Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Das FC-Augsburg-Alphabet: Die Saison von A bis Z

Der FC Augsburg ist in der Sommerpause. Da ist freilich Zeit noch einmal auf die abgelaufene Spielzeit zurückzuschauen. Kurioses, Besonderes, Sportliches: Die sechste Bundesligasaison des FCA von A wie Austro-Augsburger bis Z wie Zittern.

Austro-Augsburger. Na geh, herst? Der FC Augsburg hat sich in dieser Saison seine eigene Austria 3 zusammengebastelt. Nur dass die Kombo keinen Austropop trällert, sondern gegen die Wuchtel tritt. Und das Trio besteht keinesfalls aus Nackerpatzerln, also Nichtskönnern. Auch wenn an Martin Hinteregger zunächst viele zweifelten. Doch er entwickelte sich zu einem ordentlichen Klavan-Ersatz - und zu einer Identifikationsfigur im Abstiegskampf. Er ist zwar kein Bellesterer, ein Schönspieler, der Ferserl oder Gurkerln, Hackentricks oder Beinschüsse, zeigt. Doch mutierte der Innenverteidiger mehrfach zum Dribblanski, ließ beim Vierepresch'n Erinnerungen an den Brasilianer Lucio aufkommen. Das mit dem Preschen beherrscht auch der gache, wahrhaft schnelle, Georg Teigl bestens. Schade, dass er nicht auch noch ein Zangler, ein begnadeter Techniker, ist - die Probleme auf der offensiven Außenbahn wären zur Hälfte gelöst. Und dann wäre da noch der Bub namens Danso (siehe auch Bubis).

Bubis. Der FC Augsburg erhoffte sich von seinem neuen Trainer Manuel Baum, vormals Nachwuchsleistungszentrumsleiter, genau das: Jungs aus dem NLZ ins Profiteam integrieren. Eben das gelang mit Kevin Danso, der nun sogar A-Nationalspieler Österreichs ist: Athletisch, zweikampfstark und mit gutem Stellungsspiel erwies er sich in seinem Premierenspiel für die Kicker aus Leipzig (Taurin) als Kinderwagen im Treppenhaus: Sie kamen nur schwer an ihm vorbei. Gab sich hernach in der Interviewzone zudem bescheiden: „Meine Mama hat gesagt: Mach' ein gutes Spiel.” War, nicht nur den Verletzungssorgen geschuldet, lange Stamm bei Baum. Das hätte auch Raphael Framberger gelingen können. Den Youngster, der einst von Cosmos Aystetten in die FCA-Jugend wechselte, bremste nach zwei starken Auftritten jedoch eine erneute Knieverletzung. Immerhin: „Frambo” ist der erste gebürtige Augsburger in einer Bundesliga-Startelf des FC Augsburg.

Cut. Bevor Baum die Profis übernahm, hatte der FCA Dirk Schuster entlassen. Die Trainerhoffnung, die eigens aus Darmstadt abgelöst wurde, musste noch vor der Rückrunde den Posten räumen. Nach der 0:1-Niederlage in Hamburg führte der Klub Unstimmigkeiten darüber an, wie der FC Augsburg sich in Zukunft ausrichten solle (Fußballverweigerer). Deshalb sei der Cut nötig. Ein solcher prangte allerdings am Tag nach Hamburg auch an Schusters Stirn. Weil der Trainerwechsel doch recht plötzlich geschah, bot das reichlich Raum für Spekulationen. Der offizielle Grund: ein Unfall im heimischen Badezimmer. Ob es auch der wahre Grund ist? Vielleicht verrät es ein greiser Stefan Reuter ja mal in einem Interview zum Karriereende.

Demut. Die Spieler des FC Augsburg fielen sich in die Arme, bedankten sich hernach artig bei den mitgereisten Fans. Ihre Gesichter strahlten nach dem klasserettenden 0:0 in Hoffenheim jedoch mehr Erleichterung denn überschwängliche Euphorie aus. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es in deutlichem Kontrast zum Hamburger SV steht. Dessen Kicker feierten nach der wieder einmal schmeichelhaften Last-Minute-Rettung, als hätten sie gerade Weltmeister-, Europameister-, Landesmeister- und Bademeisterschaft in einem gewonnen.

