Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Hauptbahnhof-Tunnel wird teurer: Nur ein Angebot für letzten großen Rohbauabschnitt

Die Kritiker des Bahnhofstunnels sehen sich einmal mehr bestätigt: Die Stadtwerke Augsburg (swa) mussten am Mittwoch einräumen, dass sich das Projekt erneut erheblich verteuert. Mittlerweile geht das Unternehmen von bis zu 250 Millionen Euro Gesamtkosten aus.

Zuletzt hatten die Stadtwerke mit einer Summe von 181 Millionen Euro gerechnet – allerdings ohne Baupreissteigerung. Und genau dieser Aspekt scheint jetzt völlig aus dem Ruder zu laufen.

2014 hatten die swa alle Kosten und den Zeitplan für das Projekt Hauptbahnhof auf den Prüfstand gestellt und seitdem mit einem Monitoring kontinuierlich überprüft. Damals lag eine Kostenberechnung für das Gesamtprojekt im Jahr 2023 bei 193,75 Millionen Euro – einschließlich einer Baupreissteigerung von jährlich drei Prozent. Wie sich nun zeigt, sind diese drei Prozent viel zu niedrig angesetzt gewesen. Ursache dafür ist nach Einschätzung der Stadtwerke die „überhitzte Baukonjunktur“. Denn: Aufgrund der hohen Auslastung der Bauunternehmen, sind diese mittlerweile in der Lage, die Preise zu diktieren.

So hatte sich aktuell für die Vergabe des letzten großen Rohbauabschnitts nur ein Unternehmen, ein Konsortium um die Neumarkter Firma Max Bögl, gefunden, das ein geeignetes Angebot abgeben konnte – und das auch erst in einem Verhandlungsverfahren. Auf die reguläre Ausschreibung hatte sich bis Mai kein geeignetes Unternehmen gemeldet. Nun hat Max Bögl den Auftrag.

Das Resultat: Die angebotenen Kosten sind nach Auskunft der Stadtwerke „konjunkturbedingt deutlich höher als bei den letzten Kostenberechnungen kalkuliert“. Statt der angesetzten 28 Millionen Euro für diesen Bauabschnitt belaufen sie sich auf 52 Millionen Euro.

Immerhin: Nicht die kompletten zusätzlichen 24 Millionen schlagen bei den Stadtwerken
selber auf. „Da das Projekt Mobilitätsdrehscheibe Augsburg Hauptbahnhof mit dem Höchstsatz von 83 Prozent der förderfähigen Kosten von Bund und Land bezuschusst wird, trifft diese Kostensteigerung die Stadtwerke aber nur mit rund 4,5 Millionen Euro, während die Stadt Augsburg keine Kostensteigerung trifft“, versuchen die Stadtwerke zu beruhigen.

Und es gibt tatsächlich einen zwingenden Grund, warum sich die Stadtwerke auf ein solches Angebot einlassen müssen. „Die Kostensteigerung ist zwar erheblich, es konnten mit der Vergabe jedoch unabsehbare zeitliche und finanzielle Risiken abgewendet werden“, erklärt swa-Geschäftsführer Walter Casazza.

Hätten die swa den Auftrag nicht jetzt vergeben, hätte das nach ihrer Aussage einen Baustopp bedeutet und zu „Verzögerungen von mindestens zwei bis drei Jahren geführt“. Grund dafür ist die lange Vorlaufzeit, in der Streckensperrungen bei der Deutschen Bahn angemeldet werden müssen – und für die kommende Bauphase im Bereich der Personenbahnsteige müssen in den nächsten vier Jahren jeweils zwei Gleise parallel gesperrt werden. Eine zeitliche Verzögerung hätte, so die Überzeugung der Stadtwerke, auch zu deutlich höheren und unkalkulierbaren Kosten sowie Schadenersatzforderungen geführt. „Dass eine spätere erneute Ausschreibung mehr und günstigere Angebote ergibt, ist angesichts der boomenden Baukonjunktur unwahrscheinlich“, rechtfertigen die Stadtwerke die Entscheidung.

Das ändert allerdings nichts daran, dass dem Unternehmen die Kostenentwicklung aus den Fingern gleitet. „Die drei Prozent Baupreisindex waren damals sogar eher hoch angesetzt“, will Casazza die Berechnungen aus dem Jahr 2014 rechtfertigen. Dass sich die Baukonjunktur in den vergangenen Monaten so überhitzt, habe damals kaum jemand voraussehen können.

Läuft die Kostensteigerung weiter wie bisher, dann sind es für die angepeilte Fertigstellung im Jahr 2023 rund 210 Millionen Euro Gesamtkosten. Darin enthalten sind die bisher kalkulierten 35 Millionen Euro für die letzte große Ausschreibung in zwei Jahren. Dann geht es um die technische Ausrüstung, Elektro, Lüftung, Brandmelde- und Entrauchungsanlage oder Signalsteuerung. Aber die Stadtwerke scheinen selbst nicht recht daran zu glauben, dass es bei dieser Summe bleibt, denn ein Ende des Baumbooms ist nicht in Sicht. „Insgesamt könnten so bis 2023 auf Basis der Erfahrungswerte bei Kostendynamisierungen der vergangenen Jahre zwischen 230 und 250 Millionen Euro Bau- und Planungskosten entstehen“, räumen die Stadtwerke mittlerweile ein.

Schuld daran sind aus Sicht der Stadtwerke auch Bahnprojekte wie Stuttgart 21, die Münchner Stammstrecke und große Bauvorhaben der Deutschen Bahn. Diese deutlich größeren Projekte als die Augsburger Mobilitätsdrehscheibe binden Baufirmen des Spezialtiefbaus, die zudem für Arbeiten im Gleisbereich durch die DB zertifiziert sind. „Die großen Milliarden-Projekte saugen Ressourcen weg und treiben die Preise in die Höhe. Das merken alle, nicht nur wir in Augsburg“, so Casazza.

Die Nachricht von der Kostenmehrung kommt zur Unzeit für Stadt und Stadtwerke. Der Stadtrat musste am Mittwoch einen Beschluss zur Linie 5 fassen, der vorsieht, dass die Straßenbahn, die künftig durch den teuren Tunnel fahren soll, erstmal im Nirgendwo – an der neuen Ackermann-Brücke – endet.

Für die Trassenführung in der Mitte der vierspurigen Verkehrsader, der Bürgermeister-Ackermann-Straße, gibt es offenbar noch kein funktionierendes Konzept.
Ohne die Straßenbahnlinie 5 aber behalten die Kritiker des Tunnels, allen voran der Bund der Steuerzahler, Recht, die das Projekt schon von Beginn an als Millionengrab geißelten.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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