Wolfgang Gröll ist Fachberater Nahversorgung der Organisation New Way. Er ist seit über 20 Jahren in der Beratung tätig und hat mehr als 800 Lebensmittelfachgeschäfte beraten, darunter zahlreiche Dorfläden, Marktläden und Nachbarschaftsläden. Er arbeitet für das Dorfladen-Netzwerk. In Todtenweis ist die Frage, ob man einen Dorfladen einrichten sollte, Teil des Gemeindeentwicklungskonzepts, mit dem man sich in der Kommune seit langem beschäftigt. Ende vergangenen Jahres wurde unter den Bürgern von New Way, der Vereinigung der Bürger- und Dorfläden in Deutschland sowie der Schule der Dorf- und Landentwicklung Thierhaupten eine Umfrage zur Nahversorgungslage gestartet. Gröll stellte nun im Gasthaus Golling das Ergebnis vor. Rund 560 Bögen, einer pro Haushalt, wurden verteilt. Gut 200 Personen nahmen an der Umfrage teil, das entspricht einer Quote von 37,4 Prozent. Bürgermeister Konrad Carl kommentierte diesen Rücklauf: „Es kann dann aber mal keiner sagen, ihr habt nichts gemacht. Jeder konnte teilnehmen!” Gröll betonte, man begleite Dorfläden von der Entstehung bis zur schwarzen Null. Regionale Wirtschaftskreisläufe würden immer wichtiger. Zwar seien die Umfragewerte pro Dorfladen in Todtenweis schlecht - doch gebe es Orte, wo die Werte anfangs noch miserabler waren, inzwischen aber ein Dorfladen hervorragend laufe, wie etwa in Vilshofen oder Deusmauer in der Oberpfalz (knapp 400 Einwohner). 54 Prozent der Umfrage-Teilnehmer sind der Meinung, die Situation in Todtenweis sollte verbessert werden. Nicht nötig, meinten 37 Prozent. Wenn, dann mit einem Dorfladen, sagten 81 Prozent der Befragten. 64 Prozent würden darin einkaufen. 6,3 Prozent erklärten, sie hätten Schwierigkeiten, ihre Einkäufe zu erledigen. 46 Prozent davon bezeichneten sich als körperlich oder gesundheitlich eingeschränkt, 38,5 Prozent fehlt die Zeit zum Einkaufen, 21 Prozent gaben an, kein Auto zu haben. Jüngere Leute, so Wolfgang Gröll, legten größeren Wert auf herkunfts- und gesundheitsorientiertes Essen als ältere. Wichtig bei einem Dorfladen wären 69 Prozent regionale Produkte, 54 Prozent die Öffnungszeiten und 49 Prozent die Fußläufigkeit. Wie könnte nun ein Dorfladen in Todtenweis realisiert werden? In Frage käme ein Mischmodell. Die Gemeinde vermietet dann zum Beispiel ein Gebäude, in Todtenweis könnten das das alte Feuerwehrhaus und das Erdgeschoss des Rathauses sein (darin etwa die Getränkeabteilung). Gesellschafter sorgen für ein Startkapital, vom Staat gibt es hohe Förderquoten. Gröll nannte als Beispiel einen Laden in der Oberpfalz, wo es 90 Prozent waren. Er warnte davor, die aktuelle Lage als Indikator zu nehmen, denn „wenn die Babyboomer erstmal in Rente sind, fehlt ihnen der Arbeitsort als Einkaufsort.” In manchen Gemeinden habe der Dorfladen dafür gesorgt, dass sich weitere Dienstleister und sogar Ärzte ansiedelten. Wichtig war dem Fachberater, zu betonen, dass etwa der Bäcker und Metzger vor Ort ins Konzept eingebunden werden und nicht etwa Probleme wegen der Konkurrenz bekämen. So könnten etwa Backwaren, die beim Bäcker ab Mittag kaum noch liefen, im Dorfladen verkauft werden. Er berichtete von einem Metzger, der während seines Urlaubs Waren über den Dorfladen veräußerte und das danach begeistert beibehielt. Die Stärke des Dorfladens sei, dass jeder zuliefern könne, während es bei