Etepetete? Zwei Thesen zum Publikum des FC Augsburg waberten durch die Arena. Nummer eins: Der FCA-Hype ist vorbei. Tatsächlich stärken Zahlen auf den ersten Blick diese These. Nur fünf Heimspiele waren in dieser Saison ausverkauft, in der Premierenspielzeit in der Bundesliga waren zehnmal sämtliche Tickets vergriffen. Allerdings: Im Schnitt besuchten heuer 28.172 Menschen die Arena, 2011/12 kamen 27.611. Auch zwischendrin halten sich die Besuchszahlen die Waage. Ob die Zuseher anspruchsvoller geworden sind, das ist Behauptung zwei, dafür hingegen existieren keine aussagekräftigen Zahlen. Doch gerade während der 2:3-Pleite gegen Ingolstadt gellten zahlreiche Pfiffe durch die Arena - die Stefan Reuter im Anschluss exklusiv nicht gehört haben wollte. Contra die These spricht, dass die letzten vier Heimspiele im Abstiegskampf allesamt ausverkauft waren - prächtige Stimmung inklusive.

Fußballverweigerer. Apropos Ingolstadt: Das Derby gegen die Schanzer lieferte den traurigsten Tiefpunkt einer Saison der schwankenden Leistungen. Besonders Dirk Schuster predigte biederen Ergebnisfußball (Walter Ulbricht), was ihn letztlich - zumindest offiziell (Cut) - den Job kostete. Das Hintendrinstehen klappte so zwar oft formidabel, allerdings zu dem Preis, dass der FCA kaum einmal die Mittellinie überquerte. Entsprechend jubelte die Arena bereits, wenn mal ein Angriff über mehr als drei Stationen vorgetragen wurde. So richtig Struktur bekam das Spiel unter Nachfolger Baum jedoch auch erst im Liga-Schlussspurt.

Grell. Es kam diesem Moment kurz vor einer Sonnenfinsternis nahe. Dieser Augenblick, wenn der Mond beinahe komplett die Sonne verdeckt und sich am Rand noch ein gleißend heller Strahl vorbeidrückt. Immer wenn der FC Augsburg sich im Auswärtsspiel bei der Berliner Hertha in den anderen Strafraum wagte, wurden die Zuseher Zeuge dieses blendenden Schauspiels. Dann nämlich trafen die neongelben Trikots der Augsburger auf das leuchtend rosa Hemd des Berliner Torstehers Rune Jarstein. Hatte was von den Werbeflächen einer asiatischen Großstadt bei Nacht. Oder von einer 90er-Jahre-Bad-Taste-Party. Nur ohne Musik.

Hüllenlos. Präsentierte sich nicht nur die FCA-Abwehr beim 0:6 in München oder das Gros der 3000 Augsburger Schlachtenbummler in Hoffenheim. Auch die Arena liegt seit jeher splitterfasernackt neben der B17. Ihre betonerne Blöße wird nun bedeckt. Mit Rohren, LEDs und schwarzer Farbe. Weil Letztere nur bei warmen Temperaturen haftet, verzögerte sich das mit dem Stadion-Kleid. In der kommenden Saison soll die Arena dann aber rot-grün-weiß leuchten. Manche werden ängstlich die Finger kreuzen: Hoffentlich nie in Neongelb.

Imbiss. Stadionwurst ist mein Gemüse, lautet der Ernährungsgrundsatz eines manchen Fußballfans. Und dazu passt freilich ein Bier besser als ein Tomate-Kirsch-Pomelo-Smoothie. Soweit ist es noch nicht gekommen, allerdings hat sich das mit dem Bezahlen geändert. Löhnte man früher noch mit barer Münze für das Samstagnachmittag-Menü, nutzt man seit Anbeginn in der neuen Augsburger Arena eine Karte. Macht man halt so, in modernen Stadien. Konnte ja keiner ahnen, dass die Betreiberfirma des Bezahlsystems insolvent geht - und die Fans ihre Restguthaben und das Pfand der rund 50 000 ausgegebenen Karten wahrscheinlich nie wieder sehen. Ob und wie der FC Augsburg für sie eintritt, ist weiter offen.

Jzúqiú jùlèbù Àogésibao. Das war Chinesisch. Und bedeutet Fußballclub Augsburg. So weit wird Klaus Hofmanns Vision hoffentlich nicht führen, der chinesische Investoren beim FCA durchaus für möglich hält. Doch nicht nur auf diese Weise rückte Fernost der Fuggerstadt äußerst nahe. Auch Raúl Bobadilla hatte - wie so ziemlich jeder halbwegs namhafte europäische Profi - ein Angebot aus dem Reich der Mitte vorliegen. Verlängerte aber stattdessen mit großen Worten seinen Vertrag in Augsburg bis 2021.

