Mit 21 Jahren ist Karin Michl an dem Sport „hängengeblieben” - mit 45 bereitet sie sich auf ihre vierte Europameisterschaft im Poolbillard vor.
„Eigentlich ist 21 Jahre schon sehr spät”, findet Michl. Ein Mann sprach sie in einer Gaststätte an, fragte, ob sie Lust habe, in einem Verein Billard zu spielen. Zweiundzwanzig Jahre blieb Michl dem BC Diabolo Germering treu, bis zu seiner Auflösung, dann wechselte sie zum BV Fortuna Straubing. Dort spielt sie für die Herren in der Bezirksliga. Denn: „Es gibt viel zu wenig Frauen in diesem Sport”, sagt Michl. Doch Billard sei kein Kneipensport mehr. „Es ist ein Sport, den jeder spielen kann.” Nicht nur der Kopf komme beim Billard zum Einsatz - der müsse wie beim Schachspielen vorausdenken. Billard sei eine Mischung aus allem: aus Präzision, Technik und Taktik. Und: „Viele unterschätzen das Körperliche. Während eines Turniers kommen schon einige Kilometer zusammen.”
Darum hält sich Michl im Fitnessstudio fit, übt mindestens dreimal die Woche jeweils eine Stunde an ihrem Billardtisch im frisch renovierten Billardzimmer, spielt Turniere. Mehr ist nicht drin, da sie in München arbeitet - auch um das Startgeld, das Hotel, den Flug bezahlen zu können. „Es ist einfach so. Vom Spielbetrieb allein kann man in Europa nicht leben.” Anders sei das auf den Philippinen, erzählt sie. Dort seien Billardspieler so berühmt wie hierzulande Thomas Müller und Manuel Neuer.
Dennoch, Michl ist froh, dass die Deutsche Billard Union (DBU) sie wieder für die Europameisterschaft nominiert hat. Die Sozialversicherungsfachangestellte spielt in der Altersklasse ab 40 Jahren - Ladies heißen in dieser Klasse die Frauen, Senioren die Männer. „Obwohl es die vierte EM ist, spüre ich schon jetzt ein gewisses Kribbeln”, verrät sie. „Manchmal wäre es mir lieber, es wäre anders.”
Zur EM in Albanien muss Michl ihre Queue-Tasche mitnehmen, mit den Queues, den Ersatzoberteilen, Kreide, Puder für die Hände, und der Oma, einem Hilfsgerät, falls die Kugel mit dem Queue nicht zu erreichen ist. Eine schwarze Tuchhose muss ebenfalls mit, schwarze Halbschuhe und das Trikot, da Turnschuhe und Jeanshosen während des Turniers nicht erlaubt sind. Michls Spielqueue war teuer. „Wichtig ist aber, sich damit wohlzufühlen.”
Für den Eröffnungsstoß nimmt Michl das Anstoßqueue (Break-Queue). Verkürzt dient es auch als Jump-Queue, falls eine Kugel mal über eine andere hüpfen muss.
Um in den Stoß hineinzukommen, spielt Michl ein paar Kugeln. Während der Europameisterschaft, erklärt sie, dürfen die Teilnehmer lediglich einen Kugelsatz spielen. Mehr Aufwärmtraining sei wegen des straffen Zeitplans nicht möglich.
Rituale wie das überlange Ankreiden des Leders vor jedem Stoß hat Michl nicht. „Obwohl das technisch wichtig ist, um an der Kugel nicht abzurutschen.” Michl versuche einfach mental da zu sein. Auch gehe sie wegen der Sonne vor einem Turnier nicht hinaus. „Die Sonne ermüdet den Körper und die Augen. Während der Bayerischen Meisterschaften bin ich gar nicht rausgegangen.”
Bei diesen Meisterschaften in Ergolding holte sich Michl Ende Mai in allen vier Poolbillard Disziplinen die Goldmedaille, im vergangenen Jahr, während der Europameisterschaft in Österreich, einmal Bronze und einmal Silber. Aus Slowenien brachte Michl sogar einen Pokal mit. Dort gewann sie während der EM 2014 in Portoroz Gold im 9-Ball. Michl hofft deshalb, in Albanien erfolgreich zu sein.
Außer der 45-Jährigen werden drei Ladies und sechs Senioren ab 8. August in Tirana Deutschland vertreten. „Es wäre schön, mit einer Medaille heimzukommen. Doch es gehört das Quäntchen Glück dazu, das alles passt.” (Natascha Höck )