22. Februar, im Martini-Park statt. Bis 1 Uhr können die Besucher mit einem Ticket mehrere Aufführungen besuchen.

Kuttner hofft, dass dabei ein Jahrmarkt-Gefühl entsteht. Deshalb gibt es auf dem Außengelände des Martini-Parks auch ein Riesenrad, Popcorn und gebrannte Mandeln. Das Programm für die beiden Spektakel ist bereits gedruckt, verpackt in farbenfrohe Retro-Aufmachung, im Inneren versehen mit skurrilen, ebenso antiquierten Zeitungsanzeigen. „So schön dieses Heft auch ist”, warnt Kuttner, „es wird sich noch eine Menge verändern, irgendwas wird noch verschoben, irgendwas wird ausfallen.”

Aufwendige Produktionen sollte das Publikum, außerhalb des Gastspiels auf der Großen Bühne, „Der Auftrag” vom Schauspiel Hannover, nicht erwarten. Für dieses ist auch ein separates Ticket erforderlich. Den Rest des Abends gestalten die verschiedenen Gäste, die Kuttner spontan gebeten hat, bestimmte, oft eher unbekannte, Brecht-Texte zu interpretieren, mit insgesamt über 20 Beiträgen. „Die Leute werden da stehen und irgendwas machen”, erklärt Kuttner.

Aufgrund seiner Kontakte konnte Kuttner dieses Jahr einige große Namen für das Festival gewinnen. So widmet sich beim zweiten Spektakel etwa Schauspieler Charly Hübner dem Stück „Herrnburger Bericht”. „Wir wissen auch nicht, was er da jetzt macht”, gibt Kuttner offen zu. Doch das mache das ganze Ereignis auch so spannend für die beiden Festivalleiter. Schauspielerin Corinna Harfouch, die auch in „Der Auftrag” auftritt, widmet sich gemeinsam mit der Band „Die Tentakel von Delphi” Brechts Exilgedichten, Lars Eidinger zeigt seine Version von Brechts Hauspostille. So soll die Schwelle zum Thema Brecht gesenkt werden, denn auch, wenn das Festival diesmal nicht unter einem umfassenden Motto steht, so zeigt der Untertitel „Er ist vernünftig, jeder versteht ihn”, doch eines der Hauptanliegen von Kuttner und Kühnel: Eigentlich könne jeder Brecht verstehen, und in ihrem Programm soll auch für jeden Besucher etwas dabei sein.

Unterschiedliche Publikumsgruppen, die sich womöglich sonst nicht treffen würden, sollen gleichermaßen angesprochen und miteinander konfrontiert werden. Am Ende soll Brecht diesmal eben vor allem Spaß machen. Man wolle „den Spaß-Brecht, den Plärrer-Brecht, den Jahrmarkt-Brecht entdecken”.

Die Lange Brechtnacht wird auch dieses Jahr von Girisha Fernando kuratiert, der unter anderem mit Gisbert zu Knyphausen, der Band „The Notwist” und Deutsch-Rapper „Fatoni” ebenfalls ein hochkarätiges Lineup nach Augsburg holt.
Neben den Spektakeln und der Langen Brechtnacht spielen unter anderem die lokalen Theater am Sonntag, 16. Februar, in der „Lehrstückzentrale” der Brechtbühne, und das Staatstheater zeigt seine Uraufführung von „Svejk” am Freitag, 21. Februar.


Von Laura Türk
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