Knipsermangel. Bobadilla war einer der vielen Verletzten im Laufe der Saison. Noch härter traf es seinen isländischen Kollegen Alfred Finnbogason. Den zwang eine hartnäckige Aduktorenreizung sechs Monate lang in den Krankenstand. Mit ihm fehlte dem FCA ein echter Knipser, einer, der verlässlich Tore macht. Ging man auf dieser Position ohnehin dünn besetzt in die Saison, musste man im Werben um Nürnbergs Guido Burgstaller im Winter auch noch den Schalkern den Vortritt lassen.

Legende. Ein Begriff, mit dem im Fußball oft inflationär um sich geschmissen wird. Auf Tobi Werner trifft er zu. Sein Wechsel zum VfB Stuttgart stimmt viele Anhänger bis heute wehmütig. Den Schmerz linderten auch Werners Stippvisiten in Stadion und am Trainingsplatz wenig. Gerade in Zeiten lätscherner Auftritte Mitte der Rückrunde hätte einer wie der Tobi dem FCA alles andere als geschadet. Immerhin: Kommende Saison kehrt Werner zurück auf den Augsburger Rasen - allerdings im falschen Trikot.

Mo. Es roch nach großer Fußballwelt, als der FC Augsburg in der Winterpause vermeldete, dass Moritz Leitner zurückkehren würde. Einst als Dortmunder Leihspieler mit dem FCA in die Bundesliga aufgestiegen, später Meister und Pokalsieger mit Borussia Dortmund, dann bei Lazio Rom unter Vertrag. Der betörende Duft erwies sich bald als Begleiter eines schillernden Scheins: Schon in der Serie A hatte Leitner lediglich 13 Minuten absolviert. Beim FCA kam er immerhin auf sechs Einsätze, allerdings nur deren zwei über die volle Distanz. In der entscheidenden Phase wurde „Mo” dann auf die Tribüne degradiert.

Nichts. Das passierte, als Markus Weinzierl nach vier Jahren Augsburg erstmals mit seinem neuen Verein in der Arena gastierte. Keine Blumen, keine Pfiffe - spektakulär unspektakulär.

Opfer. Einmal hielt Augsburg in der abgelaufenen Spielzeit so gar nicht zusammen. Georg Teigl hatte sich in Leipzig, für das er vor seinem Engagement in Augsburg gespielt hatte, vom RB-Anhang feiern lassen. Freilich, nach einer 0:3-Pleite unglücklich, zumal die FCA-Fans das Spiel aus Protest gegen das Konstrukt Leipzig boykottiert hatten (Taurin). Das rechtfertigte jedoch nicht, dass der junge Österreicher eine Woche darauf ausgepfiffen wurde - von Teilen der eigenen Fans. Zudem prangte am Nordkurvenzaun das Plakat: „Winterpause nutzen, Teigl abschieben”. Immerhin hatte das Mobbing wenig später wieder ein Ende. Zumal Teigl höchster Respekt gebührt: Wenn er spielte, ließ er sich nichts anmerken und zeigte sich in mancher Partie gar einsatzfreudiger als so mancher „alteingesessener” Augsburger.

Pauker. Bis Baum 2014 beim FC Augsburg anheuerte unterrichtete er an der Walter-Klingenbeck-Realschule im oberbayerischen Taufkirchen. Für den späteren Posten am Nachwuchsleistungszentrum wurde er vom Dienst freigestellt. Die damalige Schülermannschaft coachte Baum 2011 zum deutschen Meistertitel. Zwei seiner früheren Schüler gehören dem derzeitigen FCA-Kader an: Philipp Max und Moritz Leitner.

Qualität. „Die beste Zweite Liga aller Zeiten”, tönte Sport 1 bereits, als es noch DSF hieß. Jedes Jahr. Die erste Liga ist in der kommenden Saison jedenfalls namhafter als in der vergangenen. Mit Hannover und dem VfB Stuttgart kehren gleich zwei große Klubs in die Bundesliga zurück. Mit Nichtabsteiger Wolfsburg wartet eine starke Bundesliga auf den FCA.

Rio. Eine olympische Silbermedaille fehlt selbst einigen der eifrigsten Titelhamstern des Fußballs in ihrer Sammlung. Linksverteidiger Philipp Max holte eine mit der Olympiamannschaft in Rio, schrammte gar knapp an Gold vorbei. Daheim musste er seinen Platz links hinten erst einmal an Konstantinos Stafylidis abdrücken, ehe Baum den offensiven Max erfand. Holpriger Start in neuer Rolle, im Endspurt der Saison entwickelte er sich jedoch zum wahren Goldjungen auf Linksaußen.