größeren Geschäften oder Ketten eben kaum möglich sei, dass der Bauer vor Ort sein Gemüse dort anbiete. Josef Leopold meinte, es sei gut, wenn man einen „zentralen Marktplatz” habe, in den jeder seine Produkte reinstellen könne. Michaela Grammer erklärte, bei ihr gehe immer ein halber Tag drauf, bis sie alle Läden abgeklappert habe, um ihre Familie mit regionalen Produkten und Bioware versorgen zu können. Sie fände einen Dorfladen deshalb gut, wo man alles an einem Ort erhalte. Viktoria Furtak, die länger einen Laden in Todtenweis betrieb, berichtete, dieser sei wichtig als Anlaufstelle für Menschen. Manche kämen dreimal am Tag vorbei. Auch könne man in einen Dorfladen seine Kinder zum Einkaufen schicken. Der Dorfladen, zeigte Wolfgang Gröll, könne auch eine Café-Ecke erhalten. Kilian Leopold präsentierte sich als einer der größten Kritiker eines Dorfladens. Er betreibt einen Hofladen. Selbst dort wüchsen ihm mangels Nachfrage die Kartoffeln aus. Vielleicht hätten Dorfläden „am Rand von München Zulauf, aber Todtenweis ist anders”, sagte er. Wie auch Bernhard Riß (Bürgermeisterkandidat von Zukunft für Todtenweis) behauptete Leopold, auf Todtenweis kämen mit dem Dorfladen nicht managbare Kosten zu. Riß nannte den Dorfladen „einen Klotz am Bein” der Gemeinde, die „zweieinhalb Millionen Euro Schulden” habe. Außerdem hätten viele Todtenweiser selbst „ein Garterl” und würden kein Gemüse kaufen. Gleichzeitig gebe es das Gemeindemobil Theo, das die Leute zum Einkaufen fahre. Gastwirt Roman Golling kritisierte, Gröll gebe keine neutrale Bewertung ab, sondern sei pro Dorfladen. Der Experte kämpfte gegen die zunehmend negativer werdende Stimmung im Saal: „Es ist ja nicht mein Dorfladen!” Wenn Todtenweis partout keinen wolle, dann bitte, doch dann dürfe sich in zehn, 20 Jahren auch niemand beschweren. Bürgermeister Konrad Carl wehrte sich vehement gegen die Unterstellung, Todtenweis sei pleite: „Wir müssen uns nicht verkriechen.” Mit der Vermarktung des Gewerbegebiets, die nach den Ausgrabungen nun laufe, sei die Bredouille vorbei. Man könne durchaus Pläne anstoßen. Theo stehe einem Dorfladen nicht entgegen, er könne auch Leute dahin fahren. Gemeinderat Thomas Eberle sprang ihm bei: „Ich verstehe das Problem nicht. Der Dorfladen kostet die Gemeinde doch nichts, es ist doch eine Genossenschaft.” Wolfgang Gröll regte sich auf: „Hier wird versucht, Unwahrheiten unters Volk zu streuen”, warf er Bernhard Riß und Kilian Leopold vor. „Die Gemeinde ist im Entstehungsprozess in der Verantwortung, wie bei der Entwicklung eines Gewerbegebiets. Aber sie bürgt nicht für Kredite, und auch die Mitglieder der Genossenschaft haften nur für ihre Einlagen!” Das regle klar das Kleinanlegergesetz. Man sehe auch nicht längere Zeit tatenlos zu, wenn es mit dem Laden Probleme gebe. Man sei mit den Bilanzen monatlich up to date und greife ein, wenn nötig. Ideal sei es, den Dorfladen mit Teilzeitkräften zu betreiben. Das Gehalt liege über Mindeststundenlohn bei elf Euro. Ehrenamtlich arbeite der Bei- und Aufsichtsrat, wie auch bei einer Raiffeisenbank. Nach diesen klaren Worten erhob sich vereinzelt Gemurmel im Saal: „Das habe ich nicht gewusst.” Nächste Schritte sind nun laut Carl eine Diskussion im Gemeinderat und eine Beschlussfassung pro oder kontra Dorfladen. Vieles sei noch offen, auch der Standort.