Stehaufmännchen. Einen Titel heimst der FC Augsburg in dieser Spielzeit ein: Keine andere Mannschaft holte in der Bundesliga mehr Zähler nach einem Rückstand als der FCA. Der führt diese Tabelle mit 16 Punkten an. Vor Bayern, Dortmund und Hoffenheim (je 15).

Taurin. Auch in Augsburg kam das Format RB Leipzig alles andere als großartig an. Statt Auswärtsfahrt zum streitbaren Energydrink-Aufsteiger nach Sachsen organisierten die Fans lieber einen Traditionstag zum Spiel der U23 gegen Fürth im Rosenaustadion. Zum Rückspiel zeigte die Kurve eine schwarzmalende Choreo, in der sie das Dreigestirn RB, den DFB und die DFL als Totengräber des Fußballs auswiesen. Wer nicht im Stadion war, der bekam davon auch nichts zu sehen. Die DFL entscheidet, welche Bilder über die Mattscheiben in die Wohnzimmer flimmern. Und das mit dem Totengräber stufte sie als nicht so zeigenswert ein. Immerhin: Der FC Augsburg holt eindrucksvoll ein 2:2 gegen den späteren Tabellenzweiten.

Ulbricht, Walter. „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.” Dirk Schuster.

VierNull. Für den Traum, Bundesliga zu spielen, haben wir unsere Kindheit und Jugend geopfert. Sprach's Halil Altintop vor der Partie gegen den Hamburger SV in der Kabine, während er auf Vereins- und Ligaemblem deutete. Die Mannschaft verstand den Wink und fegte anschließend über hilflose Hamburger hinweg: 4:0 hieß es am Ende; der Wendepunkt im Abstiegskampf. Altintop traf zweimal und legte ein Tor auf. „Halil hat uns den Arsch gerettet”, stellte Andreas Luthe in Hoffenheim fest und kürte ihn zum „Spieler der Saison”.

Wortspiele. „In Augsburg brennt der Baum”, wurde völlig überraschend zu einer vermeintlich kreativen und doch beliebten Überschrift als es beim FCA so gar nicht lief. Immerhin folgten nicht „Reuter stutzt Baum” oder „Reuter sägt Baum ab”. So hat der Bundesliganovize weiter Zeit, in sein Amt hineinzuwachsen. Vielleicht heißt es ja nächste Saison: „Baum setzt sich Krone auf: Europapokal für den FCA”.

Xenophilie. Ja, er ist dem Fremden gegenüber positiv eingestellt, dieser neue Ersatztorhüter des FCA. Andreas Luthe unterstrich das nicht allein durch Tweets vom Perlachturm oder aus Lokalen, die er in seinem neuen Wohnort ausprobierte. Er fiel vor allem durch seine Initiative „In Safe Hands” auf. Mit der will er Flüchtlingskinder mithilfe des Fußballs besser integrieren. Großer Typ also, nicht allein wegen seiner Körpergröße. Ach ja: An den Spieltagen 33 und 34 vertrat er den von Hüftproblemen geplagten Marwin Hitz formidabel.

Y-Koordinate. Musterschüler auf und neben dem Platz: Kevin Danso. Wurde nicht nur mal eben Bundesligaverteidiger sowie Nationalspieler, sondern machte zugleich noch sein Abi. Ob Manuel Baum ihm mit Mathe und Co. beim Lernen half, ist allerdings nicht überliefert (Pauker).

Zittern. Hätte man auch einfacher haben können, ist vielleicht eine Essenz der abgelaufenen Saison. Hätte allerdings auch furchtbar schief gehen können, nachdem zeitweise der direkte Abstiegsrang 17 bedrohlich nahe kam. Dass der FCA sich am Ende aus eigener Kraft retten würde, haben ob einiger Hängende-Schultern-mutlos-Auftritte zeitweise gar Wenige geglaubt. Sogar die viele Rechnerei vor dem letzten Spieltag, wer wann mit welchem Ergebnis auf den Relegationsplatz rutschen würde, war letztlich obsolet. Kaschieren sollte das einige Fehler, die teils bereits in der Kaderzusammenstellung gemacht wurden, jedoch nicht. Dennoch: Die Energieleistung im Endspurt war bemerkenswert.


David Libossek
David Libossek

Sportredakteur

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